Am gestrigen Dienstag, 23. September, wurde im Alten Rathaus eine kleine, feine, aber auch passende Ausstellung zum Zeitgeschehen eröffnet. Passend zur Nachricht, dass sich der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig jetzt darüber streiten, wer die Kosten für den abgebrochenen Wettbewerb zum Freiheits- und Einheitsdenkmal übernimmt. Sachsen will sein Geld gern zurück. Unübersehbar: Wenn Denkmale politisch werden, bekommt Leipzig immer wieder ein Problem.

Zumindest aus Sicht des Stadtgeschichtlichen Museums hätte es nicht so kommen müssen, wie es kam: “Anlässlich des 25. Jahrestags der Friedlichen Revolution wurde in Leipzig der Bau eines Freiheits- und Einheitsdenkmals kontrovers diskutiert. Damit hätte die Stadt neben dem einst ähnlich umstrittenen Völkerschlachtdenkmal einen zweiten Erinnerungsort mit nationalem Anspruch erhalten. Obwohl dieser Wettbewerb beendet wurde, bleibt der Wunsch der Stadt Leipzig, der Freiheitsbewegung im Herbst 1989 und der Wiedervereinigung würdig zu gedenken.” Oder zumindest der Oberbürgermeister hegt den Wunsch weiter.

Der markante Unterschied zum Völkerschlachtdenkmal war immer: Dieses wurde durch eine Lotterie und Spenden finanziert. Ohne die Begeisterung der vielen Menschen für das Projekt wäre es gar nicht gebaut worden. Und ideeller Träger war der Deutsche Patrioten-Bund. Kein Vergleich mit der Deutschen Gesellschaft von heute, die zwar die hübsche Idee hatte, Deutschland brauche auch unbedingt ein Freiheits- und Einheitsdenkmal – aber bezahlen möge es doch bitte der Steuerzahler, den man dann gern Bund oder Land nennt. Es bleiben trotzdem die Kröten der Steuerzahler, die hier für ein Projekt ausgegeben werden sollen, das schon beim ersten Scheitern ein Lamento auslöste. Auch weil es nicht wirklich eine federführende Gestalt wie seinerzeit Clemens Thieme beim Völkerschlachtdenkmal gibt, der dranbleibt, auch wenn die erste Wettbewerbsrunde keine guten Denkmal-Lösungen ergeben hat. Wie es 1895 der Fall war. Auch die 2. Runde 1896 brachte kein zufriedenstellendes Ergebnis. Manchmal lohnt sich der Blick in die Vergangenheit, um die Seifenblasenträume der Gegenwart zu erkennen.

Und weil im Stadtgeschichtlichen Museum allerhand Material zu diversen gescheiterten oder abgerissenen Denkmalprojekten in Leipzig vorliegen, lohnt sich jetzt der Weg ins Alte Rathaus.

Ausgehend von den Dokumenten zum jüngsten Leipziger Denkmalsprojekt blickt die Ausstellung auf die Geschichte umstrittener, veränderter und vergessener Leipziger Denkmale der letzten 150 Jahre zurück.

Fotos, Dokumente und Modelle zeigen diese Denkmalprojekte und regen zur Diskussion an. Es wurden die Geschichten von sieben bedeutenden Leipziger Monumenten bis 1990 und solchen der jüngsten Vergangenheit erforscht. Sie werden im Zusammenhang mit weiteren Leipziger Ehrungen erzählt, so dass ein facettenreiches Bild der politischen Erinnerungskultur entsteht. Viele Denkmalsformen waren durchaus zeittypisch und wurden in anderen Städten Deutschlands ähnlich errichtet. Dazu gehören das Siegesdenkmal auf dem Marktplatz (1888) oder der sozialistische Ehrenhain auf dem Südfriedhof (1946/1986).

Das Siegesdenkmal wurde gleich 1946 nach dem desaströsen 2. Weltkrieg und der großflächigen Zerstörung Leipzigs abgetragen. Das selbe Schicksal war dem Bismarckdenkmal am Johannapark beschieden. Abgeräumt wurde 1955 auch das erst kurz zuvor aufgestellte Stalin-Denkmal auf dem Augustusplatz. Der Schmied vom Bismarckdenkmal war schon 1942 für Kriegszwecke eingeschmolzen worden genauso wie das Luther-Melanchthon-Denkmal vom Johannisplatz.
In der Ausstellung werden ungewöhnliche Projekte vorgestellt wie das Denkmal für den Komponisten Richard Wagner, das ab 1934 unter nationalsozialistischem Einfluss als monumentales Nationaldenkmal gebaut werden sollte. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurden mehrere moderne Denkmale für Persönlichkeiten errichtet, die in der DDR aus politischen Gründen kaum geehrt worden waren, etwa Carl Friedrich Goerdeler.

Mit der Gestaltung des Nikolaikirchhofs durch Säule, Brunnen und Lichtsteine oder der Glocke der Demokratie auf dem Augustusplatz wurden erste Wegmarken zur Erinnerung an den Herbst 1989, dieses bedeutendste Ereignis der jüngeren Stadtgeschichte gesetzt.

Die Ausstellung zeigt Fotos, Dokumente und originale Objekte aus den Sammlungen des Museums, aus Archiven und von privaten Leihgebern. Darunter sind bisher unbekannte Aufnahmen vom Guss des Stalindenkmals oder Entwurfszeichnungen des Richard-Wagner-Nationaldenkmals.

Zum Nachdenken über den Sinn von Denkmalen lädt das Filmprojekt “Denk mal mit!” ein, das Teil der Ausstellung ist. Jugendliche haben über mehrere Monate Interviews mit Leipzigern geführt und diese filmisch umgesetzt. Das Jugendprojekt wurde gefördert von der Bürgerstiftung Leipzig und der Stiftung Demokratische Jugend, Programm “Zeitensprünge”.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

Die Ausstellung ist im Alten Rathaus vom 24. September 2014 bis zum 4. Januar 2015 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, Feiertage 10 – 18 Uhr.

Zum Programm in der Ausstellung:

Donnerstag, 25. September, 17 Uhr: Führung durch die Ausstellung mit Dr. Johanna Sänger

Dienstag, 30. September, 18 Uhr: DENKMAL in Leipzig – Ein Stadtrundgang zu politischen Denkmalen. Präsentation des Stadtführers mit der Autorin Christine Dorothea Hölzig.

Donnerstag, 16. Oktober, 17 Uhr: Führung durch die Ausstellung mit Dr. Johanna Sänger

www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de

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