Leicht, einen guten Kompromiss für das Bauprojekt Karl-Liebknecht-Straße/Peterssteinweg (kurz: "KarLi") zu finden, war es nicht, auch wenn Stadt und LVB mit der Öffentlichkeitsbeteiligung neue Wege gingen. Am Ende war auch klar, dass es mit Bund und Land noch einige Verhandlungen geben würde, um die Fördergelder zu bekommen. Denn die Förderpolitik der beiden Instanzen hatte bisher die Strukturen kompakter, historisch gewachsener Städte nicht berücksichtigt.

Das war insbesondere für die Leipziger Verkehrsbetriebe schon seit Jahren ein Problem. In breiten, meist in sozialistischen Zeiten künstlich aufgerissenen Straßenräumen konnte man relativ leicht auch separate Gleise für die Straßenbahn in die Mitte legen, die damit zur Stadtbahn wurde, vom sonstigen Verkehr separiert war und entsprechend beschleunigt fuhr. Aber schon in der Prager Straße wurde sichtbar, dass die Förderbedingungen ihre Grenzen haben. Um auch in Probstheida breit genug bauen zu können, mussten zwei Häuser abgerissen werden. Die Rechnung war einfach: zwei Wohnhäuser gegen ein paar Millionen Euro Fördermittel.

Aber mit dem Projekt “KarLi” kam man nun in Bereiche, wo man nicht einfach ein paar Häuser wegreißen konnte. Im Gegenteil. Die Leipziger gingen schon auf die Barrikaden, als sie hörten, dass die breiten Fußwege in der “KarLi” geopfert werden sollten. Zu Recht: Die Straße hätte damit einen wichtigen Teil ihres Flairs verloren. Schon damals loteten Stadt und LVB beim Bund die Möglichkeiten aus, die Förderbedingungen für innerstädtische Straßenbahnprojekte zu ändern. Denn wenn es immer nur Geld für “Beschleunigung”, also separate Straßenbahngleise geben würde, würde es gerade für die wichtigen Innenstadtstraßen keine Förderung mehr geben. Und damit gerade dort, wo jetzt der höchste Förderbedarf besteht.

Das war dann auch Thema einer Anfrage der Linksfraktion, die vor der Stadtratssitzung am 17. September nachfragte, was aus den Fördermittelzusagen geworden wäre.

“In der Ratsversammlung am 15.05.2013 bestätigte der Stadtrat die Vorlage “Bau- und Finanzierungsbeschluss Peterssteinweg/Karl-Liebknecht-Straße zwischen Martin-Luther-Ring und Körnerstraße…”. In dieser Vorlage wird u. a. ausgeführt: ‘Die LVB GmbH und die Stadt Leipzig stellen für ihre Finanzierungsanteile jeweils getrennte Fördermittelanträge – für den städtischen Teil nach EntflechtG (Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen). Die Kostenteilung ist mit der LVB GmbH vorabgestimmt und wird endgültig in der noch abzuschließenden Kostenteilungsvereinbarung geregelt'”, hieß es darin.

Doch irgendwie hatte man was läuten hören, die Fördergelder seien noch gar nicht geflossen. Also fragte die Linksfraktion mal nach: “1. Welche Fördermittelanträge in welcher Höhe wurden wann durch die Stadt Leipzig und durch die LVB an wen gestellt? 2. Wurden diese Fördermittelanträge schon beschieden und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Wenn nein, welche Gründe wurden seitens der Fördermittelgeber für die Nichtbescheidung angegeben? 3. Bei einem negativen Bescheid bzw. bei einem Bescheid unterhalb der erwarteten Höhe – welche finanziellen bzw. baulichen Auswirkungen hat dieser Bescheid auf die beschlossene Baumaßnahme?”

Immerhin wird ja schon seit 2013 emsig gebaut. Die Hälfte der Straße soll im Oktober fertig sein.

Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau hat nun aufgedröselt, wie schwierig sich die Fördermittelverhandlungen im Detail gestalten. Denn auch wenn es gerade vom Freistaat Sachsen 2013 schon grünes Licht gab, gab es die konkrete Rückmeldung, dass der Bund seine Fördermittelbedingungen erst einmal nicht ändert, erst im Juni 2014.
2013 hatten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) Förderung in Höhe von 5,26 Millionen Euro beantragt – davon durch den Bund in Höhe von 2,7 Millionen und durch das Land in Höhe von 2,6 Millionen Euro. Bei einem Termin im sächsischen Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) am 24. Juni 2014 wurde den LVB dann mitgeteilt, “dass nach aktuellem Stand aufgrund des geringen Anteils separierter Gleisanlagen im Bauabschnitt keine Förderung durch den Bund erfolgen wird und die LVB einen Änderungsantrag dahingehend stellen soll, dass die Förderung vollständig aus Landesmitteln erfolgen soll.”

Man hat schon ein bisschen gebraucht, um das alles zu prüfen. Aber das Land scheint dennoch bereit zu sein, in die volle Summe einzusteigen: “Gleichzeitig sollen nach einer LASuV-internen Abstimmung zwischen ÖPNV und Straße die Kosten für den passiven Schallschutz aus Emissionsquelle Straße gemäß Planfeststellungsbeschluss mit durch die LVB beantragt werden. Den besprochenen Änderungsantrag hat die LVB am 03.07.2014, jetzt mit einer beantragten Fördersumme von 5.631.469,00 gestellt.”

Wie viel Geld es nun geben wird, ist noch immer offen. Denn augenscheinlich führt der völlig ziellose Personalabbau des Freistaats Sachsen auch zu Personalknappheit im LaSuV. Die LVB teilen dazu mit: “Als Gründe für die bisherige noch nicht abschließende Bearbeitung wurden dem Verfasser vor allem personelle Engpässe benannt. Weiterhin wurde benannt, dass die Klärung der Förderung durch den Bund aufwendig und sehr zeitintensiv gewesen sei. Bis zum genannten Jour Fixe am 24.06.2014 lag keine schriftliche Aussage des Fördermittelgebers Bund vor. Die LVB stehen in engem Kontakt mit dem LASuV um den Prozess zu beschleunigen.”

Aber bei den LVB ist man zuversichtlich, dass man mit dem Freistaat zu einer einvernehmlichen Lösung kommt: “Es gibt bislang keine Signale für eine grundsätzliche “Nichtbescheidung” des Vorhabens. In den bilateralen Abstimmungsgesprächen mit dem Fördermittelgeber wurde die ausdrückliche Unterstützung des Vorhabens durch den Freistaat unterstrichen. Veränderungen gab es lediglich hinsichtlich der Aufteilung nach Landes- und Bundesmitteln. Daher wurde ein Änderungsantrag gestellt, der lediglich auf die Förderung mit Landesmitteln abzielt. – Die zur Zeit laufende inhaltliche Prüfung kann zu geringen Abweichungen gegenüber der Beantragungssumme führen, wenn einzelne technische Aspekte als nicht förderfähig angesehen werden sollten. Aus der Erfahrung mit anderen Projekten wurde jedoch dieser Antrag bereits entsprechend verfasst.”

Aber auch für die Fördergelder für den städtischen Anteil der Baumaßnahme ist noch nichts geklärt.

Dabei ist es zwischen dem LASuV und der Stadt Leipzig schon heftig hin und her gegangen. Dorothee Dubrau listet den ganzen Vorgang auf, der wohl mehr als eine Arbeitskraft auf jeder Seite in Atem gehalten haben dürfte.

3.740.881 Euro hatte die Stadt am 4. Juni 2013 beantragt.

Am 30. Oktober 2013 gab’s den Zuwendungsbescheid des LaSuV über 3.159.730 Euro.

Die Stadt ging in Widerspruch, passte den Antrag an und beantragte jetzt 3.694.828 Euro. “Im geänderten Fördermittelantrag wurden 50 % der Kosten für die Herstellung der Gehwegbereiche, 50 % der Kosten für den passiven Lärmschutz und der Anteil der Stadt Leipzig am Deckenschluss vorerst als nicht zuwendungsfähig ausgewiesen”, erläutert die Baubürgermeisterin. Das war am 12. Dezember 2013.

Am 20. Februar gab’s einen neuen Änderungsbescheid vom LaSuV. Jetzt sollten es 3.694.827 Euro sein.

Dem dann am 12. Juni 2014 ein Widerspruchsbescheid des LaSuV folgte. Jetzt sollten es wieder nur 3.437.826,70 Euro sein.

Am 1. Juli folgte wieder ein Änderungs-/Widerspruchbescheid. Jetzt waren’s 3.817.641,35 Euro.

Am 30. Juli hat die Stadt das Ganze zur Verwaltungsstreitsache gemacht und vorsorglich “Klageerhebung hinsichtlich der Bewertung zur Förderfähigkeit Lärmschutz” erhoben.

Es sieht also ganz so aus, als wäre eine Einigung mit dem Land über den größten Teil der geplanten Fördersumme möglich. Die Bereitschaft des zuständigen Landesamtes ist da – nur an Personal fehlt’s augenscheinlich.

Aber an den Nerven zerrt so ein Hin und Her natürlich. Vor allem weil hier augenscheinlich zum ersten Mal die komplexen Probleme einer kompletten Straßeninstandsetzung in engen historischen Straßenräumen diskutiert werden, ein Thema, dem sich die Bundesebene augenscheinlich bislang völlig verweigert. Das reicht von der Frage von der Sinnhaftigkeit und Förderfähigkeit separierter (oder nur teil-separierter Gleise) bis hin zur Gewährung von Schallschutz oder nicht – für alle Gebäude an der Straße oder nur für 8 von 34. Da ist schon vorstellbar, dass auch Behörden verzweifeln, weil die alten, planen Fördermodelle dagegen so schön einfach waren.

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