So langsam hat Sachsen den Tiefpunkt bei den Auszubildenden erreicht. Insgesamt 47.871 Auszubildende befanden sich am 31. Dezember 2013 in Sachsen in der betrieblichen Ausbildung. Das waren nach Angaben des Statistischen Landesamtes 2.824 bzw. 5,6 Prozent weniger Auszubildende als 2012. Seit 2010 leidet Sachsens Wirtschaft unter dem Einbruch der Auszubildendenzahlen. Zwar gab es schon in den Jahren davor einen deutlichen Rückgang. Seit 2000 haben sich die Zahlen sogar mehr als halbiert.

Von 106.977 gingen sie bis 2012 auf 50.695 zurück. Ursache dafür war natürlich vor allem der “Geburtenknick” in den 1990er Jahren. Aber nicht nur. Denn während in der Wirtschaft die Ausbildungszahlen immer noch sinken, sind an anderer Stelle die Zahlen längst wieder angezogen: bei den Gymnasiasten. Von 79.078 im Jahr 2009 stieg die Zahl der Gymnasiasten in Sachsen auf mittlerweile 91.801. Alle Bemühungen der CDU/FDP-Regierung, den Zugang zum Gymnasium zu erschweren und dadurch die Zahlen zu senken, haben nichts geholfen.

Der Grund ist simpel: Wer die Ursachen einer Entwicklung nicht erkennt, sucht die falschen Lösungen.

Die Ursache für den verstärkten Drang der jungen Sachsen aufs Gymnasium erklärt sich nicht durch die Brillanz der Gymnasialausbildung in Sachsen, sondern durch die mittlerweile fast altertümlich wirkenden Bedingungen an den Mittelschulen, die man durch die Umbenennung zu “Oberschulen” versucht, als etwas anderes zu verkaufen, als sie sind. An der Ausstattung in Qualität und Quantität hat sich ja nichts geändert. Also machen Eltern, wo sie nur können, Druck, dass ihr Kind aufs Gymnasium kommt, um damit wenigstens in den Genuss einer echten Regelschule zu kommen.

Dass dabei auch tausende Jugendliche sind, die eigentlich in Industrie, Handwerk und Dienstleistung bessere Berufsperspektiven hätten, ist natürlich ein Problem. Das sich oft dadurch löst, dass diese jungen Leute nach dem Abi oder einem abgebrochenen Studium doch noch einen Ausbildungsplatz suchen. Statistisch wirkt sich das aber noch nicht aus.

Im Gegenteil: In allen Ausbildungsbereichen gingen die Zahlen 2013 weiter zurück.

“Die anteilmäßige Verteilung nach Ausbildungsbereichen veränderte sich dabei wenig”, stellt das Statistische Landesamt fest. “So lernen 62 Prozent der Auszubildenden einen Beruf in Industrie und Handel, ein Viertel im Handwerk, 5 Prozent im Ausbildungsbereich der Freien Berufe, fast 4 Prozent in der Landwirtschaft, 3,5 Prozent im Öffentlichen Dienst und knapp 1 Prozent im Ausbildungsbereich Hauswirtschaft.”Auffällig bleibt: Junge Frauen versuchen wesentlich öfter als junge Männer, den Weg über Abitur und Studium zu nehmen. Was natürlich eine alte Frage aufwirft: die nach attraktiven und gut bezahlten Arbeitsplätzen für Frauen in der freien Wirtschaft.

“Sind von 100 Auszubildenden 37 Frauen, so waren es bspw. im Handwerk 25, in Industrie und Handel 36, im Öffentlichen Dienst 65 und im Bereich Freie Berufe 89”, stellen die Kamenzer Statistiker fest. “Von den weiblichen Auszubildenden lernen mit 7,5 Prozent die meisten den Beruf Kauffrau im Einzelhandel (1.321) und von den männlichen 8 Prozent (2.432) Kraftfahrzeugmechatroniker.”

Tragisch für viele Unternehmen: Sie bekommen nicht mehr die Bewerber, die sie wollen und brauchen. Diese Statistik hier beleuchtet zwar nicht das Problem der 10 bis 15 Prozent Schulabgänger, die ohne echtes Zeugnis und praktisch erst einmal “nicht ausbildungsfähig” abgelehnt werden müssen, weil sie die wichtigsten Voraussetzungen für eine Ausbildung nicht mitbringen. Hier hätte schon seit Jahren umgesteuert werden müssen. Die Wirtschaftsverbände haben schon vor fünf Jahren gemahnt und gewarnt. Passiert ist nichts – außer dass der Lehrermangel allerorten noch verschärft wurde. Das wichtigste Thema – die “Oberschule” wieder in eine funktionierende “Regelschule” zu verwandeln – hat die aktuelle Regierung weder angepackt noch überhaupt angedacht. Vom Aufkleben eines neuen Etiketts mal abgesehen.

Im vergangenen Jahr wurden dann also nur noch 17.846 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. “Das waren 3,6 Prozent (670) weniger als 2012”, bilanzieren die Statistiker. (Während die Zahl der Gymnasiasten weiter stieg: von 88.818 auf 91.801.)

Besonders leiden die Bereiche “Industrie und Handel”, wo es einen Rückgang der Azubis um 1.947 gab. Wobei die Klassifizierung völlig offen lässt, wer hier tatsächlich an Azubi-Schwund leidet – die Industrie oder der Handel. Das Handwerk verzeichnete 669 Lehrlinge weniger. Aber der Blick auf die neu unterzeichneten Ausbildungsverträge zeigt: Hier ist die Talsohle wohl durchschritten. Es gab sechs neue Ausbildungsverträge mehr als im Vorjahr. Ähnlich sieht es bei den Freien Berufen aus, während selbst der Öffentliche Dienst noch immer auf Sparflamme fährt, obwohl er tatsächlich mit dem selben Tempo wie Polizei und Schulwesen in einen gewaltigen Nachwuchsmangel hineinprescht. Man kann tatsächlich zur falschen Zeit sparen. Sachsen ist gerade flächendeckend dabei, genau das zu tun.

Und Ausbildung heißt ja auch noch nicht Abschluss. Die Landesstatistiker dazu: “An Abschlussprüfungen nahmen 17.700 Auszubildende in der beruflichen Ausbildung teil. 86,9 Prozent von ihnen bestanden die Prüfung im Ausbildungsjahr 2013. Die beste Quote hat dabei mit 97 Prozent der Ausbildungsbereich Öffentlicher Dienst zu verzeichnen, die geringste der Ausbildungsbereich Freie Berufe mit 83,8 Prozent. 24.798 Ausbilder und 93 Ausbildungsberater waren für die Jugendlichen Sachsens, die sich in einer betrieblichen Ausbildung befinden, verantwortlich.”

Direkt zur Statistik: www.statistik.sachsen.de/download/200_MI_2014/MI-138.pdf

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