Und siehe da: Das Schuljahr hat angefangen. Alles wird gut, versprach Kultusministerin Brunhild Kurth vor den Ferien und auch noch kurz vor der Landtagswahl. Wollte sie nur den Finanzminister schützen, mit dem sie um jede einzelne Lehrerstelle feilschen muss? Oder war das Wahlstrategie der sächsischen CDU?: alles in schönen Farben malen, auch wenn die Realität eher bescheiden aussieht. Die neuen Zahlen zum Lehrermangel hat Cornelia Falken abgefragt, Landtagsabgeordnete aus Leipzig.

Sie ist die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag und erklärt zu dem, was sich nun als aktuelle Personalsituation in Sachsens Schulen darstellt: “Wie schon in den vergangenen Schuljahren gestaltet sich der Beginn des Schuljahres 2014/2015 wieder zu einer Zitterpartie beim Lehrerpersonal. In den drei großen Städten Chemnitz, Dresden und Leipzig kann der Unterricht nicht abgesichert werden, weder im Grundbereich noch im Ergänzungsbereich. Das geht aus den Antworten der Staatsregierung auf zwei Kleine Anfragen, Landtags-Drucksachen 6/72 und 6/74, hervor.”

So liegen die Zuweisungen im Grundbereich in Chemnitz um 259 Unterrichtsstunden unter dem gemeldeten Bedarf (in der Nachfrage als VwV angegeben), was 10 Lehrerstellen entspricht; im Ergänzungsbereich liegen sie in Chemnitz um 270 Stunden darunter, was ebenfalls rund 10 Stellen entspricht – es fehlen dort also 20 Lehrkräfte.

In Dresden liegen die Zuweisungen im Grundbereich um 392 Stunden und etwa 10 Lehrerstellen unter Bedarf, im Ergänzungsbereich um 640 Stunden und damit weitere 25 Stellen. In Dresden fehlen also 35 Lehrkräfte.

Und in Leipzig sieht es kein bisschen anders aus: Im Grundbereich wird der Bedarf um 150 Stunden unterschritten, was 6 Stellen entspricht, und im Ergänzungsbereich liegen die Zuweisungen sogar um 752 Stunden unter Bedarf, was 29 Stellen entspricht. Auch hier fehlen also Vollzeitkräfte.

“Insgesamt machen die fehlenden Zuweisungen von Lehrerstunden in den drei Städten 90 Lehrer aus”, summiert Falken den aktuellen Zustand. “Zu dem Fehlbedarf an Lehrerstunden kommt, dass in 21 Schulklassen die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze von 28 Schülerinnen und Schülern überschritten wird. Das sind Klassen mit 29, 30 und 31 Schülerinnen und Schülern. In den Klassen, die ohnehin schon die Klassenobergrenze überschreiten, sollen auch noch Integrationsschüler unterrichtet werden. Um ein Beispiel zu nennen: In der Grundschule Schönau (Chemnitz) z.B. lernen 29 Schülerinnen und Schüler im Anfangsunterricht. Um eines guten Anfangsunterrichts willen wäre eine Teilung der Klassen dringend geboten. Mit der Teilung von Klassen steigt jedoch der Lehrerbedarf.”
Und der Blick in das von Kultusministerin Brunhild Kurth gelieferte Zahlenmaterial zeigt: Besonders in Leipzig werden die Maximalschülerzahlen übertroffen. Zumeist genehmigt vom Verwaltungsgericht, wie die Ministerin mitteilt. Das, was der Stadtelternrat im Juni befürchtet hat – die Überschreitung der Klassenstärke von maximal 28 Schülern – ist also genau so eingetreten.

Während in Chemnitz und Dresden nur in drei Klassen die Maximalschülerzahl übertroffen wurde, sind es in Leipzig 15 Klassen, in denen jetzt zwischen 29 und 31 Schüler sitzen. Alles Gymnasialklassen in den beliebten innerstädtischen Gymnasien – allen voran die Immanuel-Kant-Schule in der Südvorstadt mit sechs proppevollen Klassen, die Max-Klinger-Schule mit vier, die Anton-Philip-Reclam-Schule und das Schumann-Gymnasium mit jeweils zwei Klassen. Ein Effekt, der sich vor allem damit erklären lässt, dass Leipzig beim Bau neuer Gymnasien heillos hinter der Entwicklung hinterher hinkt. Und da das erste der geplanten Gymnasien – das in Schönefeld – erst in zwei Jahren verfügbar ist – wird sich diese Situation mit großer Wahrscheinlichkeit noch verschärfen.

Dass zu wenige Lehrerinnen und Lehrer da sind, hat auch direkt mit der Einstellungspraxis der Landesregierung zu tun – denn selbst als längst klar war, dass in der Größenordnung deutlich über 700 neue Lehrer eingestellt werden müssen – und zwar dauerhaft – versuchte das Kultusministerium die Lage noch mit befristeten Verträgen zu lösen. Und hat auch im Sommer 2014 dieses Mittel gewählt, um nicht vollends ins Personalchaos zu stürzen.

Cornelia Falken: “Von den zum 1.8.2014 neu eingestellten Lehrkräften sind 50 Prozent lediglich befristet beschäftigt. 450 unbefristeten Einstellungen stehen 377 befristete gegenüber. Sämtliche Lehrkräfte aus dem Programm Unterrichtsversorgung haben nur eine befristete Anstellung, und das, obwohl der Bedarf vorhanden ist und unbefristete Einstellungen zur Absicherung des Unterrichts geboten erscheinen.”

Und so tauchen die befristeten Lehrkräfte auch in Größenordnung in der Tabelle mit den 2013/2014 ausgeschiedenen Lehrkräften auf: Allein in Leipzig liefen im vergangenen Schuljahr 95 befristete Verträge aus, in Dresden 135, in Chemnitz 55.

Es wird also weiter geflickt und geknausert. Die verantwortlichen Ministerien – Finanzen und Kultus – werden weiter von den selben Personen gemanagt. Und man staunt, drei Monate nach der Wahl, warum die SPD nicht versucht hat, wenigstens eins dieser Ressorts für sich zu beanspruchen. So scheint der Eiertanz für die nächsten fünf Jahre einfach weiterzugehen. Denn auch die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von CDU und SPD klangen ja nicht wirklich ambitioniert.

Die Anfrage zur Personalsituation in Chemnitz, Dresden und Leipzig im Schuljahr 2014 / 2015 als PDF zum Download.

Die Anfrage zu den Einstellungen im Schuljahr 2014 / 2015 als PDF zum Download.

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