Es ist ein Kleinod, das Sächsische Staatsarchiv in der Schongauer Straße mit all seinen Akten zur sächsischen Verwaltungs- und Gerichtstätigkeit der letzten Jahrhunderte. Aber der Umgang mit dem Archiv zeigt auch die Schizophrenie sächsischer Archivpolitik. Man freut sich über ein Forschungsprojekt - und zieht die Lehrer ab. Das mit dem Forschungsprojekt wurde wohl nicht ganz zufällig am 15. Februar an die Öffentlichkeit gebracht.

Man braucht ja auch gute Nachrichten auf dem Portal der Landesregierung. Auch wenn sie in diesem Fall nicht vom Land bezahlt sind, sondern von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Zum Jahresbeginn 2013 nahmen zwei Projektmitarbeiter im Staatsarchiv Leipzig ihre Arbeit zur Erschließung der sächsischen Gerichtsbücher auf. Das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt hat zum Ziel, diese Archivalien im Sächsischen Staatsarchiv zeitgemäß elektronisch zu erfassen und damit den Zugang zu den vielgenutzten Bänden zu erleichtern. Das Projekt läuft bis zum Jahresende 2015.

Die Gerichtsbücher sind einzigartige Quellen zu Grundbesitzveränderungen, Nachlässen oder Vormundschaften vom ausgehenden Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und liegen für praktisch alle Orte Sachsens vor. Sie geben Auskunft über Kaufhandlungen, verbriefte Rechte, Besitzerfamilien, verwandtschaftliche Beziehungen, aber auch zum Alltag der Menschen in früheren Jahrhunderten. Seit dem Projektstart sind bereits mehrere hundert der insgesamt fast 23.000 Bände erschlossen worden.

Ab 2014 werden die Angaben sukzessive mit dem Digitalen Historischen Ortsverzeichnis des Kooperationspartners “Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V.” (http://web.isgv.de) verknüpft. Damit wird ein problemloser Zugang zu den Informationen über die ortsbezogene Recherche möglich.

Die Nutzung der Gerichtsbücher ist für die historische Heimat- und Familienforschung unverzichtbar. “Ich freue mich, den zahlreichen Interessenten an den sächsischen Gerichtsbüchern bald umfassende elektronische Verzeichnisse zu diesem Bestand anbieten zu können”, hebt die Direktorin des Staatsarchivs, Dr. Andrea Wettmann, hervor, “sie ergänzen in idealer Weise die bestehenden Online-Angebote des Staatsarchivs.”

Doch während die alten Akten jetzt für den besseren Zugang durch die Forschung digitalisiert werden, verschwinden die Lehrer aus dem Archiv. Eigentlich sind sie schon im Sommer 2012 verschwunden – zurückbeordert in den Schuldienst, wo die Lehrkräfte dringend gebraucht werden. Das belegen jetzt zwei kleine Anfragen der SPD-Fraktion, die die Ministerinnen Brunhild Kurth und Sabine von Schorlemer am 6. und am 12. Februar beantwortet haben.”Zukünftig wird es keine Möglichkeit mehr geben, Schülerinnen und Schülern im Geschichtsunterricht die Arbeit mit Originaldokumenten und Archivmaterial unmittelbar unter anderem im Hauptstaatsarchiv zu vermitteln”, stellt dazu Dr. Eva-Maria Stange, stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest. “Die dafür erforderlichen Lehrkräfte wurden mit Beginn des Schuljahres 2012/13 in den Unterricht zurückbeordert. Dort sollen sie die Lücken schließen, die durch fehlende Lehrereinstellungen entstanden sind.”

Dabei handelt es sich zwar lediglich um vier Lehrkräfte, die allerdings allein im Schuljahr 2011/12 mehr als 3.000 Schülerinnen und Schülern und über 600 Lehrkräften in 236 Veranstaltungen Kompetenzen im Umgang mit Archivmaterial vermitteln konnten. Wie aus der Kleinen Anfrage der SPD-Abgeordneten Sabine Friedel hervorgeht, ist das Staatsarchiv nicht in der Lage, diese Lücke zu schließen.

“Somit wird ein wichtiger Baustein der Geschichtslehrpläne nicht mehr umgesetzt werden können”, stellt Stange fest. “Das Kultusministerium reißt aber nicht nur an dieser Stelle Löcher, um den Unterrichtsausfall zu minimieren. Auch die Evaluierung der Qualität der Schulen muss mangels Personal gestreckt werden und die medienpädagogische Arbeit wird gedrosselt. Schule wird in Sachsen immer stärker durch das Kultusministerium nur noch verwaltet statt inhaltlich und qualitativ gestaltet. So kann man die Bildung auch in den Ruin treiben. Die Staatsregierung muss endlich erkennen, dass zu wenige Lehrkräfte für die Absicherung einer qualitativ hochwertigen Bildung an Sachsens Schulen vorhanden sind. Die Altersabgänge werden das Problem in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Aus Löchern werden dann Krater in der Bildungspolitik.”

www.archiv.sachsen.de

www.archiv.sachsen.de/7435.htm

Die Antwort der sächsischen Staatsregierung auf die Kleine Anfrage “Aufhebung von Lehrerabordnungen?” (Drucksache 5/11068) als PDF zum download.

Die Kleine Anfrage “Archivpersonal im Hauptstaatsarchiv” (Drucksache 5/11069) als PDF zum download.

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