Mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein ADAV entstand 1863 in Leipzig die erste Arbeiterpartei weltweit, begründet Linken-Fraktionschef Sören Pellmann die Forderung nach einem städtischen Gedenkstein für den SPD-Vorläufer. Die deutsche Arbeiterbewegung sei "immer Garant einer demokratischen Perspektive" gewesen, so Pellmann im L-IZ-Interview.

Herr Pellmann, Mitte Januar 2013 stellt Ihre Fraktion einen Antrag auf Errichtung eines städtischen Gedenksteins anlässlich des 150. Jahrestages der Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) am 23. Mai 1863 in Leipzig. Ist das denn zeitlich bis zum 23. Mai 2013 überhaupt noch zu schaffen?

Im Antrag steht kein explizites Datum zur Errichtung des Steins. Das wäre auch nicht mehr bis zum 23. Mai zu schaffen. Selbstkritisch müssen wir sagen, dass der Antrag bereits vor einem Jahr hätte kommen müssen.

Das gilt aber auch für die Stadt selbst, die das “verpennt” hat und auch für andere politische Kräfte, die sich in jener Tradition sehen. Von dieser Seite ist bis heute übrigens nichts dergleichen zu vernehmen.

Die Hoffnung, dass von dieser Seite eine solche Initiative kommt, hat sich leider nicht erfüllt, so dass wir uns dann selbst in der Pflicht sahen, per Antrag die Anregung zu geben. Wir hoffen aber auch aus dieser Richtung auf eine breite Unterstützung unseres Anliegens.

Wo genau soll der Gedenkstein denn stehen?

Am ehemaligen Standort des Pantheons am Gerichtsweg.Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein ADAV, an dessen Gründung vor 150 Jahren im Leipziger Osten Sie erinnert sehen wollen, gilt gemeinhin als die Ur-SPD – und noch dazu als nicht unbedingt marxfest. Warum greifen Sie als Linke die Erinnerung an die Geburtsstunde der SPD auf?

Mit dem ADAV entstand vor 150 Jahren die erste politische Arbeiterpartei in Deutschland und weltweit. Diese Parteigründung steht in der Geschichte der Herausbildung der deutschen Arbeiterbewegung seit den 30er und 40er Jahren des 19. Jahrhunderts.

Insofern ist sie Bestandteil der Tradition der Linken. Rosa Luxemburg und Franz Mehring bezogen sich immer wieder auf dieses Erbe. In der “Geschichte der SPD” von Franz Mehring spielen ADAV und Ferdinand Lassalle eine bedeutende Rolle.

Das Geschichtsbild der SED war in Bezug auf den ADAV und Lassalle freilich widersprüchlich und nicht ohne Probleme. Auch der Sicht von Marx und Engels auf die Parteigründung steht die Linke nicht kritiklos gegenüber. Dennoch wurde hier in Leipzig die Werkausgabe Franz Mehrings mit seiner positiven Sicht auf ADAV und Lassalle ediert. Es gab eine Biografie Lassalles von dem Leipziger Historiker Hans-Jürgen Friderici.

Was macht in Ihren Augen eine Parteigründung so bedeutsam, als dass die Stadt Leipzig in ihrer Gänze diesen Gedenkstein errichten soll?Aus den genannten Gründen scheint uns dieses Jubiläum Anlass zu sein, den ADAV mit einem Gedenkstein zu würdigen. Dies gilt nicht nur für die Linke, sondern für die Stadt Leipzig insgesamt. Nicht nur Richard Wagner, sondern auch Ferdinand Lassalle und der ADAV stehen für die Tradition Leipzigs.

Der Gründungsimpetus des ADAV reiche bis in die Gegenwart, heißt es in Ihrem Antrag. Welche Langzeitwirkungen nehmen Sie wahr?

Die Gründung des ADAV war ein entscheidender Durchgangspunkt in der Herausbildung der deutschen Arbeiterbewegung, die nach Sozialistengesetz, Weltkriegen und Faschismus immer Garant einer demokratischen Perspektive war. In dieser Tradition sieht sich auch die Linkspartei.

Wie ordnen Sie die DDR, die sich als Arbeiter- und Bauernstaat verstand, in diese Gesamtsicht ein?

Die DDR ist – wie auch der ADAV – Geschichte. Geschichte, zu der man sich verhalten muss. Man kann aus ihr nicht aussteigen.

So, wie die DDR nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und zu Beginn des Kalten Krieges auf von sowjetischen Truppen besetztem Gebiet entstanden war, konnten hier keine demokratischen Strukturen entstehen. Dieses Manko war auch für das nicht von Einseitigkeiten freie Bild der offiziellen DDR zum ADAV wesentlich.

In seiner Konsequenz war jener Geburtsfehler freilich auch die Hauptursache ihres Scheiterns. Das geschah indes friedlich und weitestgehend zivilisiert und hat 1989/90 für eine kurze Zeit auch neue demokratische Strukturen hervorgebracht, die leider inzwischen fast verschüttet sind. Hier sehe ich Traditionslinien, die bis zur ADAV-Gründung zurückreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar