Drei junge Frauen in einem Provinzstädtchen. Und weit entfernt eine Großstadt, zu der es sie alle zieht. Klingt nach Studentinnengeschichte in Richtung Uni Leipzig, ist aber Tschechows Theaterstück "Drei Schwestern". Tanner traf die drei Darstellerinnen Katharina Eirich, Katja A. Pohl und Hannah Maneck zum Gespräch, die am Samstag Premiere in der naTo feiern - hat doch Frank Schletter und sein TheaterPACK diesen Text angepackt und die Ränzlein geschnürt.

Hallo, die Damen – in Tschechows “Drei Schwestern” spielt ihr drei Schwestern. Die haben so ihr Ungemach mit der elterlichen Umzieherei und landen in einem hintersibirischen Kuhkaff, um von Moskau zu träumen. Wovon träumt ihr? Von der großen weiten Welt? Sex in The City New York? Paris oder Posemuckel?

Hannah alias Irina: Posemuckel finde ich super. Hab zwar leider keine Ahnung, was das ist, aber es klingt so, als würde es sich lohnen, davon zu träumen … aber so fern, wie Moskau für Irina ist, träume ich von einer Welt ohne Geld und Grenzen im Mentalen und Zwischenmenschlichen. Ich möchte reisen und als Schauspielerin arbeiten – die Verbindung aus beidem ist mein Traum.

Katharina alias Mascha: Zurzeit träume ich vom inneren Frieden.

Katja alias Olga: Neben privaten Träumen, für die es hier wahrscheinlich zu wenig Raum gäbe, träume ich von einer adäquaten Wertschätzung und Finanzierung der freien Szene. In meinem Kollegenkreis erlebe ich wunderbare Menschen voller Kreativität und Enthusiasmus – ein Gros derer können bei weitem nicht davon leben. “Da steigen einem die Tränen in die Augen, weißt du nicht, dass so was …”

Katharina Eirich, Katja A. Pohl und Hannah Maneck – ihr seid die Darstellerinnen – was treibt ihr neben dem “Unter-Frank-Schletters-Regie-Erzittern”?

Hannah: Ich spreche an Schauspielschulen vor und arbeite nebenher an anderen freien Theaterproduktionen in Leipzig. Zum Beispiel am KAOS und am Spinnwerk. Ich studiere das Leben auf der Bühne und die Bühnen des Lebens.

Katharina: Ich habe an der HMT Leipzig Musical studiert und an verschiedenen Häusern (Theater Gera/Altenburg, Oper Halle, Oper Chemnitz …) gespielt. Außerdem unterrichte ich noch Gesang und Klavier und trete mit meinem Soloprogramm auf.

Katja: Dann erzittere ich unter einer anderen Regie oder unter meiner eigenen. Stellt sich nur die Frage, was schlimmer ist.

Was hat der Stoff Tschechows den Menschen heute in Leipzig und anderswo zu sagen?

Hannah: Moskau ist Illusion, höchstes Glück, Vollkommenheit. Für mich beschreibt Tschechow nicht das Ziel, nach Moskau zu kommen, als Erfüllung aller Lebensträume, sondern das alltägliche Leben mit dieser Sehnsucht zu füllen. Es fantastisch werden zu lassen und sich nicht abzufinden mit althergebrachten Wünschen oder massentauglichen Vorstellungen vom Leben. Und speziell zum Frauentag: Das, was den Schwestern widerfährt – vom wohlwollenden Auge des Mannes abhängig zu sein – ist zwar veraltet, aber dennoch zu präsent in unserer Gesellschaft.

Katharina: Es bringt nichts, sein Glück in die Hände anderer zu geben. Man sollte die Verantwortung für sich selbst übernehmen und mutig seine Entscheidungen treffen. Den Schwestern gelingt das nicht. Dieses Thema beschäftigt mich – und ich denke, noch viele andere Menschen heute.

Katja: Prinzipiell werfe ich in der künstlerischen Arbeit lieber Fragen auf, als Antworten zu formulieren. Ähnlich wie bei Godot warten auch die Schwestern, ohne sich letztlich zu bewegen. Träumen nicht viele von einem fremden Ort, an dem man sich noch wohler fühlt, von einem anderen Lebensentwurf? Warum gehen wir nicht? Was braucht es, um große Brüche passieren zu lassen? Wir bewegen uns, wenn etwas Dramatisches passiert. Warum so selten aus Freude, aus Spaß, aus Illusion?
Samstag, Sonntag und Montag spielt ihr in der naTo im Leipziger Süden – geht’s danach auf Reisen mit dem Stück? Wäre doch passend.

Hannah: Ja, das wäre schön! Wir haben geschafft, die Inszenierung mobil zu halten. Die kleine Besetzung von gerade mal drei Darstellerinnen lässt viel Spontanität zu. Ich denke, wir könnten fast überall damit auftreten. Gerade für Menschen, die auf dem Land wohnen, könnte der Wunsch, lieber am “Nabel der Welt” zu leben, vertraut sein – es wäre schön, mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen.

Katharina: Ja, wir haben Termine im April (Neues Schauspiel).

Katja: Ja, Spitzen-Idee. Ich bin dabei. Fehlt wohl nur noch das Reisetaschengeld.

Tschechow war Arzt von Beruf, trieb seine Medizin aber fast ausschließlich ehrenamtlich. Das bringt uns auf die Frage nach dem Wert – leider derzeit meistgedacht monetär – von Tätigkeit. Bringt das Spielen im TheaterPACK so viel ein, dass der Kühlschrank voll ist? Oder wie handhabt ihr eure Bedürfnisbefriedigung?

Hannah: Noch bin ich sponsored by Mama und lebe vom Kindergeld. Ich habe die Narrenfreiheit, Projekte anzunehmen, ohne aufs Geld achten zu müssen. Ein großer Luxus!

Katharina: Ich spiele zum ersten Mal beim TheaterPACK mit. Dass ich viele künstlerische Freiheiten habe und eigene Ideen einbringen kann, finde ich gut. Aber vor allem freue ich mich über die tollen engagierten Menschen, die ich kennengelernt habe. Das ist meine Bedürfnisbefriedigung, was TheaterPACK angeht. Aber ich denke, dass der Kühlschrank davon leider nicht voll wird … (Oder vielleicht doch …)

Katja: Es ist wirklich schwer, sich unter den Bedingungen in Leipzig “über Wasser zu halten”.

Tschechow publizierte über 600 Werke. Hattet ihr schon vor den “Schwestern” mit seinem Schaffen Berührung?

Hannah: Ich habe schon Tschechow-Szenen für meine Vorsprechen benutzt. Die russische Literatur und Dramatik sind mir sehr vertraut. Nikolai Erdman, Dostojewski, Bulgakow oder Gogol – der große Witz und die Schwere, die diese Autoren mitbringen, können mich immer wieder aufs Neue tief berühren.

Katharina: Nein.

Katja: Ich habe schon einen Teil seiner Kurzgeschichten vertont. Ich liebe die Poesie und wunderbar leichte Dramatik des Alltäglichen in seinen Texten. Seine Charaktere sind so nah an uns und so herrlich minimal überspitzt gezeichnet. Ich hatte in der Sprechkabine und auch bei den Proben zu den “Drei Schwestern” großen Spaß und die absurdesten Bilder und Gedanken kamen in meinen Kopf.

Gibt es Wünsche ans Leipziger Publikum von euch?

Hannah: Seid offen und ehrlich! Sowohl vor als auch nach der Vorstellung. Ich habe noch nie in einer für mich so großen – im Sinne der Sprechanteile und Intensität – Inszenierung mitgespielt und bin gespannt auf die Resonanz!

Katharina: Hinsetzen, mitdenken, mitfühlen, bis zum Schluss bleiben, klatschen.

Katja: Austausch und rote Rosen. Mit oder ohne Stacheln.

Wir jedenfalls spucken schon mal fleißig über Schultern.

TheaterPACK; Tschechows “Drei Schwestern” – Nato – 9., 10. und 11. März 2013, 20 Uhr.

www.theaterpack.com

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