Seit 2020 stellt Leipzig seinen jährlichen Kulturkalender unter ein spezielles Motto. Meist hängt so ein Themenjahr dann auch mit einem großen Jubiläum zusammen, das die Stadt sowieso irgendwie feiern will. Aber das klappt nicht immer. 2027 hatte Leipzigs Kulturdezernat irgendwie ganz große Probleme, all das, was irgendwie geplant war, unter einen Hut zu kriegen.

Oder unter ein Thema, das auch auf ein Plakat passt, wie in der Ratsversammlung am 18. Dezember die Stadträtin der Linken Mandy Gehrt anmerkte. Die noch etwas vermisste: Ein Budget für zivilgesellschaftliche Akteure, die eigene Beiträge zum Themenjahr beisteuern wollen.

So ein Budget gab es in der Vergangenheit immer. Auch deswegen, weil die Stadt die Gestaltung der Themenjahre nicht allein den eigenen Kulturinstitutionen überlassen wollte. Dafür standen jeweils 90.000 Euro zur Verfügung, nicht viel Geld, wenn sich eine Initiative wirklich einmal in ein größeres Projekt wagen wollte. Doch für 2027 steht nichts dergleichen im Plan.

Das hat mit der aktuellen klammen Haushaltssituation der Stadt zu tun und damit, dass jetzt schon absehbar ist, dass die Stadt auch 2027/2028 Probleme haben wird, irgendwie noch einen genehmigungsfähigen Haushalt zu stricken. Denn die aktuelle Bundesregierung denkt nicht einmal daran, die Finanzprobleme der Kommunen zu lösen, die mit den rasant steigenden Sozialkosten regelrecht allein gelassen werden.

„Wir brauchen jetzt eine Überbrückungshilfe, wir brauchen jetzt eine Veränderung der Finanzarchitektur“, sagte OBM Burkhard Jung in seine Funktion als Präsident des Deutschen Städtetages am 4. Dezember in einem Interview mit dem rbb.

„Die Städte und Kommunen, die Gemeinden müssen Unterstützung erfahren von Bund und Ländern. Da sind beide in der Verantwortung.“ Haupttreiber der Kosten seien die Sozialausgaben. Ein großer Anteil der kommunalen Finanzen sei durch Pflichtaufgaben gebunden. Die Kosten dafür reiche der Bund über die Länder an die Städte und Gemeinden weiter.

Es war ein Appell an die damals tagende Ministerpräsidentenkonferenz. Der aber ungehört verhallte. Weder Bund noch Länder haben in irgendeiner Weise auf die zunehmende Not der Kommunen reagiert.

Also wir das jetzt so weitergehen. Jahr für Jahr. Die Kommunen werden immer tiefer in die Schulden rutschen und immer mehr Leistungen einsparen, um irgendwie noch zu genehmigungsfähigen Haushalten zu kommen. Und Stadträte werden versuchen, irgendwo noch ein paar Kröten loszueisen, um Themenjahre nicht allein zur Kür städtischer Häuser werden zu lassen.

Ein paar Peanuts

„Der Stadtrat nimmt die Ausgestaltung des städtischen Themenjahres 2027 unter dem Motto ‚Leipzig gestalten –Geschichtenvon mutigen Menschen aus Leipzig‘ u.a. aus Anlass des 350. Jubiläums der Leipziger Städtischen Bibliotheken zur Kenntnis“, hatte die Linksfraktion ihren Antrag formuliert, der die am 18. Dezember zur Beschlussfassung anstehende Vorlage zum Themenjahr 2027 ergänzen sollte.

„Er nimmt weiterhin die Austragung kultureller (Groß-)veranstaltungen im Rahmen des Themenjahres zur Kenntnis (12. Deutscher Chorwettbewerb, Jahrestagung des Dt. Museumsbundes 2027, Jahrestagung des PEN-Zentrums Deutschland 2027, Landeswettbewerb ‚Jugend musiziert‘ Sachsen im Jahr 2027). Außerdem können sich zivilgesellschaftliche Akteure im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung mit Projekten am Themenjahr beteiligen. Dafür werden 30.000 € aus dem Budget zur Verfügung gestellt.“

30.000 Euro, die sowieso als Variable schon in der Vorlage verankert waren. Aber halt nicht zur Projektausschreibung. Die hat das Kulturdezernat eher im regulären Antragsverfahren über die Förderung des Kulturamtes vorgesehen, wie Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke erklärte.

Aber darauf wollte sich die Ratsmehrheit am 18. Dezember nicht verlassen. Der Antrag der Linksfraktion bekam mit 32:23 Stimmen die nötige Mehrheit, sodass jetzt wenigstens 30.000 Euro für öffentliche Projektbewerbungen in Themenjahr vorhanden sein sollten.

Neben den ganzen Jubiläen, die die Stadt im Themenjahr 2027 sowieso feiern will. Und das ist eine ganze Menge, wie die Vorlage aus dem Kulturdezernat beschreibt.

Nur ja keine Heiligenfiguren

„Das Themenjahr 2027 sucht nach Kraftquellen der Stadtgesellschaft in Krisenzeiten und nach zukunftsweisenden Lösungsstrategien für ein mutiges Herangehen an die Herausforderungen unserer Zeit. Dabei sollen Menschen im Mittelpunkt stehen, die trotz starker Widerstände Bahnbrechendes für die Bürgerstadt Leipzig erreichten und dabei beispielhaft Umbruchsituationen meistern halfen.

Herausforderungen, in denen wir uns heute wiederfinden: Von der Finanzkrise, Verteidigungsfähigkeit und Friedenserhaltung bis zur Pandemievorsorge und Bildungsgerechtigkeit und von der politischen Polarisierung bis zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung und überzeugenden Standortpolitik“, liest man da.

Für Mandy Gehrt im Grunde geradezu die Herausforderung, gerade dafür die Zivilgesellschaft mit Projekten einzubinden. Denn wer sonst könnte besser davon erzählen, wie man „Bahnbrechendes für die Bürgerstadt“ auf die Beine stellt?

Und irgendwie hat es das Kulturdezernat ja auch so formuliert: „Es geht dabei weder um überhöhte ‚Heiligenfiguren‘ noch allein um große Namen, sondern um engagierte Rollenvorbilder aus der Mitte der Gesellschaft, die Neues schufen – es geht um mutige Menschen aus mehreren Jahrhunderten und damit zugleich um tragfähige Erzählungen von gemeistertem Wandel sowie konsequenter und dabei nicht selten widerständiger Gemeinwohlorientierung. Im Zentrum stehen der Transfer von Wissen in konkretes und gemeinschaftsstiftendes Handeln sowie die Entdeckung und Aktivierung von Mitgestaltungspotentialen einst und jetzt.“

Das Ankerprojekt des Themenjahres wird als Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum stattfinden, so das Kulturdezernat. „Macher und Macherinnen. Die Energie einer Stadt“ ist der Arbeitstitel dieser Ausstellung.

„Weiterhin ist das 350. Jubiläum der Leipziger Städtischen Bibliotheken gesetzt – u.a. als Erinnerung an den Stifter der Leipziger Stadtbibliothek Huldreich Groß vor 350 Jahren, weiterhin an Walter Hofmann, der ab 1914 die städtischen Bücherhallen als innovative Bildungsidee für ein breites Publikum entwickelte oder an Edith Rothe, die als Leiterin der kriegszerstörten Leipziger Stadtbibliothek ab 1945 große Verdienste beim Wiederaufbau erwarb und mit der SED-Administration in Konflikt geriet.

Heute wirken die Leipziger Städtischen Bibliotheken wie kein anderer Ort am innerstädtischen Hauptstandort und in den Zweigstellen in den Quartieren unmittelbar in die Stadtgesellschaft und entwickeln sich zu vorbildhaften zu ‚Dritten Orten‘ der Öffentlichkeit.“

Womit Mandy Gehrt ja recht hat. Eigentlich hat die Stadt bei diesem Themenjahr wieder nur an ihre eigenen städtischen Einrichtungen gedacht, nicht an die freie künstlerische Szene und all die Leute, die eh schon für wenig Geld Leben in die Bude bringen und Leipzig eine lebendige Seele verpassen. Kann passieren. Sollte aber nicht passieren.

Schon gar nicht in einer Zeit, in der die stockkonservative Politik auf höheren Ebenen die Kommunen mit ihren Aufgaben regelrecht ausbluten lässt.

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