Bernd Erich Gengelbach ist Theater-Techniker mit ganzem Herzen und von der Pike auf. Auf seiner Visitenkarte stehen Lichtdesign, Studio für leise Töne. Dazu noch Audio-, Video- DVD-Produktion,. Dazu der Spruch: "Von der Unmöglichkeit nur Eines zu tun."

Viel mehr rund um das Leben vor, auf, und hinter der Bühne hat er zum Beispiel bei der szenischen Aufführung der “Götterdämmerung” mit Universitätsmusikdirektor David Timm für die Richard-Wagner-Gesellschaft 2013 e. V. bewerkstelligt – diese Aufführungen auf relativ großer Bühne, mit Solisten, Chor und ziemlich großem Orchester fanden im Auditorium Maximum der Universität Leipzig statt, in dem außer Stuhlreihen gar nichts an einen Theaterbau und Technik für die Bühne erinnert… Seit Jahren ist Bernd Erich Gengelbach Technik-Chef und Co-Direktor der euro-scene Leipzig. Vom Aufbau bis zum Abbau steht ihm ein großes Team zur Seite, an jeder einzelne Spielstätte hat er einen Bühnenmeister eingesetzt.

Zauberei findet auf der Bühne statt. Was hinter den Kulissen passiert, wird geheim gehalten. Wir glauben an die Magie von Darstellender Kunst. Und schauen trotzdem gern mal von der Seitenbühne aus zu… Es scheint eine Leidenschaft von Enthusiasten und Kunst-Kennern zu sein. Große Musical-Produktionen verkaufen Tickets für Technik-Führungen.

Wenn man von Zuschauern am Technik-Pult wahrgenommen wird, wird man auch ausgefragt. Wir haben mal mit den Technik-Führungen zu den Aufbauten in der Peterskirche angefangen und stießen auf große Resonanz. Leute, die sich für technische Details im Theater interessierten, besuchten ja auch die Vorstellungen.

Dieses Jahr macht Ihr die Technik-Führung im Schauspielhaus auf der Spielstätte “Baustelle”….

Ja, am Sonnabend, 9. November, 17:00 Uhr unter dem Titel “Die Räder im Getriebe”! Beginn ist in der “Baustelle”, aber es geht natürlich wieder durch das ganze Schauspielhaus und auch beim Aufbau für “Melnais piens” (“Schwarze Milch”) schauen wir rein.

In diesem Jahr wird nicht in der Peterskirche gespielt…

Aber wir waren immer gern dort, weil sich das Pfarramt sehr offen auf unsere Ideen einließ, und wir Tribünen und Bühnen immer anders aufbauen durften! Dieses Jahr steht das Schauspielhaus wieder zur Verfügung, da sind wir natürlich auch gern. Und die Theater-Techniker sind auch schon neugierig!

Wann beginnt ein euro-scene Leipzig-Festival für Sie?

Es ist doch das ganze Jahr über euro-scene! Und eine Woche davon spielen wir! Es gibt jetzt schon Pläne für die Gastspiele 2015…

Was bereitete dieses Jahr das größte Kopfzerbrechen?

Wir haben ja Zeit, uns darauf vorzubereiten. Zur Festivaleröffnung tanzen drei Compagnies aus Frankreich und Finnland “Le sacre du printemps” mit Musik von Igor Strawinsky. Die drei Truppen kennen sich noch nicht, treffen am Vortag erstmals aufeinander. Jeder einzelne Scheinwerfer ist aber schon längst geplant. Das ist natürlich eine große Herausforderung, die Umbauten in dieser kurzen Zeit zu schaffen. Aus welchem Holz die Bretter sind…
Im Schauspielhaus-Foyer findet wieder der Wettbewerb um das “Beste Tanzsolo” statt. Der große, runde, 7-Meter-Durchmesser-Tisch dürfte da das kleinste Problem sein…

Aha? Früher wurde der Tisch mal im Schauspielhaus gelagert, später in einem Lager in Taucha. Aber er hatte gelitten! Da wurden ja mal Steine zertanzt, Hiebe gesetzt und Kratzer gemacht. So brauchte das Holz eine Auffrischung.

Aus welchem Holz ist er denn? (Komisch, die Frage fällt mir erst nach 23 Jahren ein…)

Es ist weißes Birkenholz und der rote Ton kommt von asiatischem Meranti als Rohsperrholz. Außer den Segmenten der Tischplatte gab es noch eine neue Aufgabe. Die Betriebssicherheit für die Besucher erfordert zu den Abendvorstellungen ein leeres Foyer. Wir können also den Tisch und die Bestuhlung erst aufbauen, wenn die Besucher den Raum verlassen haben. Dann bleiben uns 20 Minuten Zeit. Wir haben die Unterkonstruktion des Tisches verändert und werden das mit den Bühnentechnikern trainieren.

Wie sind Sie zur euro-scene Leipzig gekommen?

Ich war Techniker des Poetischen Theaters im Ernst-Beyer-Haus – so war ich von Anfang an irgendwie dabei. Das erste konkrete Stück an welches ich mich erinnere, war eine aufregende polnische Produktion, fern ab von traditioneller Bühne mit Zuschauerraum. Die Besucher wurden einzeln nach Nummern aufgerufen und durch die Kellergänge getrieben und in Käfigen auf der Bühne zusammengesperrt… Kurz darauf war ich dann schon Techniker für die Festspielleitung.

Wie erfahren Sie, was da auf Sie zukommt?

Oft war ich auf Reisen, habe die sehr komplizierten Stücke angesehen, die Festivaldirektorin Ann-Elisabeth Wolff vorher für das Festival ausgewählt hatte. Da kam es dann schon einmal vor, dass ich in Frankreich ein polnisches Stück mit französischer Übertitelung anschauen konnte. Zum Glück gab es anschließend Gespräche in englisch und so konnte ich mich mit den Technikern verständigen. Natürlich gibt es von allen Stücken Technik-Rider, viele davon sind auch sehr professionell angefertigt. Heute gibt es dazu von fast allen Produktionen DVD-Mitschnitte und Bilder, mit denen ich die Produktionen in unsere Leipziger Spielstätten umsetzen kann. Meine Reisen entfallen dadurch. Das spart dem Festival natürlich auch Geld.

Vor Jahren habe ich mal nach technischen Schwierigkeiten gefragt, da wurden die vielen unterschiedlichen Kabelverbindungen und Stecker genannt. Europäische Normen, unterschiedliche Stecker…

Das Problem gibt es eigentlich immer noch! Aber in unserem Technik-Rider, den wir für die Gruppen zur Vorbereitung auf unsere Spielstätten zusammenstellen, sind die genormten Stecker auch abgebildet! Aber wir haben, wie man so sagt, bisher alle geknotet gekriegt…!

Passte schon mal eine Produktion “technisch” nicht?
Das merkt man ja zeitig genug. Eine Portalbreite von 16 Metern, wie sie z. B. französische Gruppen gewöhnt sind, haben wir in Leipzig nicht. Wir sehen eine Produktion und suchen dann in Leipzig den passenden Raum. Oder wir schaffen ihn uns. Die zehn Tonnen schwere Auto-Scooter-Anlage für “Bernadetje” passte 1997 in eine Halle auf dem agra-Gelände. Im Neuen Rathaus haben wir den Turm und die Kasematten einbezogen. Von der Deportation der Juden haben wir auf dem Bahngelände in Engelsdorf erzählt. In einem baufälligen Eisenbahn-Schuppen haben wir noch eine sichere Ecke gefunden, um die Technik zu verstecken. An der Strecke selbst standen rund 50 Lampen mit Öl. Es sollte ja nicht nach moderner Beleuchtung aussehen!

Größte anzunehmende Risiken und Gefahren kann man sich ja immer ausdenken, und es dann trotzdem riskieren. Gab es Alarmzeichen, die man ernst nehmen musste?

Kaum zu glauben, aber es passierte: In der Peterskirche hatten unscheinbar aussehende Bassverstärker genau die Resonanzfrequenz des Kirchenbaus! Es rieselte bei der Probe Putz aus der Decke! Wir haben die Probe abgebrochen, die Aufführung verschoben. Am nächsten Abend wurde das Gastspiel nach einem Nachtumbau an anderem Ort gezeigt.

Das muss man auch erst mal schaffen! Aufenthalt unter schwebenden Lasten ist in Theaterhäusern normal…

Im Bühnenbereich sowieso. Wir hatten in der Schaubühne eine Decken-Konstruktion, die während der Vorstellung abwärts gefahren wurde. Was da gerechnet, geplant und aufgebaut wurde, hatte die Bauaufsicht aber abgenommen.

Da war übrigens noch eine andere Aufgabe zu lösen, es spielte ein Schafherde mit! Und bei den Gastspielen derselben Produktion in Halle/Saale und in Dresden waren es jeweils andere Schafe…! Den ganz normalen Festivalalltag kann man in unserem Kinofilm “Hinter den Kulissen – 20 Jahre euro-scene Leipzig” nachempfinden, den ich zusammen mit Tilman König zum 20. Jubiläum des Festivals produziert habe. www.euro-scene.de/v2/de/allgemeines/film

Kann der Technik-Chef auch in die Produktionen eingreifen?

Er kann Vorschläge machen, wenn sich aufgrund der Spielstätte Ideen ergeben. Ich bin sehr froh, wenn ich das manchmal machen darf, und wenn es gelingt. In der Arena Leipzig war die Spielstätte sozusagen im Innenraum und von schwarzen Stoffbahnen abgegrenzt. Eine dieser Wände muss sowieso fallen. Ich hatte die Idee, dann auch alle anderen Stoffbahnen mittels Pyrotechnik zu entfernen. Kolossale Wirkung! Aus dem abgeteilten Spielraum wurde die riesige, aber leere Arena!

In der Technik hat sich ja offensichtlich einiges verändert…

Ende der 1980er Jahre gab es für Scheinwerfer Farbfilter aus Glas, zum Beispiel Wasserblau 1, 2 und 3. Danach kamen Filterfolien in großem Sortiment, Scheinwerfer-Generationen wechselten sich ab. Seit gut fünf Jahren haben sich Scheinwerfer mit LED durchgesetzt, mit denen man beliebige Farbstimmungen erzeugen kann. Und sie verbrauchen viel weniger Strom. Es tut einem manchmal auch um die Geräte leid. Ich habe noch ein spezielles Modell, einen geschliffenen Parabolspiegel mit einer Niedervoltlampe, die einen weißen Lichtkegel abstrahlt, den ich bisher nirgendwo anders wiedergefunden habe. Diese Glühlampen haben eine Lebensdauer von nur 90 Stunden, angeblich sollen sie in Rumänien noch hergestellt werden. Bekannte Techniker haben aus einem vergleichbaren, aber ausgedienten Scheinwerfer einen Holzkohlegrill gebaut. Es tut schon weh das zu sehen…

Gibt’s denn auch neue Probleme, die man früher nicht kannte?

Oh ja! Es war früher zum Beispiel keine Frage, ein Glas mit in den Zuschauerraum mitnehmen zu wollen. Die Sache ist einfach: wo ein Glas steht, kann auch eins umfallen. Wir müssen alle unsere Helfer an den Saaltüren und die Praktikanten der euro-scene Leipzig darauf schulen!

Und dann gibt es leider auch Zuschauer, die ein Handygespräch innerhalb der Vorstellung annehmen, telefonierend den Saal verlassen und dann wieder reinkommen, als hätten sie nicht mal eben 100, 200 oder 300 andere Zuschauer gestört. Die Erwartungshaltung hat sich schon verändert. “Entertain me”, komm, mach – ich habe bezahlt. Irgendwie bleibt der Genuss, das Wunder “Theater” da auf der Strecke.

Toi, toi, toi und vielen Dank für dieses Theatergeflüster! Über die Transporte und ihre Logistik reden wir dann 2014!

Bei der nächsten euro-scene Leipzig wieder im Zuschauerraum:
Karsten Pietsch

Zeitraffer Videos vom Aufbau 2012 gibt es hier:
http://vimeo.com/berndgengelbach/videos

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