Leipzig ist eine Kabarett-Stadt. Nirgendwo in deutschen Landen findet sich eine so große Dichte an Spielstätten, die Kleinkunst anbieten. Zu den vielen Häusern gesellt sich einmal im Jahr das Europäische Humor- und Satirefestival Leipzig. Die sogenannte Lachmesse geht in diesem Jahr vom 16. bis 26. Oktober in die 24. Runde. Mit rund 25.000 Zuschauern pro Jahr und einer Auslastung von rund 80 Prozent gehört es zu den größten internationalen Kabarett und Kleinkunstfestivals in Deutschland.

Jedes Jahr versammelt sich das Who’s Who der Kleinkunstszene in der Messestadt, um an den vielen Spielstätten die neuesten Programme zu präsentieren. Auch ein Preis wird verliehen.

Josef Hader, Georg Schramm, Olaf Schubert, Jochen Malmsheimer und natürlich auch Tom Pauls sind Namen, die in der Szene und darüber hinaus bekannt sind. Alle waren, einige sind auch dieses Jahr wieder im Programm. Wir haben mit Arnulf Eichhorn, Mitbegründer und Chef der Lachmesse über Organisation, Schwerpunkt und Stellenwert des Festivals gesprochen.

Wie ist die Lachmesse organisiert?

Die Lachmesse definiert sich seit 1990 über einen Verein. In dem Verein sind ungefähr 15 Mitglieder aktiv. Darunter sind die Chefs der Leipziger Kabaretthäuser, einige Kabarettisten und andere Akteure aus der Szene. Dabei handelt es sich um ein Arbeitsgremium, mit dem grundsätzliche Angelegenheiten des Festivals beraten und entschieden werden. Konkret wird das Programm der elf Tage währenden Lachmesse mit den jeweiligen Häusern besprochen.

Werden nur ausgewählte Gäste eingeladen oder fragen auch Künstler an, die auf der Messe spielen wollen?

Wir verfolgen natürlich die Szene und schauen, welche Künstler als neue und interessante Erscheinungen auf sich aufmerksam machen. Die Kulturbörse in Freiburg ist so ein Ort, an dem sich viele neue Leute vorstellen. Dazu kommt natürlich das eigene Wissen und die Empfehlungen von anderen Akteuren. Auch die Agenturen geben ihre Empfehlungen ab. Die Bundesliga der Kabarettisten, die seit Jahren treue Gäste des Festivals sind, sagen: Ich habe ein neues Programm und das spiele ich auf der Lachmesse. Dieses Festival ist vor allem eine Leistungsschau und kein Experimentierfeld. Aus diesem Grund wollen wir natürlich die Top-Riege der Szene dabeihaben, so sie mit neuen Programmen antreten. Zusätzlich geht es auch darum, einige Neuentdeckungen der Szene zu präsentieren. Davon haben wir auch in diesem Jahr einige dabei.

Welchen Schwerpunkt hat die Lachmesse?

Der Schwerpunkt des Festivals liegt auf dem politischen Kabarett. Dazu kommten aber auch Anteile von bunter Kleinkunst-“Folklore” und Comedy. Die politische Satire prägt aber das Gesicht des Festivals und macht seinen Inhalt aus. Es muss aber auch dafür gesorgt werden, dass es noch Ensemble-Kabarett zu sehen gibt, da diese Form des Kabaretts nicht mehr wird, sondern zusehends verschwindet. Nach 25 Jahren muss zusätzlich immer noch eine Parität zwischen Ost und West geschaffen werden. Es ist tragisch, dass dem immer noch so ist. Auf den westdeutschen Festivals ist das ostdeutsche Kabarett immer noch ein Feigenblatt.

Die Lachmesse vergibt jedes Jahr den Kabarettpreis “Löwenzahn”. Wer entscheidet da nach welchen Kriterien?

Der Lachmessenpreis wird in diesem Jahr an Tobias Mann vergeben, den er für das Programm des letzten Jahres bekommen hat. Mit diesem Programm eröffnet er in diesem Jahr das Festival. Für die Entscheidung der Preisvergabe sind drei Kräfte zuständig. Das sind einmal die Mitglieder des Vereins, dann die Kulturjournalisten und die Leserjury der Leipziger Tageszeitung, die mit sieben Vertretern einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellen soll. Diese drei Kräfte formieren sich und geben ihre Vorschläge ab. Dann wird am Ende mal lange oder kurz diskutiert, bis ein Sieger feststeht.

Ein entscheidendes Kriterium ist, dass an dem Tag der Veranstaltung die Bude wackelt. Es wird nicht aus rein fachlicher Perspektive beurteilt. Natürlich muss es gut sein. Aber auf dem Festival ist einfach viel zu viel gut. Deshalb ist vielleicht die eine oder andere Entscheidung objektiv ein wenig ungerecht.

Manchmal geht man mit großen Erwartungshaltungen in ein Programm und der Abend läuft völlig schief – vielleicht, weil zu wenig Zuschauer da sind und der Künstler mit einem sehr guten Programm die Leute nicht erreicht. In einem anderen Haus würde das Programm dann eventuell einschlagen. Es handelt sich also um subjektive Entscheidungskriterien und damit bleibt es am Ende doch ungerecht.

Wie kam es zu dem Namen “Löwenzahn”?

Ich habe damals vor 25 Jahren im Zuge der Überlegungen, wie wir die Messe nennen wollen, den Namen des Preises vorgeschlagen. Der Löwe ist im Wappen der Stadt und es gab die berühmte Löwenzucht. Der Zahn steht natürlich auch für Biss. Zu Anfang zierte den Preis auch ein echter Löwenzahn. Damals hatten viele Pfleger Löwenzähne, von Löwen, die verstorben sind, oder Zähne die ausgefallen waren, und so hatten wir eine Zeit lang einen echten Löwenzahn. Durch das Verbot des Handels mit Tierteilen haben wir dann Ersatz geschaffen. Heute wird der Zahn eines Wildtieres durch eine Dentistin geschliffen, so dass es so aussieht wie ein Löwenzahn.

Die Presse bezeichnet die Lachmesse als Deutschlands größtes internationales Kabarett- und Kleinkunstfestival. Würden Sie diese Aussage bestätigen?

Wenn man die Erbsen zählt, dann hat man damit eventuell recht. Der einzige Konkurrent, der eigentlich gar keiner ist, weil wir zusammenarbeiten, ist das Köln Comedy Festival. Die Anzahl der Veranstaltungen ist ähnlich. Unsere 115 Veranstaltungen sind eigentlich zu viel und logistisch schwierig zu stemmen. Aus diesem Grund wird das Festival im nächsten Jahr zum 25. Jubiläum nur noch an acht Tagen statt an 10 Tagen stattfinden. Das Niveau wir dadurch jedoch nicht sinken.

Wie beurteilen Sie den Stellenwert der Messe im deutschsprachigen Raum?

Die Bewertung außerhalb ist erstaunlicher als in der eigenen Stadt. In Leipzig ist die Messe nach so vielen Jahren natürlich eine gewisse Selbstverständlichkeit geworden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Besucher, Künstler oder Journalisten, die nicht aus Leipzig kommen, viel beeindruckter sind als ein Leipziger, der seit Jahren das Festival als treuer Besucher begleitet. Die Stadt wird sowieso mit Kleinkunst überfrachtet. Nicht nur die fünf bis sechs Häuser, die täglich, sondern auch die, die regelmäßig Kabarett anbieten. Der auswärtige Ruf ist deshalb noch besser als er in Leipzig schon ist. Die Besucher sind fassungslos, dass man in so einer kleinen Großstadt wie Leipzig 1.000 Kabarettkarten am Tag kaufen kann. So ein Festival kann man nur in Leipzig machen. In Berlin oder Hamburg würde sich dieses Format im Stadtwust verlaufen.

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