Seit Montag muss sich Tobias L. (22) vor dem Amtsgericht verantworten. Der Wurzner soll am 13. April 2013 ein Auto angezündet haben. Außerdem legt ihm die Staatsanwaltschaft die Brandstiftung an einer Gartenlaube, den Einbruch in eine Imbissbude, die Beschädigung einer Signalanlage und der Diebstahl eines Mountainbikes zur Last. Zu Prozessauftakt erhalten die Beteiligten tiefgreifende Einblicke in eine Familie, in der ein wenig Ärger mit der Polizei zum Alltag dazugehört.

Seit Juli 2013 sitzt Tobias L. in Regis-Breitingen ein. Zeit zum Nachdenken hatte der Angeklagte genug. Ergebnis: Er könne gar nicht der Täter sein. Der Einbruch in die Imbissbude an einem Bennewitzer Baumarkt geschah zwischen dem 27. und 29. April. “Ab dem 10. April bin ich in Leipzig gewesen”, beteuert der Beschuldigte. “Das können vier Leute bezeugen.”

Im gleichen Monat brannte im Wurzner Kleingartenverein “Prießnitz” die Gartenlaube nieder, die von der geschiedenen Gattin von Tobias L.’s Onkel René gepachtet war. Welch Zufall, dass just jener René (51) den Garten bewirtschaftete, aber – so erzählt es der Angeklagte – mit dem Rest der Familie zerstritten sein soll.

René L. ist sich deshalb ganz sicher. Tobias hat das Feuer gelegt. Begründung: “Er ist der einzige, der in Wurzen rumläuft und Brände legt.” Während die Worte den Mund verlassen, bebt die Stimme. Der Groll auf den Neffen ist unüberhörbar. Ohne Beweise in der Hand bezichtigte der Mann seinen jungen Verwandten, Diebstähle zu begehen und Drogen zu konsumieren. Richterin Gabriele Schulz muss den Ein-Euro-Jobber mehrmals zur Sachlichkeit ermahnen.

Der Angeklagte entgegnet, er habe in der strittigen Nacht mit Freunden gefeiert. Tatsächlich kam es an seiner Wohnung wegen Ruhestörung zu einem Polizeieinsatz. Später traf Polizist Bernd J. (60) Tobias allerdings zusammen mit Cousine Mareike L. an der Gartenanlage an. “Ich hab bei Tobias keinen Brandgeruch und keine Rußspuren bemerkt”, schildert der Beamte.
Der Heranwachsende ist auch der Brandstiftung an einem Auto angeklagt. Die Mittelklasse-Limousine stand im Wurzner Parkhaus in der Franz-Mehring-Straße, als er in Flammen aufging. Sachschaden: Insgesamt über 66.000 Euro. Ein Brandermittler legt dar, dass der oder die Täter den Wagen im Bereich der Vorderräder angezündet haben.

Tobias betont, er habe das Feuer nicht gelegt. Vielmehr sei er an diesem Tag aus Leipzig heimgekommen. Er habe sich von einem Kumpel am Bahnhof, nahe des Parkhauses, absetzen lassen, das Feuer gesehen und eine Anwohnerin gebeten, die Feuerwehr zu alarmieren. In unmittelbarer Nähe habe seine Tante Bettina S., Renés Ex-Frau, mit Tochter Mareike und einem Freund auf einer Bank gesessen und alkoholische Getränke konsumiert. Die Stimmung sei feuchtfröhlich gewesen.

Bettina sagte wiederum bei der Staatsanwaltschaft aus, Tobias habe die Brände im Parkhaus und der Gartenkolonie gelegt. Bei der Brandstiftung im Parkhaus sei sie zugegen gewesen. Außerdem bezichtigte sie ihren Neffen des Diebstahls des Mountainbikes, der Zerstörung der Signalanlage und dem Einbruch in besagte Imbissbude.

Woher sie dieses Wissen nimmt, verrät die Frau dem Gericht nicht. Zumindest nicht am Montag. Nicht nur sie bleibt dem Prozess unentschuldigt fern. Gleich drei Zeugen dürfen zum nächsten Termin mit kostenpflichtiger Polizeieskorte erscheinen. Außerdem müssen die Herrschaften jeweils wahlweise 50 Euro zahlen oder sich für zwei Tage in ein berüchtigtes Hotel in der Leinestraße einquartieren lassen. Mit Vollpension.

Pikant: Bettina S. ist – wie die gesamte Familie – einschlägig polizeibekannt. Der Wurznerin sollen, so sagt es eine ortskundige Polizistin aus, neben Diebstählen auch Brandstiftungen zur Last gelegt worden sein. Dazu passt der leise durchklingende Vorwurf, Tante Bettina habe einmal geäußert, gerne ein Auto anzünden zu wollen.

Der Prozess wird fortgesetzt.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar