Für die Arbeit an neuartigen, umweltschonenden Pflanzenschutzmitteln stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einem Forschungsteam der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) mehr als 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Auf der Basis kleiner RNA-Moleküle sollen Schädlinge gezielt bekämpft werden.

Dass die Technik grundsätzlich funktioniert, konnten die MLU-Forschenden bereits für Pflanzenviren zeigen. Mit der neuen Förderung soll das Verfahren nun auf Schadinsekten und Pilze erweitert und seine Marktfähigkeit überprüft werden. Im Erfolgsfall ist auch eine Firmengründung geplant.

Im Rahmen des Projekts „RNA PROTECT, RNA-basierte Wirkstoffe für den Einsatz im Pflanzenschutz“ entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der MLU mit einem patentierten Verfahren neuartige und hochspezifische Wirkstoffe gegen verschiedene Pflanzenschädlinge. Die Wirkstoffe bestehen aus Ribonukleinsäuren, RNA-Molekülen. Diese sollen einen wichtigen Mechanismus des Immunsystems in Pflanzen, Insekten oder Pilzen anregen, das sogenannte „RNA silencing“. Vereinfacht gesagt dient dieser Prozess dazu, die Aktivität bestimmter Gene abzuschalten, wie sie nur in den jeweiligen Schädlingen vorkommen.

„Im Fall von Pflanzenviren kann sich das pflanzliche Immunsystem damit gegen den Befall und die Vermehrung der Pathogene wehren“, sagt Biochemiker Prof. Dr. Sven-Erik Behrens von der MLU. Bereits 2019 präsentierte sein Team eine Pflanzenimpfung nach einem ähnlichen Prinzip. Bei Schadinsekten und Pilzen soll dagegen deren eigenes Immunsystem quasi gegen sie selbst gerichtet werden.

Mit der neuen Förderung sollen nun Anwendungen gegen Schadinsekten und Pilze sowie neue Produktions- und Applikationsverfahren für RNAs in und an Pflanzen erprobt und etabliert werden. Dafür arbeiten die Forschenden um Behrens mit dem Pharmazeuten Prof. Dr. Karsten Mäder von der MLU zusammen. Er ist Experte dafür, Wirkstoffe mit Hilfe sogenannter Trägersysteme so zu verpacken, dass sie im Organismus genau an den gewünschten Wirkort gelangen und erst dort freigesetzt werden.

„Unser Ansatz hat viele Vorteile: Wir erreichen eine hohe Spezifizität, die Wirkstoffe lassen sich schnell entwickeln und an neue Pathogene anpassen. Außerdem wird RNA als Biomolekül in natürlichen Prozessen abgebaut, entsprechend ist die Umweltbelastung gering“, sagt Behrens. Die meisten auf dem Markt verfügbaren Insektizide wirken gegen alle Insekten und sind oft gesundheitsschädlich.

Auch die Produktion von RNA-Molekülen auf industriellem Maßstab ist Behrens zufolge in den vergangenen Jahren immer günstiger geworden und könne preislich mit der Produktion klassischer Pflanzenschutzmittel mithalten. 

Sollte der Ansatz gelingen, könnte am Ende der Förderphase eine Firma gegründet werden. Bereits jetzt steht das Team der MLU mit vielen Unternehmen in Kontakt, um die weitere Entwicklung der Wirkstoffe möglichst praxisnah und marktkonform voranzutreiben.

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