Es ist ein Pilotprojekt, das die Leipziger Stadtplaner zusammen mit den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) gewagt haben: Bürgerbeteiligung im Vorfeld eines großen Straßenbauprojekts, dem Neubau von Peterssteinweg und südlicher Karl-Liebknecht-Straße 2013. Wenn's denn klappt. Der Zeitplan ist ehrgeizig.

Denn wenn 2013 die Bauarbeiten beginnen sollen, muss der Bau möglichst noch im Frühjahr 2012 im Stadtrat beschlossen werden. Es geht ja nicht nur darum, die städtischen Gelder für die 1,3 Kilometer lange Baumaßnahme im Haushalt 2013 zur Verfügung zu stellen, auch die möglichen Fördergeldgeber Bund und Land müssen überzeugt werden. “Und ein solches Planverfahren dauert in der Regel ein Jahr”, sagt Ronald Juhrs, technischer Geschäftsführer der LVB.

Und bevor die Stadtratsgremien sich ihre Meinung bilden, sollen und dürfen noch einmal die Bürger ran. In mehreren Foren und Workshops haben Stadtplaner und LVB 2011 ihre Lösung für das spannende Stück Straßenraum schon vorgestellt und öffentlich zur Diskussion gestellt. Unübersehbar: Auch das vorgestellte Projekt ist schon ein Kompromiss, der das Notwendige mit dem Gewünschten versucht zu verschmelzen.

Notwendig ist die komplette Erneuerung der Gleise. Auf einem Teilstück fahren die Straßenbahnen schon seit Jahren in slow motion, weil der Gleisuntergrund nach über 30 Jahren marode ist. “Wer aber die Gleise anpackt, der muss die ganze Straße anpacken”, sagt Juhrs. Denn Straße, Bürgersteige und Leitungen im Untergrund sind alle um die 100 Jahre alt. Dazu kommen mehrere Konflikte zwischen den Verkehrsarten, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben. Aus illegalem Parken wurde – durch ein paar aufgemalte Streifen – ein genehmigtes Dauerparken in Straßenabschnitten, wo sich Straßenbahn, motorisierter Verkehr und Radfahrer begegnen. Teile er Bürgersteige sind völlig zerfahren, mehrere Bäume mussten schon aus Sicherheitsgründen gefällt werden.
Eine ursprüngliche Idee, die Straßenbahn im kompletten Straßenabschnitt zu separieren, hat sich schon in den Workshop von Stadtplanern und LVB zerschlagen. Auch das etwas Neues: das Akzeptieren, dass unterschiedliche Straßenräume unterschiedliche Lösungen brauchen.

Dabei bekam die Komplettseparierung der Straßenbahngleise zwischen Paul-Gruner- und Shakespearestraße durchaus positive Resonanz in den Bürgerforen. Nur werden die Gleise nicht begrünt, wie ursprünglich geplant. Um die Querung der Karl-Liebknecht-Straße für Fußgänger zwischen den geplanten Ampelanlagen zu ermöglichen, soll der separate Gleiskörper befestigt werden. Offen ist noch die Frage: Wird der Gleiskörper um die notwendigen 8 Zentimeter erhöht? Eine der Mindestanforderungen, die der Bund stellt, wenn er solche Beschleunigungsprojekte des ÖPNV mit 60 Prozent der notwendigen Mittel fördert.

Eine Frage, die die Planer nicht nur mit dem Geldgeber Bund klären müssen. Auch die Bürger selbst müssen darüber mitentscheiden. Denn alle Kosten, die nicht über Fördermittel abgedeckt werden können, müssen im städtischen Haushalt abgesichert werden. Deswegen werden auf dem nächsten Bürgerforum zum Bauprojekt KARLI im wesentlichen drei Varianten zur Diskussion gestellt. Im Zentrum natürlich der überarbeitete Entwurf der Planer, in den dann einige der Vorschläge, die in den Bürgerforen geäußert wurden, eingearbeitet werden. Wie eben das befestigte Gleisbett vorm Volkshaus.
Derzeit sind die Planer der Stadt auch noch dabei zu prüfen, ob im Peterssteinweg nahe der Härtelstraße nicht doch wieder Stellplätze für Pkw eingeplant werden können. Das Anliegen wurde von dort ansässigen Händlern geäußert. Die derzeitigen Planungen sahen dort keine Stellplätze mehr vor, um Platz für den separaten Radstreifen zu finden. “Wir untersuchen jetzt, ob wir es schaffen, die Gleise um den Drehpunkt Haltestelle Münzplatz zu schwenken und damit den nötigen Platz für Stellplätze zu gewinnen”, sagt Stadtplaner Torben Heinemann. Die Aktion hätte Folgen auch für die andere Seite des Drehpunktes, die Einmündung der Emilienstraße und die geplanten Bäume und Stellflächen vor den Ladengeschäften zwischen Emilien- und Riemannstraße.

Keinen Abstand nehmen die Planer von den vorgesehenen Parkbuchten zwischen Riemann- und Hohe Straße. Immerhin für Vereine wie Ökolöwe und ADFC ein Hauptkritikfeld, denn in Folge der Neusortierung werden die bislang sehr breiten Bürgersteige fast halbiert.

Deswegen wird am 1. März auch eine Variante vorgestellt, in der statt der geplanten einseitigen Separierung der Straßenbahn eine schlichte Abmarkierung der Gleise vorgesehen ist. Raumgewinn: 50 Zentimeter. Offen auch die Frage, wie sich der Verzicht auf eine Separierung der Gleise hier auf die Fördermittel auswirken wird.

Dass selbst die Interessen der Händler und Gewerbetreibenden hier zuweilen konträr laufen, war eine durchaus interessante Erfahrung für Stadtplaner Torben Heinemann. “Die einen wollen Stellplätze vor ihrem Laden, die anderen lieber Platz für einen Freisitz oder ihre Auslagen, andere brauchen nur eine Anlieferzone.” Dabei gibt es – so Ronald Juhrs – sogar Ladengeschäfte, die lieber die Straßenbahnhaltestelle vorm Geschäft behalten wollen. Die rückt bekanntlich rund 80 Meter südwärts und wird sich künftig zwischen Hohe Straße und Paul-Gruner-Straße befinden.

Verzichten mag auch die Stadt nicht auf Stellplätze – mit dem Hinweis auf die chaotische Situation, die entstünde, wenn die üblichen Verdächtigen dann, weil Stellplätze direkt vor den Geschäften fehlen, wieder auf dem Radstreifen halten und parken. Was aber festzustehen scheint, ist, dass die Stellplätze in diesem Straßenabschnitt sämtlich Kurzzeitparkplätze werden, damit tatsächlich Kundenverkehr möglich wird und nicht Dauerparker die Plätze blockieren.

Die Planer von Stadt und LVB wollen am 1. März nur die groben Varianten noch einmal zur Diskussion stellen. Mit ihren wesentlichen finanziellen Folgen. Denn gerade der Verzicht auf bestimmte Bauvarianten zur Beschleunigung der Straßenbahn führt dazu, dass Fördergelder des Bundes nicht zur Verfügung stehen. Beschleunigung heißt, so Ulf Middelberg, kaufmännischer Geschäftsführer der LVB, eben auch Verlässlichkeit und Fahrplantreue für die Straßenbahn, die auf den Linien 10 und 11 auf diesem Abschnitt täglich 30.000 Fahrgäste befördert. In der Praxis also auch eine geregelte Vorfahrt im fließenden Verkehr.

Jetzt wird die Bahn oft noch ausgebremst, wenn Linksabbieger oder Parkplatzsuchende ihr ins Gehege kommen. Ampelschaltungen sollen künftig außerhalb der separierten Gleise dafür sorgen, dass die Straßenbahn freie Fahrt hat. Das ist auch unter einem anderen Aspekt der Leipziger Verkehrspolitik wichtig. “Sie dürfen nicht vergessen, dass die LVB künftig 25 Prozent der Verkehrswege in Leipzig übernehmen sollen”, sagt Planungsbürgermeister Martin zur Nedden. Heute sind es etwas über 18 Prozent.

Der Umbau der KARLI ist dabei auch ein Versuch, die Straßenbahn attraktiver zu machen. Einmal durch die neue Haltestelle am künftigen “Münzplatz”, was die Abstände zwischen den Haltestellen verringert und das Gebiet um die Härtelstraße besser erschließt. Zum anderen auch durch eine flüssigere Fahrt vom Südplatz zur City-Haltestelle Wilhelm-Leuschner-Platz. Immerhin ein Schritt, der mit der schrittweisen Umsetzung des Projekts “Autoarme Innenstadt” zusammenhängt. Derzeit wird ja gerade der Knoten Rossplatz umgebaut, über den künftig die Zufahrt zum Südosten der City und zur Tiefgarage Karstadt geregelt wird. Die Westseite der Schillerstraße wird zum Fußgängerboulevard – der Kfz-Verkehr an der Petersstraße wird deutlich zurückgehen. Dafür wird – wenn der Straßenbahnverkehr in der KARLI besser flutscht, die Anreise mit der Tram bzw. mit den Rad interessanter. Denn die Radfahrer bekommen auf jeden Fall zwei durchgehende separierte Radstreifen. Übrigens bis zur Petersstraße.

Stadt und LVB jedenfalls sind bislang zufrieden mit der regen Mitwirkung der interessierten Bürger. Rund 600 nahmen an den bisherigen Foren und Arbeitsgruppen teil.

Das nächste Bürgerforum findet am 1. März um 19 Uhr im Neuen Rathaus statt.

www.lvb.de/karli

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