51 Standorte, 56 Fanszenen. Über 100 Vertreter der deutschen Fußball-Fanprojekte treffen sich von Dienstag bis Donnerstag in Leipzig, um ins Gespräch zu kommen: Miteinander, übereinander und mit Vertretern von Verbänden und Behörden. Schon zu Beginn der Auftaktveranstaltung im Neuen Rathaus wurde deutlich, dass die Sozialarbeiter ihre Funktion anders begreifen als ihre Geldgeber.

Fanprojekte widmen sich denjenigen Fans, die im Umfeld der Stadien für Probleme sorgen. Täglich haben sie mit Hooligans und Ultras zu tun. Sie nehmen die Probleme ihrer Zielgruppe ernst, bieten engagierten jungen Menschen Freiräume und begleiten Fans zu Heim- und Auswärtsspielen. Ihre Mitarbeiter sind Vermittler, Sprachrohr und gelegentlich auch Anwalt der Fans im Konflikt mit Vereinen, Verbänden und der Sicherheitsbehörden.

“Alles was Sie im präventiven Bereich leisten, macht uns in der Repression ein Stück weit arbeitslos. Dafür sind wir Ihnen dankbar”, sagte Sachsens Landespolizeipräsident Rainer Kann in seinem Grußwort. Prävention. “Das ist das eigentliche Ziel der Fanarbeit”, so Kann.

Widerspruch erfuhr der 58-Jährige durch den Freiburger Fanforscher Albert Scherr. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der Soziologe wissenschaftlich mit Fußballfans. “Wir müssen von den Problemen ausgehen, die Jugendliche haben. Nicht von denen, die sie machen”, forderte der Experte in seinem Einführungsvortrag. Fansozialarbeit solle jungen Menschen helfen, ihre Probleme zu bewältigen. “Prävention ist bestenfalls ein Nebeneffekt sozialpädagogischen Handelns, keinesfalls eine Zielperspektive”, so Scherr. Die Anwesenden spendeten diesem Statement spontanen Beifall.
“Fanarbeit ist Teil der sozialpädagogischen Arbeit der Stadt Leipzig”, berichtete Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD). Darüber hinaus engagiere sich das Leipziger Fanprojekt, das seit 2011 besteht, gegen Diskriminierung und Unterwanderungsversuche von Neonazis im Fußball.

“Ein seriöser, sachlicher Umgang mit Konfliktthemenfeldern ist unabdingbar”, stellte Benjamin Kandler von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) klar. Der Referent für Fanangelegenheiten bezog sich offensichtlich auf die polemisierenden Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nach der umstrittenen Stürmung der Schalker Fankurve durch eine Einsatzhundertschaft. Wendt hatte unter anderem geäußert, wer ein Stadion besuche, begebe sich in Lebensgefahr.

In den folgenden beiden Tagen möchten sich die Fanprojekt-Vertreter in Workshops mit Themen wie Antidiskriminierungsarbeit, Suchtproblematiken in Fanszenen, geschlechterspezifische Arbeit, aber auch ihren Arbeitsbedingungen und der Öffentlichkeitsarbeit befassen.

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