Die Meldung hat es in sich. Und sie ist so deutlich, dass sich das Statistische Landesamt Sachsen diesmal sogar zurückgehalten hat, irgendeine Wertung in der Überschrift unterzubringen. Ganz lakonisch meldete es am 27. März: "Die sächsische Wirtschaft im Jahre 2012". Es war ein Jahr mit Holperkurs. Das miserable Krisenmanagement der "Troika" hat in halb Europa die Wirtschaft ins Straucheln gebracht. 2012 war zwar für die deutsche Wirtschaft noch ein "Wachstumsjahr". Aber für die sächsische nicht.

Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Sachsen verminderte sich 2012 nach dem gegenwärtigen Berechnungsstand geringfügig um 0,3 Prozent, nachdem im Vorjahr noch ein Wirtschaftswachstum von über 2 Prozent erzielt wurde, teilen die Kamenzer Statistiker mit. Beim Bundesergebnis war real eine 0,7-prozentige Zunahme zu verzeichnen. Das preisbereinigte Ergebnis in Sachsen wurde maßgeblich durch Rückgänge im Produzierenden Gewerbe, vor allem im Baugewerbe (-4,9 Prozent) und im Verarbeitenden Gewerbe (- 3,0 Prozent), bestimmt.

Die Zuwächse der Bruttowertschöpfung in den Dienstleistungsbereichen konnten diese rückläufigen Entwicklungen nicht auffangen. Den höchsten realen Anstieg verbuchte hier der Wirtschaftsbereich Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister mit einem Plus von 2,1 Prozent.

Das BIP – die Summe der in Sachsen neu geschaffenen Waren und Dienstleistungen – betrug im Jahr 2012 96,6 Milliarden Euro und nahm in jeweiligen Preisen gegenüber 2011 um 1,3 Prozent zu. Aber steigende Preise bedeuten eben noch kein wirklich gestiegenes BIP. Über zwei Drittel der Bruttowertschöpfung kamen aus dem Dienstleistungssektor.

Das erwirtschaftete BIP je Erwerbstätigen betrug 2012 im Freistaat Sachsen 48.946 Euro und entsprach 77 Prozent des Bundeswertes. Wo der Freistaat nun seit über zehn Jahren stagniert. Was auch an der Struktur der Wirtschaft liegt, die im Freistaat zunehmend dominiert. Denn es ist der Dienstleistungssektor, der vor allem auch mit dem Argument der niedrigen Löhne massiv ausgebaut wurde. Hier aber ist die Produktivität deutlich geringer als im Produzierenden Gewerbe. Das heißt: Wenn Industrie und Bau schwächeln, gibt es keinen Puffer, der das ausgleichen kann.
Das Ergebnis: Sachsen gehörte 2012 zu den drei Bundesländern, die am Ende tatsächlich ein – an der realen Inflation gemessen – schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt von – 0,3 Prozent aufwies. Die anderen beiden waren Thüringen (- 0,3) und das Saarland (- 0,4). Alle anderen Bundesländer hatten trotz aller Krisenausläufer noch ein Plus in der Bilanz. Selbst der ostdeutsche Durchschnitt lag durch die Zuwächse in Berlin (+ 1,2 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (+1,9 Prozent) im positiven Bereich.

Der Vergleich über die ganze Zeitspanne bis 2005 zeigt, dass die ostdeutschen Bundesländer wieder Boden verlieren gegenüber den westdeutschen Lokomotiven Bayern und Baden-Württemberg. Freilich hat Berlin eine Wirtschaftsdynamik entwickelt, die es zu einem der wichtigsten Hot Spots unter den deutschen Metropolregionen gemacht haben. Trotz aller Häme, die die deutschen Medien über die Bundeshauptstadt ausgießen.

Sachsen hat seit 2005 sein BIP um 7,46 Prozent steigern können. Das liegt mehr als 3 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt (+ 10,94 Prozent). Damit liegt Sachsen selbst unterm ostdeutschen Durchschnitt ohne Berlin (+ 7,65 Prozent). Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben dabei die ostdeutsche Dynamik bestärkt.

Die starke Fokussierung auf den Dienstleistungsbereich ist dabei natürlich nur ein Problem der sächsischen Strukturschwäche. Gerade die starken Rückgänge im Baubereich (preisbereinigt – 4,9 Prozent) beeinflussen das sächsische Ergebnis zusätzlich negativ. Um welche Dimension es dabei geht, kann jeder selbst ausrechnen: Die 1,2 Prozent Rückgang (noch nicht preisbereinigt), bedeuten 72 Millionen Euro. Das ist wesentlich weniger, als die sächsischen Kommunen 2012 dringend für Schul-, Kita-, Straßen- und Brückenbau gebraucht hätten. Und was ihnen schlicht fehlte, weil die Gelder als Förderung nicht flossen. Am Jahresende, als es dann nicht mehr in Bauprojekte fließen konnte, da machte Sachsens Finanzminister dann den Sack auf – denn er hatte ja wieder einen Überschuss im Haushalt, den er so ganz und gar nicht erwartet hatte. Das wird aber erst 2013 im Umsatz zum Tragen kommen.

Was für die Bauwirtschaft 2012 fehlende Umsätze bedeutete und für die Kommunen einen weiterhin zähen Abbau des Investitionsstaus.

Die sächsische Sparpolitik ist sichtlich ein Teil der gedrosselten Wirtschaftsentwicklung. Und da das Geld nicht sofort wieder zurückfließt in die Wirtschaftskreisläufe, bedeutet das auch: Es ist weniger Geld im Umlauf, um wieder neue Investitionen auszulösen. Nur Geld, das auch fließt, kurbelt Wirtschaftsprozesse an.

Und so lag – bezogen auf die Bevölkerung – die sächsische Wirtschaftsleistung 2012 nur bei 23.400 Euro je Einwohner, was den Freistaat zwar weiterhin an der Spitze der Neuen Bundesländer hält – aber bezogen auf den Bundesdurchschnitt nur bei 72 Prozent.

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