Wie schnell es geht, dass städtisches Eigentum den Besitzer wechselt, haben die Leipziger 2012 gesehen, als die Stadtwerke-Töchter HL komm und Perdata verkauft wurden, um den Stadtkonzern LVV endlich wieder handlungsfähig zu machen. Doch gleich gab's die nächsten düsteren Botschaften: die Prozesse um die Heininger-Deals bei den Wasserwerken, deutliche Stellungnahmen der Landesdirektion zu den Haushalten 2012 und 2013. Muss da noch mehr verkauft werden?

Jedenfalls befürchten das die Initiatoren der Initiative Bürgerbegehren Privatisierungsbremse. Aufgeschreckt waren sie 2012 durch den Hinweis der Landesdirektion, den Verkauf des Wassergutes Canitz zu prüfen. Das ist der Landwirtschaftsbetrieb, mit dem die Wasserwerke Leipzig den Grund und Boden oberhalb des Trinkwasserreservoirs ökologisch beackern, aus dem das Leipziger Trinkwasser kommt.

Und die Hebel für die wachsamen Landesbehörden werden nicht kürzer, im Gegenteil. Noch steht gar nicht fest, ob das Haushaltsjahr 2013 mit einer schwarzen Null abgeschlossen wird. Den Haushalt 2014 hat der Stadtrat im Dezember mit einem möglichen Defizit von 15 Millionen Euro beschlossen.

Dass die roten Zahlen direkt aus der Kürzungspolitik der Landesregierung stammen, ändert nichts am Problem. Manch einer vermutet ja sogar, dass die Kürzungen auf Landesebene genau diesen Zweck verfolgen: die Kommunen dazu zu zwingen, ihre Unternehmen zu verkaufen.

Auf der nächsten Ratsversammlung am 22. Januar soll nun über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens “Privatisierungsbremse” entschieden werden. Die Vorlage des OBM bzw. der Verwaltungsstandpunkt schlagen dessen Ablehnung vor.Das APRIL-Netzwerk und die Initiative Bürgerbegehren “Privatisierungsbremse” halten diese Auffassung für falsch.

“Wir haben gute Gründe, von der juristischen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auszugehen”, erklären dazu Wolfgang Franke, Mike Nagler als Sprecher der Initiative, die im Frühjahr 2013 genug Unterschriften gesammelt hat, um einen Bürgerentscheid in die Wege zu leiten. “Um den Stadträtinnen und Stadträten eine allseitige Information zu ermöglichen, haben wir unser Argumentepapier an alle Mitglieder der Ratsversammlung verteilt.”

Bestandteil der Ratsvorlage ist ein Bekenntnis des Stadtrats zum Anliegen des Bürgerbegehrens. Demnach würde sich der Stadtrat grundsätzlich “zum Erhalt des städtischen, dem Gemeinwohl und der öffentlichen Daseinsvorsorge dienenden Eigentums” verpflichten. Veräußerungen sollen nur erfolgen, “wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegenstehen sowie alle Alternativen abgewogen worden sind.”

“Nach dem Buchstaben dieser Formulierung könnte man den Eindruck gewinnen, dass damit eine grundsätzliche Übereinstimmung mit den Forderungen des Bürgerbegehrens gegeben wäre. Wir würden das gern als politischen Erfolg verbuchen”, meinen Nagler und Franke. “Leider sprechen die Erfahrungen der letzten Jahre eine andere Sprache. In unserer Wahrnehmung müssen wir in diesem Passus ein weiteres Lippenbekenntnis vermuten, das nicht viel wert ist, wenn neue Privatisierungspläne vermeintlich einfache Lösungen suggerieren sollten.”

Wenn in der genannten Vorlage die Rede davon sei, dass man sich der Rechtsauffassung des Sächsischen Innenministeriums schon deswegen anschließen müsse, weil es eben die übergeordnete Behörde sei, sei das “rechtstaatlich äußerst fragwürdig”, stellen sie fest.

“Die Stadträtinnen und Stadträte sollten nach ihrer eigenen, freien Urteilskraft entscheiden. Dazu möchten wir sie in die Lage versetzen: Sich allseitig zu informieren, sich selbst ein Urteil zu bilden und danach frei abzustimmen”, so die beiden Sprecher der Initiative.

Das Ziel der Leipziger Bürgerinitiative ist es, zukünftig Privatisierungen städtischen Eigentums erheblich zu erschweren. Ist der Bürgerentscheid erfolgreich, dürfte der Stadtrat in Zukunft Privatisierungen nur noch mit einer Zweidrittel-Mehrheit beschließen. Bereits 2008 hatten die Leipzigerinnen und Leipziger in einem Bürgerentscheid die von CDU, SPD und FDP geplante Privatisierung der kommunalen Stadtwerke verhindert. Damals sprachen sich bei einer hohen Wahlbeteiligung knapp 90 Prozent für den Erhalt aus. Der Stadtrat selbst hatte zuvor mit einfacher Mehrheit den Verkauf der SWL-Anteile gebilligt.

Informationen zu Initiative und Argumentepapier: http://privatisierungsbremse.wordpress.com/kalender/

Die Argumentation der Initiative Bürgerbegehren Privatisierungsbremse als PDF zum download.

Der Brief an die Stadträte als PDF zum download.

Die Vorlage der Stadtverwaltung als PDF zum download.

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