Die gestiegenen Preise mache auch den Leipziger Wohnungsgenossenschaften zu schaffen – insbesondere die gestiegenen Baupreise und die Energiepreise. Sie drohen auch die gemeinwohlorientierte Arbeit der Genossenschaften zu gefährden und bezahlbares Wohnen für Menschen mit kleinem Geldbeutel immer schwerer zu machen. Das machten die Leipziger Wohnungsgenossenschaften in einer Pressekonferenz am Mittwoch, 15. Mai, deutlich.
Die Mietsteigerungsrate seit 2018 bei den Leipziger Wohnungsgenossenschaften beträgt im Schnitt 2,5 Prozent pro Jahr. Bis 2021 war die Inflationsrate in Deutschland im Durchschnitt etwa gleich groß. Dadurch stagnierten die Mieteinnahmen der Genossenschaften (und die Kaltmietbelastung ihrer Mitglieder und Mieter) trotz stetig steigender Kosten. Seit 2021 explodieren jedoch die Kosten der Genossenschaften und entkoppeln sich dramatisch von der Mietentwicklung. So stieg die allgemeine Teuerung von 2021 auf 2022 um etwa sechs Prozent; von 2022 auf 2023 sogar um neun Prozent.
Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle, zählen die Wohnungsgenossenschaften auf: Bezugnehmend auf die Baukosten mussten zum Beispiel für die Wiederherrichtung einer 65 Quadratmeter großen Musterwohnung zum Zwecke der Neuvermietung im Jahr 2019 noch circa 10.000 Euro aufgewendet werden, während es im Jahr 2024 teilweise bereits über 21.000 Euro sind – eine Steigerung auf 210 Prozent. Die Neuvertragsmieten stiegen im selben Zeitraum jedoch nur um elf Prozent. Eine ähnliche Kostenentwicklung zeigt sich bei Instandhaltung, Sanierung und Neubau.
Die steigenden Nebenkosten
Ein wesentlicher Kostentreiber sei auch die Stadt Leipzig selbst geworden, so die Genossenschaften. Während die Genossenschaftsmieten von 2018 bis 2023 um 13,9 Prozent stiegen, verlangte die Stadt Leipzig für Müllentsorgung im gleichen Zeitraum 19,6 Prozent mehr. Die Gebühr für die Niederschlagswasserentsorgung stieg um 22,2 Prozent und Wasser- / Abwassergebühren erhöhten sich zusätzlich um 17,7 Prozent. Auch bei Neubau- und Sanierungsprojekten erhebe die Stadt Leipzig hohe Gebühren. So wurden für ein genossenschaftliches Sanierungsvorhaben mit 130 Wohnungen allein 100.000 Euro an Gebühren erhoben.
Und dann die Energiekosten: Zusätzlich werden die Genossenschaften und ihre Mitglieder durch die Kosten für Heizung und Warmwasser unter enormen Druck gesetzt. Diese stiegen von 2018 bis 2023 ebenso überproportional zur Mietentwicklung um 17,5 Prozent. Diese Entwicklung beschleunigt sich derzeit immer stärker. So werden die Heiz- und Warmwasserkosten allein im Zeitraum eines Jahres – von 2023 auf 2024 – um 45 Prozent steigen, warnen die Genossenschaften. Eine Familie, welche mit zwei Kindern in einer 90 Quadratmeter großen Wohnung lebt, müsse somit einen Anstieg der Nebenkosten von 2.387 Euro auf 3.243 Euro innerhalb nur eines Jahres bewältigen. Dies führe zu einer monatlichen Mehrbelastung von 71,33 Euro beziehungsweise 0,79 Euro pro Quadratmeter.
Diese Nebenkosten seien nicht nur für die Mieter eine enorme Zusatzbelastung.
Aus Sicht des Vermieters Wohnungsgenossenschaft bedeute das: „Selbst die für Bestandserhaltung und -entwicklung erforderlichen Mietanpassungsmöglichkeiten können nicht mehr realisiert werden. Sie sind für die Mitglieder / Mieter vor dem Hintergrund der hohen Nebenkosten nicht mehr leistbar. Dadurch begrenzt der Anstieg der Nebenkosten neben der allgemeinen Preissteigerung die finanziellen Spielräume der Wohnungsgenossenschaften, die maßgeblich auf eine solide wirtschaftliche Grundlage angewiesen sind, um ihre gemeinwohlorientierten Ziele zu verfolgen.“
Bleibt der Klimaschutz auf der Strecke?
Diese Entwicklungen setzen den investiven Möglichkeiten der Leipziger Wohnungsgenossenschaften immer härtere Grenzen, formulieren diese das Problem. Infolgedessen werde es immer schwieriger, den Ausstattungsstandard von Wohnungen bei Neuvermietung aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sei auch der Wohnungsneubau nicht mehr in erforderlichem Umfang realisierbar, da die Kosten für Neubauprojekte so hoch seien, dass eine wirtschaftliche Umsetzung bei gleichzeitiger Einhaltung sozial verträglicher Mietkonditionen nicht möglich sei.
Dies führt zu einem Dilemma für Wohnungsgenossenschaften, die sich an ihren gemeinwohlorientierten Prinzipien orientieren. Insgesamt werde sich so die Situation bezüglich der Verfügbarkeit von bezahlbarem Wohnraum im unteren Preissegment weiter verschärfen.
Völlig illusorisch scheint aus Sicht de Wohnungsgenossenschaften unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Erfüllung der ambitionierten Klimaziele von Bund und Stadt für den genossenschaftlichen Gebäudebestand.
Stadtrat und Stadtverwaltung forderten zu Recht bezahlbaren Wohnraum sowie Klimaschutz im Gebäudesektor. Jedoch klaffe aktuell eine deutliche Lücke zwischen diesem Anspruch und dem kommunalen Handeln bei Ratsbeschlüssen, Verwaltungsarbeit und in kommunalen Eigenbetrieben.
Was tun?
Bundespolitische Herausforderungen und volkswirtschaftliche Fragen können nicht in Leipzig gelöst werden, stellen die Wohnungsgenossenschaften fest. Leipzig besitze jedoch genügend eigene Hebel, um durch Kostenreduzierung bezahlbares Wohnen zu unterstützen.
Die Vorschläge der Genossenschaften:
• die Reduzierung kommunaler Gebühren und Abgaben
• die Verkürzung der Dauer von Genehmigungen und Verwaltungsprozessen
• die Abfederung der Kosten für die Wärmewende durch die Stadtwerke Leipzig
Um die sich abzeichnenden sozialen Konflikte beim Thema Wohnen zu bewältigen, müsse Wohnen in allen sogenannten Zielkonflikten priorisiert werden, betonen die Leipziger Wohnungsgenossenschaften. Stadtrat und Stadtverwaltung müssten dabei beachten, dass Wohnen unter anderem ein Wirtschaftsgut sei und alle Entscheidungen auf sämtliche Kosten des Wohnens zu prüfen seien.
Völlig kostenneutral lasse sich ein notwendiger kultureller Wandel zu einer Atmosphäre der Ermöglichung gestalten, die Leipzig bereits einmal ausgezeichnet habe.
Die Zukunft
Die Leipziger Wohnungsgenossenschaften wollen auch in Zukunft ihren sozialen Auftrag erfüllen. Die durchschnittliche Kaltmiete aller Leipziger Genossenschaften lag im Jahr 2022 bei 5,54 Euro und damit mehr als einen Euro unter dem Leipziger Gesamtdurchschnitt von 6,60 Euro. Bis zum Jahr 2023 stieg die durchschnittliche Kaltmiete der Genossenschaften auf 5,68 Euro. Die Gesamtdaten für Leipzig liegen gegenwärtig (Mitte Mai 2024) noch nicht vor, dürften jedoch deutlich stärker angestiegen sein.
Mit 48.000 Wohnungen und einem Marktanteil von 14 Prozent sind die Leipziger Wohnungsgenossenschaften nicht nur der größte Vermieter der Stadt, sondern auch eine wirksame Mietpreisbremse. Die niedrigen Mieten der Genossenschaften fließen in den Mietspiegel der Stadt ein und dämpfen entsprechend die ortsüblichen Vergleichsmieten.
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