Die Gesichter waren ernst an diesem Morgen im Leipziger „Penta“-Hotel, wo die mitteldeutschen Verbände der sozial orientierten Wohnungswirtschaft zur Pressekonferenz geladen hatten. Bei der Gelegenheit forderten sie eine stärkere politische Unterstützung zur Sicherung des bezahlbaren Wohnraums. Und ihre Spitzenvertreter erklärten auch, warum die wohnungspolitischen Konzepte der letzten Regierungen die dramatische Lage in Mitteldeutschland einfach ignoriert haben. Eine Lage, die sich weiter zuspitzen wird, wenn die drei mitteldeutschen Länder in den nächsten Jahren massiv an Bevölkerung verlieren.
„Die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften aus Mitteldeutschland sind ein Garant für soziale Stabilität in den Nachbarschaften und Quartieren unserer Städte und Gemeinden. In den rund 1,1 Millionen Wohnungen finden fast 2 Millionen Menschen ein sicheres und bezahlbares Zuhause. Durch die bereits heute absehbaren enormen Veränderungen in der nächsten Dekade stehen unsere Mitgliedsunternehmen jedoch vor Herausforderungen, die sie an die wirtschaftliche Belastungsgrenze und in Teilen auch darüber hinausbringen werden.
Es braucht einen engen Schulterschluss zwischen Gesellschaft, Politik und Wohnungswirtschaft, um die Transformationsprozesse in unseren Ländern auch zukunftsoptimistisch anzugehen. – Hier und heute, nicht erst in fünf oder zehn Jahren“, sagte Dr. Matthias Kuplich, Verbandsdirektor des VdWg Verband der Wohnungsgenossenschaften Sachsen-Anhalt.
Eine ganz zentrale Forderung ist die Abschaffung bzw. Entrümpelung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Aber nicht in dem Sinn, wie noch im letzten Jahr heftig gegen die Erdwärmepumpen argumentiert wurde, sondern im Sinne einer deutlichen Vereinfachung gerade in den Bauvorschriften.
Denn es sind auch die obligatorischen Vorgaben zur Wärmedämmung, die das Bauen heute so verteuert haben, dass Wohnungsgesellschaften im Grunde nicht mehr zu sozialverträglichen Mieten sanieren oder neu bauen können. Schon jetzt ist Bauen mit 4.000 Euro / Quadratmeter so teuer, dass eine Miete von 18 bis 20 Euro je Quadratmeter verlangt werden müsste, um die Baukosten zu finanzieren.
Der Mietdurchschnitt bei den mitteldeutschen Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften liegt aber bei 5,63 – und damit sogar zwei Euro unter den Werten der jüngsten Zensuserhebung. Was eben auch daran liegt, dass die Verbandsmitglieder nicht auf Profit ausgerichtet sind, sondern sehr wohl im Blick haben, dass ihre Mieter und Genossenschaftler in der Regel mit niedrigen Renten und Einkommen über die Runden kommen müssen.
Zu viele Auflagen verteuern das Bauen
Verbandsdirektor Alexander Müller vom vdw Sachsen erklärte: „Der Gebäudesektor stellt eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität dar – eine Herausforderung, die bezahlbar und sozial gerecht gestaltet werden muss.“
Das heißt: Es ist viel sinnvoller und preiswerter für die Wohnungsgesellschaften, wenn sie auf eine klimaneutrale Energieversorgung setzen und dabei mit den kommunalen Versorgern kooperieren, als die Häuse mit teurer Dämmung einzuwickeln.
So zeige denn auch ein neuer wissenschaftlich fundierter Ansatz, dass dies möglich ist: Durch den Praxispfad zur CO₂-Reduktion im Gebäudesektor anstelle starrer Effizienzstandards. Dieser Praxispfad verfolgt realistische Klimaziele bis 2045 und kombiniert soziale Gerechtigkeit mit wirksamer CO₂-Reduktion: erneuerbare Wärme statt teurer Dämmstandards, geringere staatliche Förderbedarfe und bezahlbare Mieten durch wirtschaftlich sinnvolle Sanierungen. Statt Bürokratie setzt er auf klare, planbare Regeln und stärkt den Erhalt bestehender Gebäude.
Das nächste Problem: Die Babyboomer gehen in Rente
Auch der generationengerechte Umbau dürfe nicht vernachlässigt werden. Allein in Dresden werden bis 2045 rund 27.400 barrierearme Seniorenwohnungen benötigt – ein Bedarf, der mit dem Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter weiter steigen wird. Barrierefreiheit dient nicht nur Älteren, sondern auch Familien. Die „graue Wohnungsnot“ droht nicht nur in Metropolen, sondern auch im ländlichen Raum.
„Ein generationengerechter Umbau bietet die Chance, Leerstand zu vermeiden, Menschen ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter zu ermöglichen und das Wohnangebot insgesamt attraktiver zu gestalten. Denn am Ende darf nicht vergessen werden: Der Hauptzweck einer Wohnung ist es, ein komfortables Zuhause zu bieten – ein Ort, an dem sich Menschen wohlfühlen“, sagt Verbandsdirektor Alexander Müller vom vdw Sachsen.
Bestandserhalt und Neubau müssen Hand in Hand gehen
Dabei dürften Bestandserhalt und Neubau nicht gegeneinander ausgespielt werden – sie müssten Hand in Hand gehen. „Wir brauchen nicht nur den Erhalt unserer Wohnungsbestände, sondern auch mutigen und bezahlbaren Neubau. Die Menschen in Mitteldeutschland dürfen nicht die Leidtragenden von Bürokratie, steigenden Baukosten und fehlender Förderung sein. Wir appellieren an die neue Bundesregierung: Geben Sie uns die Werkzeuge in die Hand, damit wir als Wohnungswirtschaft weiter Verantwortung übernehmen können – für sozialen Zusammenhalt, bezahlbaren Wohnraum und eine lebenswerte Zukunft“, fordert VSWG-Vorstand Mirjam Philipp.
Doch dafür brauche die mitteldeutsche Wohnungswirtschaft endlich die nötigen Rahmenbedingungen. Die aktuellen Baukosten und Zinsen erfordern zur Refinanzierung Mieten von 18 bis 20 Euro pro Quadratmeter. Das ist für viele Menschen schlicht nicht bezahlbar.
„Deshalb fordern wir eine konsequente Entlastung: Verschlanktes Baurecht, praxisnahe und bezahlbare Standards statt Überregulierung, schnellere Genehmigungsverfahren und vor allem: eine verlässliche, langfristige und maßgeschneiderte Förderung – nicht nur für Neubau, sondern auch für den Bestand“, sagt Mirjam Philipp während der Pressekonferenz.
„Außerdem braucht es endlich die Anerkennung, dass Bestandserhalt und Neubau keine Gegensätze sind. Beides ist unverzichtbar, um den sozialen Zusammenhalt, die Klimaziele und die Stärkung unserer Regionen unter einen Hut zu bringen. Wir sagen: Machen statt blockieren – ermöglichen statt erschweren. Die neue Bundesregierung hat es jetzt in der Hand, die richtigen Weichen zu stellen. Wir sind bereit – aber wir brauchen Verlässlichkeit.“
Finanzierung der Herausforderungen durch eine faire Lastenverteilung
Zwischen Mietern, Vermietern, der öffentlichen Hand und den Energieversorgern nehmen letztere eine immer entscheidendere Rolle ein, um das Wohnen bezahlbar zu halten.
„Nur durch eine faire Lastenverteilung und gemeinsame Kraftanstrengung aller werden sich die Herausforderungen meistern lassen. Die Vermieter werden sich um Effizienz bei der Sanierung und dem Betrieb ihrer Wohnungen bemühen, Mieter und Mieterinnen können über ihr Verbrauchsverhalten einen entscheidenden Einfluss nehmen und die öffentliche Hand kann mit ausreichend hohen Fördermitteln und möglichst wenig Regularien auf dem Wohnungsmarkt unterstützen.
Die Energieversorger müssen unbedingt bis zum Verbraucher denken und Kooperation mit Wohnungsunternehmen eingehen, um die optimalen Lösungen zu finden. Im Mittelpunkt sollte dabei immer Kosteneffizienz in Erzeugung und Dienstleistung stehen. Außerdem sollte meiner Meinung nach auch ein adjustiertes Geschäftsmodell diskutiert werden. Damit meine ich die Beteiligung der Großvermieter an den ersparten Kosten durch Kundenbetreuung- und Inkasso-Outsourcing“, sagt Frank Emrich, Verbandsdirektor des Verbandes Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V.
Leerstandsprobleme lösen, ländliche Räume stärken
Die Herausforderungen und Handlungsnotwendigkeiten für schrumpfende ländliche Räume in Ostdeutschland sind enorm. Die Absicherung einer leistungsfähigen Daseinsvorsorge bei sinkenden Bevölkerungszahlen und einem altersstrukturellen Wandel bedarf einer Neuausrichtung der gesamten Infrastruktur im ländlichen Raum. Viele Kommunen mit Haushaltssicherungskonzepten und hoher Verschuldung durch Kassenkredite sind zur Übernahme freiwilliger Aufgaben der Daseinsvorsorge kaum noch in der Lage und es bedarf daher einer deutlichen Verbesserung und Stärkung der kommunalen Finanzen.
Hintergrund ist: Mitteldeutschland wir bis 2045 massiv an Bevölkerung verlieren. Von 8,2 Millionen wird die Bevölkerung auf 7,3 Millionen sinken. Während nur ganz wenige Großstädte wie Leipzig, Dresden und Halle ihre Bevölkerung werden halten und sogar wachsen können, schrumpft die Bevölkerung in den ländlichen Regionen massiv. Und dort haben die Wohnungsgesellschaften und -genossenschaften aber einen Großteil ihrer Bestände. Sie müssen also ihre Bestände auch zurückbauen und anpassen.
Bis 2045 werden rechnerisch rund 500.000 Wohnungen weniger benötigt. Und dazu kommt das niedrige Einkommensniveau in allen drei Bundesländern. Was die finanziellen Handlungsspielräume der Wohnungsunternehmen drastisch beschneidet.

Und dabei muss dringend investiert werden: Die Bereitstellung einer nachhaltigen Städtebau- und Wohnungsbauförderung und Konzentration dieser Mittel auf den Bestand zur Finanzierung der notwendigen Investitionen in Energieeffizienz und Barrierereduzierung sei dringend geboten, betont das Forderungspapier.
„Dabei bedarf es einer spürbaren Erhöhung der Zuschussförderung“, betont Jens Zillmann, Verbandsdirektor des Verbandes der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt e.V. Die mitteldeutsche Wohnungswirtschaft steht bereit, Verantwortung zu übernehmen – für bezahlbaren Wohnraum, für soziale Stabilität und für eine nachhaltige Zukunft.“
Länder kürzen Förderung, Kommunen im Minus
Aber die Wohnungsverbände fordern auch dringend den Erhalt wichtiger Infrastrukturen in den ländlichen Regionen, zu denen nun einmal auch Klein- und Mittelstädte gehören. Denn mit jeder „eingesparten“ Infrastruktur wandern noch mehr Menschen ab. Es ist noch weniger Geld vor Ort. Und der Leerstand wächst weiter, der heute über alle Wohnungsverbände zwar „nur“ 8,7 Prozent beträgt.
Doch während in den Großstädten der Wohnraum knapp geworden ist, beträgt er z.B. in Dessau-Roßlau über 30 Prozent. Und statt die Fördersummen für den Wohnungsbau zu erhöhen, sind die Gesellschaften in Sachsen-Anhalt mit einem Stopp aller Förderungen konfrontiert. Und Sachsen hat gerade die Förderung für Rückbau einkassiert, was alle Gesellschaften in den ländlichen Regionen vor massive Probleme stellt, wenn es um die Kondsolidierung der Bestände geht.
Und dass die Wohnungsgesellschaften nicht allein da stehen mit einer völlig verrutschten Finanzlage, zeigte am Dienstag, dem 1. April, die aktuelle Meldung des Bundesamtes für Statistik. Denn die verfehlte Steuerpolitik hat dazu geführt, dass die Kommunen 2024 ein Rekorddefizit eingefahren haben und damit als mögliche Unterstützer für ihre Wohnungsunternehmen praktisch ausfallen.
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