In Leipzig, Grünau-Mitte, steht ein elfgeschossiger Wohnblock, mit 99 Balkonen und etwa 150 Wohnungen, seit über 10 Jahren leer. Dieser Block, der Mittelbau eines typischen Grünauer Ensembles von drei Blöcken, in der Breisgaustraße 67–73, wurde im Zuge der „Strategiebeschlüsse zum Stadtumbau in Grünau bis 2020“ stillgelegt. Nach einigen Quellen sollte er abgerissen werden.

Leipzig, als wachsende Stadt mit Wohnraummangel, und dieser Leerstand – wie passt das zusammen? Wir versuchen, das einzuordnen.

Anfrage an den Eigentümer

Der Eigentümer war leicht feststellbar, es ist die WOGETRA (Wohnungsgenossenschaft Transport eG), wir stellten also dem Vorstand zwei Fragen. Diese wurden vom Vorstandsvorsitzenden auch an sich schnell beantwortet.

Frage 1: Ist der Wohnblock noch im Bestand der WOGETRA?
Frage 2: Sind Maßnahmen zur Reaktivierung des Wohnraumes, wenn ja in welchem Zeitraum, geplant?

Die Antwort war kurz, knapp und wenig zufriedenstellend: „Die Breisgaustraße betreffend haben Sie bitte Verständnis, dass wir uns auf Grund der Unternehmensbelange nicht äußern.“

Da wir in der Einleitung zur Frage geschrieben hatten: „Soweit bekannt ist, sollte der Block damals, im Rahmen der ‚Strategiebeschlüsse zum Stadtumbau in Grünau bis 2020‘, stillgelegt und nach einigen Quellen abgerissen werden. Im Jahre 2023 hat sich die Situation grundlegend geändert, Leipzig ist eine wachsende Stadt, der Zuzug auch nach Grünau hält an und Wohnraum ist ein knappes Gut“, schrieb der zuständige Herr Luft uns: „Hinsichtlich der Entwicklung des Wohnungsmarktes können wir Ihre Einschätzung nicht teilen und führen dies auf die Kommunikationspolitik der Stadt Leipzig zurück.“

Auf die Rückfrage, wie die WOGETRA den Wohnungsmarkt, speziell in Grünau einschätzt, erhielten wir keine Antwort.

Also stellten wir Fragen an das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung (AWS), der Stadt Leipzig.

Antworten des AWS

1. Ist dem AWS dieser Leerstand bekannt?

Ja, dem AWS ist dieser Leerstand bekannt. In den jährlichen Eigentümergesprächen wurden und werden auch Leerstände thematisiert und Entwicklungsperspektiven diskutiert.

2. Sehen Sie, aus wohnungspolitischer Sicht, die Notwendigkeit der Reaktivierung dieser Immobilie?

In Leipzig besteht großer Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Eine Reaktivierung der Immobilie wäre auch aus Sicht der Stadtteilentwicklung und der wohnungspolitischen Ziele wünschenswert.

3. Steht oder stand das AWS, betreffs dieser Immobilie, mit der WOGETRA im Kontakt?

Es finden regelmäßige Jour Fixe mit den Genossenschaften und damit auch mit der Wogetra zum Austausch zu aktuellen Projektständen und Entwicklungszielen statt.

4. Auf unsere Anfrage teilte die WOGETRA mit, dass dort der, von der Stadt Leipzig „behauptete“, auch in Leipzig-Grünau bestehende Wohnraummangel nicht bestätigt werden kann. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Ein angespannter Wohnungsmarkt liegt laut Bürgerlichem Gesetzbuch (556d BGB) vor, „wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist.“ Dies muss die Landesregierung für betroffene Kommunen anhand festgelegter Indikatoren (z. B. Bevölkerungsentwicklung, Mietpreisentwicklung oder Leerstandsquote) feststellen.

Auf dieser Grundlage können Rechtsverordnungen für weitere Maßnahmen (z. B. Mietpreisbremse, soziale Wohnraumförderung) erlassen werden. Auch wenn der Freistaat Sachsen für Leipzig noch nicht alle wohnungspolitischen Instrumente beschlossen hat, sind die Indikatoren zur Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes in Leipzig erfüllt und somit z. B. im Zuge der Einführung der Mietpreisbremse nachgewiesen.

Die Daten zum angespannten Wohnungsmarkt beziehen sich auf die Gesamtstadt. Grünau hat einen besonderen Status, da der Druck auf dem Wohnungsmarkt, im Vergleich zu anderen, innerstädtischen Ortsteilen, noch geringer ist. Nichtsdestotrotz ist die Bevölkerung im Stadtbezirk West von 2021 bis 2022 um 1.827 Einwohner/-innen gewachsen. Dies erfolgte insbesondere aufgrund der Zuwanderung aus dem Ausland und vornehmlich von Geflüchteten aus der Ukraine.

Durch die Maßnahmen der Fachämter, aber auch der Stadterneuerung wird Grünau als Wohn- und Arbeitsstandort weiter aufgewertet. Der noch vorhandene Leerstand stellt daher auch ein großes Potential dar. Zudem bestehen hier für den Wohnungsbau noch Nachverdichtungspotenziale auf Rückbauflächen der 2000er-Jahre.

5. Da anzunehmen ist, dass der Leerstand aus wirtschaftlichen Gründen weiter besteht, fragen wir Sie: Welche Förderungen für eine Reaktivierung des Wohnraums sind, nach Ihrer Einschätzung, möglich?

Das Land Sachsen bietet zwei Förderprogramme zur sozialen Wohnraumförderung an (Förderrichtlinie gebundener Mietwohnraum; Richtlinie preisgünstiger Mietwohnraum). Eigentümerinnen und Eigentümer können einen finanziellen Zuschuss bzw. Darlehen für Wohnungsbaumaßnahmen erhalten, wenn sie mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen durch Neubau, Umbau oder Sanierung schaffen. Diese beiden Programme werden durch kommunale Förderprogramme ergänzt.

Mehr Informationen dazu auf der Website der Stadt.

Die Breisgaustraße 167–173 in Grünau. Foto: Thomas Köhler
Breisgaustraße 167–173 in Grünau. Foto: Thomas Köhler

Zusammengefasst ist aus dieser Antwort zu lesen, dass es einen angespannten Wohnungsmarkt gibt und der Druck in Grünau noch nicht so hoch ist, wie in den innerstädtischen Ortsteilen. Das AWS hält eine Reaktivierung für wünschenswert, also noch nicht „unbedingt notwendig“.

Fördermöglichkeiten gibt es, allerdings für mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen.

Leerstand bei der WOGETRA

Der Geschäftsbericht der WOGETRA für 2022 sagt dazu: „Zum 31. Dezember 2022 standen 392 Wohnungen leer. Somit ergibt sich eine Leerstandsquote von 5,5 Prozent. Darüber hinaus standen am Bilanzstichtag 150 Wohnungen in dem Stilllegungsobjekt Breisgaustraße 67 bis 73 leer.“

Über die Webseite der WOGETRA werden aktuell 12 Objekte im Stadtgebiet zur Vermietung angeboten, davon sind 11 Wohnungen und ein Kfz-Stellplatz. Selbst wenn man annimmt, dass eventuell hinter der Anzeige für eine Wohnung mehrere gleichartige stecken, so ist wahrscheinlich der größte Teil der leerstehenden Wohnungen noch sanierungsbedürftig.

Ebenfalls aus dem Geschäftsbericht gibt es interessante Zahlen zu Kündigungen und Vermietungen: „Im Geschäftsjahr 2022 wurden 641 Mietverträge abgeschlossen. Im gleichen Zeitraum wurden 548 Wohnungen gekündigt.“

In den meisten Fällen werden sanierte Wohnungen vermietet und die Wohnungsgenossenschaften haben, besonders in Grünau, oft einen hohen Bestand an „Altmietern“, also solchen, die manchmal schon 30 Jahre und länger dort wohnen. Stellt man die Neuvermietungen und Kündigungen unter diesen Voraussetzungen gegenüber, dann hat die WOGETRA jetzt schon hohe Sanierungskosten.

Es besteht, vom wirtschaftlichen Standpunkt der Genossenschaft gesehen, wahrscheinlich keine Dringlichkeit der Sanierung des leerstehenden Wohnblocks. Eher werden wohl die anderen leerstehenden Wohnungen saniert werden.

Was tun mit der Breisgaustraße 67–73?

Die Stadt Leipzig hält eine Reaktivierung der Immobilie für wünschenswert, das bedeutet nicht ausdrücklich „dringend erforderlich“.

Die WOGETRA, als Besitzer, hat noch kein wirtschaftliches Interesse an der Sanierung. Allerdings stellt der Geschäftsbericht fest: „Die Ertragslage wird durch den Wohnungsleerstand belastet. Die Leerstände führten zu einer Ertragsminderung in Höhe von insgesamt 1.379,5 T€ beziehungsweise 4,9 Prozent.“ Ob darin die Breisgaustraße 67–73 enthalten ist, sagt er nicht aus.

Am Ende bleibt die Frage offen.

Eine Anmerkung noch: In Grünau-Mitte hält sich das Gerücht, diese Immobilie wäre zur Unterbringung von geflüchteten Menschen vorgesehen. Wir haben beim zuständigen Amt nachgefragt.

Das Sozialamt teilt mit: „In der Immobilie Breisgaustraße 69–73 ist aktuell keine Unterbringung geflüchteter Menschen durch das Sozialamt geplant.

Im Allgemeinen läuft das Verfahren der Standortsuche wie folgt: Die Stadtverwaltung prüft fortlaufend verschiedene Standorte im gesamten Stadtgebiet. Dabei führen Standortprüfungen nicht immer auch zu einer positiven Standortentscheidung. Sobald aber eine positive Standortentscheidung in der Dienstberatung des Oberbürgermeisters getroffenen wurde, wird umfassend informiert. Diese Standorte werden als ‚Geplante Standorte‘ im monatlichen Sachstandsbericht ‚Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der Stadt Leipzig‘ und auf leipzig.de veröffentlicht.“

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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