Leipzig steckt tief drin in der Wohnungsklemme. Die Stadt wächst. Aber es werden viel zu wenige Wohnungen gebaut. Und das oft auch noch am eigentlichen Bedarf vorbei. Darauf weist die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). In diesem Fall insbesondere auf die „Graue Wohnungsnot“, die Leipzig droht: In zwanzig Jahren werden in Leipzig rund 132.800 Menschen zur Altersgruppe „67plus“ gehören – gut 20.800 mehr als heute.

Die IG BAU befürchtet durch die kommende Rentnergeneration der Babyboomer einen zunehmenden Mangel an altersgerechten Wohnungen. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf neueste Zahlen, die das Pestel-Institut bundesweit für Städte und Kreise ermittelt hat. Die Wissenschaftler haben die Bevölkerungsentwicklung im Rahmen einer Studie zur künftigen Wohnsituation von Senioren für den Bundesverband des Deutschen Baustofffachhandels (BDB) untersucht.

Es fehlen barrierearme Wohnungen

„In den kommenden Jahren werden in Leipzig immer mehr ältere Menschen eine barrierearme Wohnung brauchen – ohne Treppenstufen, dafür mit bodengleicher Dusche und genügend Platz für das Rangieren mit Rollator und Rollstuhl“, sagt Bernd Günther, der Bezirksvorsitzende der IG BAU Nord-West-Sachsen. Die Zahlen müssten den Wohnungsbaupolitikern schon jetzt Kopfzerbrechen bereiten: Nach Angaben des Pestel-Instituts benötigen bereits heute mehr als 18.700 Haushalte in Leipzig eine Seniorenwohnung, weil in ihnen Menschen im Rentenalter leben, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

In zwanzig Jahren werden in Leipzig nach Berechnungen der Wissenschaftler über 21.100 Wohnungen gebraucht, in denen Menschen mit einem Rollator oder Rollstuhl klarkommen. „Damit herrscht auch jetzt schon ein massiver Mangel an Seniorenwohnungen. Und demnächst gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Dann steuern wir sehenden Auges auf eine ‚graue Wohnungsnot‘ zu“, so Günther.

Neben dem Mangel an altersgerechten Wohnungen befürchtet die IG BAU auch eine zunehmende Altersarmut durchs Wohnen. So drohten bei der Boomer-Generation künftig zwei Dinge „fatal aufeinander zu treffen“: erstens die Gefahr eines sinkenden Rentenniveaus. Und zweitens steigende Kosten fürs Wohnen. Mieter seien hier genauso betroffen wie Menschen mit Wohneigentum, wenn beim Einfamilienhaus oder bei der Eigentumswohnung Sanierungen fällig würden.

Nächstes Problem: Wohnkosten

„Wenn die Wohnkosten weiter in dem Tempo der letzten Jahre steigen, werden viele Senioren, die damit heute längst noch nicht rechnen, ihren Konsum einschränken müssen. Ältere Menschen werden die hohen Mietpreise oft kaum noch bezahlen können. Für viele wird es dann finanziell richtig eng. Deshalb werden auch in Leipzig künftig deutlich mehr Menschen als heute auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben“, befürchtet Günther.

Um den Wohnungsmarkt für die kommende Rentnergeneration besser vorzubereiten, fordert die IG BAU deshalb die Schaffung von mehr preiswertem, vor allem aber auch altersgerechtem Wohnraum.

„Deshalb brauchen wir auch für den heimischen Wohnungsmarkt klare finanzielle Anreize“, betont Günther. „Angesichts der drohenden ‚grauen Wohnungsnot‘ ist deutlich mehr Geld für den Neubau von Seniorenwohnungen, aber auch für die altersgerechte Sanierung bestehender Wohnungen erforderlich.“ Hier seien alle gefordert – Kommunen, Land und Bund.

Das Bundesbauministerium stelle in diesem Jahr einen Fördertopf von 75 Millionen Euro über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für den altersgerechten Umbau von Wohnungen zur Verfügung. „Das Geld wird dringend gebraucht. Aber es reicht bei Weitem nicht. Das hat das letzte Jahr gezeigt. Da gab es exakt die gleiche Fördersumme. Und der Topf war ruckzuck ‚leergefördert‘: Schon nach sechs Wochen war kein einziger Förder-Euro mehr da. Da muss mehr passieren“, fordert der IG BAU-Bezirksvorsitzende.

Zusätzlich schlägt die IG BAU eine Selbstverpflichtung für große Wohnungskonzerne vor. Bernd Günther: „Mit Blick auf den eklatanten Mangel an Seniorenwohnungen sollten sich die Wohnungsunternehmen verpflichten, einen bestimmen Anteil frei werdender Wohnungen altersgerecht umzubauen.“ Dieser sollte bei mindestens 20 Prozent liegen.

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Wie hieß es doch scherzhaft bis 1989? Rentner MÜSSEN bei rot über die Kreuzung. Um das Wohnungsproblem zu lösen.

Sind wir wieder soweit?
Allerdings wird ein sozialverträgliches Frühableben gefördert durch immer niedrigere Renten bis sehr oft in die Armut hinein, welche Krankheiten und vorzeitigen Tod erheblich beschleunigen können, wie diverse Studien eindrucksvoll belegen. Also lieber Herr Lindner: bitte ganz schnell Mindestlohn streichen, Renten und Regelsätze senken, dann erledigt sic das Problem auf natürliche Weise. Die, die länger leben, können es sich halt leisten.
Welch schöne neoliberale Welt! Überall nur noch fleißige willige Leistungsträger, die kaum Seniorenwohnungen brauchen. Aber Moment mal! Die ganzen Pfleger, Seniorendienste, Fahrdienste, Wäschereien, Lieferdienste, Menüküchen, Mitarbeiter in Sozialämtern, Gesundheitsämtern, Wohngeldstellen, Jobcentern usw, die ganze Senioren- und Armutsindustrie hat jetzt keine Jobs mehr? Ach, die können ja auf Solarfeldmonteur umschulen, Solaranlagen an der Haustür verkaufen, Wärmepumpeninstallateur werden. Apotheken und Hausärzte werden aufatmen, sie können sich wieder mehr um die Gesundheit der Leistungsträger kümmern und verdienen sogar mehr dabei, bei weniger Arbeit. Mal ehrlich: die Pauschalen von den kranken Kassen sind ein Witz wenn man die Alten jede Woche in der Praxis hat. Und große und viele und Singlewohnungen gibts auch wieder ausreichend. Das ist doch mal echt prima.
Womit fangen wir an Herr Lindner? Bei den armen Kids, Grundsicherung brauchen die nicht, sollen beizeiten arbeiten oder eben verhungern mit ihren armen Eltern.
Und wenn einer trotz all dieser wundervollen Maßnahmen doch mal alt werden sollte, dann gibts doch so schöne Containerdörfer am Stadtrand, schön im Grünen.

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