Mit einer klaren Mehrheit hat die Ratsversammlung am Donnerstag, 15. Juni, dem neuen qualifizierten Mietspiegel 2022 zugestimmt. Ohne Enthaltungen hieß es am Ende 47 Mal „Ja“. Nur die Fraktionen von CDU und Freibeutern hatten zehn Nein-Stimmen entgegengesetzt. Der Mietspiegel reguliert die zulässige Höhe von Wohnungsmieten und tritt ab 24. Juni 2023 in Kraft.

„Ein qualifizierter Mietspiegel ist wichtiger denn je. Das sehen wir in der aktuellen Lage auf dem Wohnungsmarkt sehr deutlich. Wohnraum ist knapp und insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, wie Rentnerinnen und Rentner, Studierende oder Geflüchtete, finden nur schwer eine preisgünstige Wohnung“, leitete Sozialbürgermeisterin Martina Münch ihre Rede ein, mit der sie um eine breite Zustimmung warb.

Während die Netto-Kaltmiete in Sachsen seit 2015 im Schnitt nur um 6,2 Prozent gestiegen sei, kommt Leipzig im selben Zeitraum auf stolze 25 Prozent, machte Münch deutlich. „Mit einem qualifizierten Mietspiegel können Mieterinnen und Mieter die Mieterhöhungen leicht auf deren Richtigkeit überprüfen und sich gegen eine ungerechtfertigte Mieterhöhung oder gegen eine überhöhte Miete bei Mietbeginn wehren.“

Aber auch Vermietern werde durch das Papier eine gewisse Sicherheit an die Hand gegeben, da mit dessen Hilfe Mieten rechtssicher erhöht werden können und dabei transparent aufgezeigt werden kann, wie sich eine Mieterhöhung konkret zusammensetzt. Das habe den positiven Effekt, dass durch den Mietspiegel kaum einschlägige Verfahren vor Gericht landen.

Morlok (Freibeuter) sieht rechtliches Problem

Im Namen der Freibeuter-Fraktion hob Sven Morlok allerdings direkt den warnenden Zeigefinger. „Wir sind der Auffassung, dass das, was uns heute hier vorliegt, die Anforderungen eines qualifizierten Mietspiegels nicht erfüllt“. Als Problem sieht er die Erhebung der für den Mietspiegel verwendeten Daten an. Diese habe die Stadt Leipzig nämlich vorgenommen, bevor der Sächsische Landtag die entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen hatte.

Dass das nicht das Verschulden der Leipziger Stadtverwaltung ist, bestätigt auch Morlok. Der Bummelzug stand in diesem Falle klar im Landtag. Dennoch sieht er die Datenerhebung als nicht rechtskonform an und wartet zudem mit einem Negativszenario auf:

„Was passiert denn aber, wenn gegen diesen von uns in der Mehrheit als qualifiziert angesehenen Mietspiegel gerichtlich vorgegangen wird und der Antragsteller vor Gericht Recht bekommt? Dann haben wir mit der Feststellung keinen qualifizierten Mietspiegel mehr. Und dann erweisen wir den Mieterinnen und Mietern in Leipzig einen Bärendienst!“

Weber (Linke) widerspricht dieser Kritik

Das wiederum brachte Mathias Weber (Linke) auf die Palme. „Jedes Mal, wenn ein Mietspiegel beschlossen werden soll, heißt es, vor Gericht wird er keinen Bestand haben. Das gibt es aber nicht!“, schimpfte der Fraktionssprecher für Wohnen und Stadtentwicklung. „Es gibt keinen Fall, dass der qualifizierte Mietspiegel von Leipzig vor Gericht gescheitert ist beziehungsweise nicht anerkannt wird.“

Aus seiner Sicht ist der Mietspiegel „die goldene Mitte zwischen Vermieter und Mieter“. Und auch wenn die Linke eigentlich kein Freund des Mietspiegels ist, da durch ihn Mieterhöhungen legitimiert werden können, ist Weber dennoch erleichtert, dass dieser gerade noch rechtzeitig zur Abstimmung vorgelegt werden konnte. Denn: „Wäre der Stadtverwaltung Leipzig die Quadratur des Kreises nicht gelungen, dann könnten Vermieter ab dem 24.06. Bestandsmieten mit drei Vergleichswohnungen gerichtlich durchsetzen.“

Dass die Mieten dann deutlich rasanter steigen würden als sie es sowieso bereits tun, liegt auf der Hand. Daher mahnt er: „Wer hier im Rat mit einer Ablehnung des Mietspiegels kokettiert, läuft Gefahr, sehenden Auges die soziale Schieflage vieler Haushalte billigend in Kauf zu nehmen.“

Unterstützung bekommt Weber von der Grünen-Fraktion. Tobias Peter teilt die von der Linken vorgetragene Ambivalenz zum Mietspiegel, kündigte aber ebenfalls eine Zustimmung seiner Fraktion an. „Man muss noch mal in Erinnerung rufen, was passieren würde, wenn wir keinen Mietspiegel hätten. Mieterhöhungen, die weit über denen im Mietspiegel, liegen. Ich hoffe, dass es in diesem Haus Konsens ist, dass das nicht gewollt ist.“

Heymann (CDU) bezeichnet Abstimmung zum Mietspiegel als Offenbarungseid

Mit dieser Ansage reagierte Peter auf den Vortrag von Sabine Heymann (CDU). Denn während die Linke und die Grünen die Sicherheit für die Mieter in den Mittelpunkt stellten und sich die Freibeuter an rechtlichen Details abarbeiteten, präsentierte Heymann vor allem die Interessen der Vermieter.

Ihren Worten nach habe die Stadtverwaltung die Chance verschenkt, „ein kooperatives Verhältnis zwischen Mieterinnen und Mietern und den Vermieterinnen und Vermietern“ herzustellen. Die Abstimmung zum Mietspiegel bezeichnete sie gar als „Offenbarungseid, dass wir es nicht geschafft haben, einen Konsens herzustellen, der alle Seiten zu Partnern macht.“

Die Stadt sei also schuld – unter anderem, weil im Mietspiegel einige Baualtersklassen schlechter wegkommen als vorher und dadurch bei Mieterwechseln erforderliche Sanierungen erschwert würden. Und vor allem, weil zu dessen Erstellung neben der Befragung von Vermietern und Mietern auch die Lagekarte des Gutachterausschusses herangezogen wurde. Denn diese habe aus Sicht der Vermieter nichts mit dem Wohnwert im Rahmen der Mietspiegelerstellung zu tun.

„Allein das Ergebnis der Befragung sollte die Grundlage des Mietspiegels sein“, so Heymann.

Die Ratsversammlung votierte schließlich trotzdem mit großer Mehrheit für den qualifizierten Mietspiegel. Martina Münch kündigte an, dass auf dessen Grundlage im Internet ein Online-Mietrechner zur Verfügung stehen wird. „Hier kann jeder die ortsübliche Vergleichsmiete für seine eigene Wohnung schnell und unkompliziert herausfinden.“

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