Vielleicht war es doch keine so gute Idee von Linken und Grünen, als sie im Juni den Antrag einbrachten, Leipzigs Verwaltung möge einen Kulturbeirat einrichten. Die neue Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Die Linke) war gerade gewählt. Sie hatte nicht mal Zeit, einen eigenen Kulturentwicklungsplan auszuarbeiten. Ihr Vorgänger im Amt hatte schnell noch einen geschrieben, mit dem kaum jemand zufrieden ist. Auch die CDU-Fraktion nicht.

Trotzdem hat eine knappe Stadtratsmehrheit diesen noch von Michael Faber ausgearbeiteten Plan mit dem sperrigen Titel „Strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen der Eigenbetriebe Kultur der Stadt Leipzig für den Zeitraum 2016 bis 2020“ im September positiv abgestimmt. Ein Termin, an dem auch Skadi Jennicke schon zugestand, dass das Papier eigentlich überarbeitungswürdig sei. Was auch geschehen solle.

Und was dann die Frage aufwirft: Warum kam es überhaupt ins Verfahren? Und warum flog es nicht raus, als klar war, dass die Linke Michael Faber nicht wieder für den Posten des Kulturbürgermeisters nominieren würde?

Ging es wirklich nur darum, für die nächsten vier Jahre, bis zur nächsten Oberbürgermeisterwahl 2020, Ruhe in die Kulturdiskussion zu bringen, wie Andrea Niermann, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, vermutet? Es scheint fast so. Denn seit dem offiziell verkündeten Ende der Actori-Diskussion durch OBM Burkhard Jung wird nicht mehr wirklich über Leipzigs Kulturpolitik diskutiert. Auch nicht über Schließungen ganzer Sparten oder Häuser, wie seinerzeit teils von Grünen und FDP beantragt.

„Darum geht es uns auch nicht“, sagte Niermann am Montag, 10. Oktober. Da stellte die Leipziger CDU-Fraktion ihre Leitlinien für die eigene Kulturpolitik vor. Titel: „Leipzig braucht eine neue Kulturpolitik“.

Nicht komplett neu. An den Rahmenbedingungen für die Eigenbetriebe wolle man gar nichts ändern. Dazu seien Gewandhaus, Oper, Schauspiel zu wichtig für Leipzig.

Michael Weickert, für die CDU-Fraktion Mitglied im Fachausschuss Kultur und im Fraktionsvorstand, erinnerte daran, dass die Actori-Diskussion zu einem Zeitpunkt begann, als es gerade in Oper und Schauspiel ziemlich düster aussah. Die Auslastung der Häuser war unterirdisch, die Stadt hatte gerade eine heftige Intendantendiskussion, über die Michael Faber seinerzeit beinahe stürzte. Der OBM entzog ihm die Verantwortung für die Eigenbetriebe. Aber wirklich gelöst wurden die Probleme der Häuser erst, als die jeweiligen Intendanten ausgetauscht wurden.

Es diskutiert sich völlig anders, wenn Häuser in der Kritik des Publikums stehen, als wenn sie wieder Zuspruch erhalten.

Als OBM Burkhard Jung (SPD) die Diskussion um mögliche Einschnitte bei den großen Häusern beendete, galt die neue Devise: Synergien werden nur noch im Bestand gesucht. Die Häuser selbst tragen die Verantwortung für mögliche Einsparungen. Am Grundbestand wird nicht gerüttelt.

Womit auch die Drohkulisse von ausufernden Kosten vom Tisch war. Denn dass gerade in den Eigenbetrieben die Kosten deutlich steigen, hat ja mit der Tarifpolitik im öffentlichen Dienst zu tun. Wenn Stadtbedienstete mehr Geld bekommen, bekommen auch die Mitarbeiter der Eigenbetriebe mehr. Mit 95 Millionen Euro beanspruchen mittlerweile die vier Eigenbetriebe den Löwenanteil der Leipziger Kulturmittel in Höhe von 120 Millionen Euro.

Aber wo sind da noch Spielräume für eine andere Kulturpolitik?

Anträge sind das ja noch nicht, die die CDU-Fraktion am Montag vorstellte. „Die werden dann kommen, wenn wir uns mit konkreten Themen zur Kulturpolitik beschäftigen“, sagt Niermann.

Einige Ideen verfolgt die CDU-Fraktion weiter, die sie auch in der zurückliegenden Kulturdebatte formuliert hat. So die Gründung einer Stiftung als Träger für das Gewandhaus. „Das Orchester strahlt weit über Sachsen hinaus“, sagt Weickert. Sogar international. Da wäre es nur logisch, wenn der Freistaat Sachsen und der Bund mit einsteigen, um dieses renommierte Orchester zu tragen.

Die Idee, gerade in der Verwaltung der großen Häuser weiter nach Synergien zu suchen, vielleicht sogar eine einheitliche Verwaltung herzustellen, will Weickert auch nicht aufgeben. „Wer nicht frühzeitig an Strukturveränderungen denkt, der gerät irgendwann in eine Zwangslage, aus der er ohne große Einschnitte nicht herauskommt.“

Aber in der Kulturpolitik geht es ja nicht nur um die großen Bühnen. Es geht auch um Erinnerungskultur, die im Kulturentwicklungsplan fast völlig fehlt. Und zwar nicht nur, was die Breite der Musikstadt betrifft (Wagner brauche dringend eine bessere Förderung in Leipzig), sondern auch der jüngeren Geschichte. Stichworte: Schulmuseum und Museum in der Runden Ecke. Der Streit um diese Gedenkstätte ist ja noch frisch. Und einig sei man sich da auch mit SPD und Grünen, dass Leipzig dringend eine herausragende Gedenkstätte für die Friedliche Evolution brauche, sagt Niermann. Auch von der Idee eines Freiheits- und Einheitsdenkmals will die CDU sich noch nicht verabschieden.

Und wo bleibt das Sportmuseum? „Auch wenn unser Antrag diesbezüglich abgelehnt wurde, ist das Thema für uns noch längst nicht beendet“, sagt Weickert.

Längst rückten auch andere Kulturthemen in den Fokus, die der Plan ebenso wenig berücksichtige: Wie sollen künftig die Kulturfördergelder in die Stadtteile fließen? Funktionieren die bestehenden Kultureinrichtungen so wie beabsichtigt? Oder ist es an der Zeit, dass für einige Häuser die institutionelle Förderung beendet wird (das Conne Island wurde genannt), dafür einmal andere Vereine die Chance auf eine Förderung bekommen – in anderen Stadtteilen. „Wir müssen uns auch mit dem Kulturangebot an der Peripherie beschäftigen“, sagt Niermann.

Und es ist nicht nur der schlicht unfertige Kulturentwicklungsplan, mit dem die CDU-Fraktion ihre Bauchschmerzen hat. Auch die Reaktion des Kulturdezernats auf einen Linke-Antrag für einen Kulturbeirat verstört die CDU-Fraktion.

Mehr dazu gleich an dieser Stelle.

Vorlage des Kulturdezernats: Strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen der Eigenbetriebe Kultur der Stadt Leipzig für den Zeitraum 2016 bis 2020.

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