Mit Stadtratsbeschlüssen ist es manchmal gar nicht so einfach. Da geht es um Nuancen, damit sie auch wirklich korrekt sind. Beim Streit der Grünen mit dem OBM hat man ja gesehen, wie schnell sich Oberbürgermeister Burkhard Jung in seiner Hoheit verletzt sieht. Man hat es mit zwei gewählten Repräsentanten zu tun – OBM und Stadtrat – die beide höchst bedacht auf ihre Gestaltungsräume sind. Das war am Mittwoch, 13. Dezember, auch bei der Entscheidung zum Bewerbermanagement der Stadt Thema.

Den Ursprungsantrag hatten im Sommer die Freibeuter eingereicht. Aus gutem Grund: Die Stadt Leipzig erlebt derzeit genau dasselbe, was auch die Unternehmen der freien Wirtschaft und auch der Freistaat erleben: Sie findet nicht mehr schnell genug die Leute, die sie braucht, um all die Stellen zu besetzen, die der Stadtrat nun mit dem Haushalt 2017/2018 verstärkt beschlossen hat. Egal, ob Ordnungsamtsmitarbeiter, Kita-ErzieherInnen oder Planer – es dauert unendlich lange, die ausgeschriebenen Stellen zu besetzen.

Die kurze Frist seit der Halbierung der Schulabgängerzahlen ab 2010 bis vor zwei, drei Jahren, als man noch genügend Bewerber finden konnte, hat auch die Stadt Leipzig nicht genutzt, um sich genug junge Leute zu sichern, um die anspruchsvollen Stellen zu besetzen.

Meistens konnte und durfte sie es auch nicht – das Spardiktat über jedem Haushalt sorgte dafür, dass viele wichtige Stellen frei bleiben mussten.

Welche Schäden das in der Stadtpolitik anrichtet, war nun mehrfach auch heißes Debattenthema im Stadtrat. Mit mehreren Änderungsanträgen brachten die Fraktionen einige der benötigten neuen Stellen im Doppelhaushalt unter. Aber seit dem Frühjahr mehrten sich die Informationen darüber, wie schwer sich die Stadt damit tut, die Stellen auszuschreiben und zu besetzen.

Der Antrag der Freibeuter-Fraktion war also folgerichtig: Leipzig muss weg vom behäbigen alten Ausschreibungs-Management und alle Möglichkeiten moderner digitaler Systeme nutzen, um so viel Bewegung wie möglich in die Sache zu bekommen. Denn heute laufen Personalsuche und Stellensuche fast überall nur noch digital. Wenn Leipzig nicht einfach eine barrierefreie Bewerberplattform nutzt, kommt die Stadt auch nicht an die potenziellen Bewerber.

„Die Stadtverwaltung befindet sich in einer angespannten Bewerbersituation“, schrieben die Freibeuter in ihrer Begründung. „Derzeit werden offenbar schon Beauftragungen externer Berater geprüft. Dennoch verfügt die Stadt leider bisher über kein Werkzeug, interessante Bewerber aus früheren Bewerbungsprozessen „auf dem Schirm“ zu behalten. Ebenfalls ist es nicht möglich, Bewerber, die ggf. nicht zu der Stelle, auf die sie sich bewerben, sondern zu einer anderen ausgeschriebenen Stelle passen, gezielt ‚umzuleiten‘. Auch Initiativbewerbungen können nur unzureichend verwaltet werden. Mit dem Antrag soll eine Behebung und Verbesserung dieses Zustands erzielt werden.“

„Ein gutes internes Bewerber- und Personalmanagement wird fächerübergreifend interessante Köpfe finden und für unsere Stadt begeistern“, freute sich denn am Donnerstag, 14. Dezember, auch Ute Elisabeth Gabelmann, Stadträtin der Piraten und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Freibeuter. „Im Ringen um gute Fachleute müssen wir moderner denken und ungewöhnlichere Wege gehen.“

Sie verwies darauf, dass die Initiative von ihrer Fraktion ausging. Beschlossen aber wurde am Mittwoch ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Der nimmt das Anliegen auf – unterscheidet sich aber in Nuancen, die vor allem damit zu tun haben, dass der OBM als Chef der Verwaltung einige Formulierungen aus dem Freibeuter-Antrag als Eingriff in seine Rechte hätte interpretieren können.

Manchmal ist es eine Gratwanderung, wie OBM und Ratsversammlung miteinander um diese feinen Abgrenzungen ringen. Bei den Grünen ging es um ihren Antrag zum „Transparenten Verwaltungshandeln“, den OBM Jung gern abgesetzt hätte. Aber das Verwaltungsgericht gab den Grünen Recht: Der Stadtrat hat durchaus das Recht zu fordern, dass mehr Informationen über Verwaltungsentscheidungen öffentlich werden. Im Ergebnis arbeitet das OBM-Büro jetzt an einem Kompromiss, der die Interessen beider Seiten versucht zu berücksichtigen. Man kann gespannt sein.

Beim Freibeuter-Antrag war es jetzt andersherum. Ihre Forderung „Die Software erfüllt unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen mindestens folgende Kriterien …“ hätte man durchaus als Bevormundung des OBM interpretieren können. Im Änderungsantrag lautet die Passage jetzt“ “Dabei ist zu prüfen, ob die Software unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen folgenden Leistungsumfang enthalten könnte …“

Damit hat der Stadtrat trotzdem formuliert, was er sich von der Software erwartet, zwingt die Verwaltung aber nicht, sich auf eine Software zu versteifen, die zwingend alle Bedingungen erfüllt. Tatsächlich geht man in der Wunschliste noch weiter. Denn jetzt steht auch noch ein Passus zum schon vorhandenen Personal drin: „Qualifikationen und Weiterbildungen der eigenen Mitarbeiter sollen in Form einer digitalen Personalakte vorgehalten werden.“

Denn auch mit den eigenen Leuten muss man gut umgehen, damit man sie nicht an die Konkurrenz verliert.

Der beschlossene Änderungsantrag der SPD.

Der Ursprungsantrag der Freibeuter.

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