Vor 160 Jahren nahm die erste Papierfertigungsmaschine in Golzern ihren Betrieb auf. Seitdem wuchs die Papierfabrik immer weiter. Bis zur Aufgabe des Standortes nach dem Hochwasser 2013. Geblieben ist ein architektonisch herausragendes Industriedenkmal, welches nur darauf wartet, wachgekĆ¼sst zu werden, findet nicht nur die Stadt Grimma.

Das Unternehmen Papierverarbeitung Golzern GmbH siedelte nach dem Hochwasser 2013 nach Mutzschen Ć¼ber. Die Stadt Grimma nahm sich des Denkmals an, um eine Lƶsung zu finden. Bereits 200.000 Euro investierte die Stadt in verschiedene Gutachten.

ā€žEin Abriss hƤtte Millionen gekostet, da selbst die Ziegel unter dem Dach als SondermĆ¼ll geltenā€œ, erklƤrt OberbĆ¼rgermeister Matthias Berger. ā€žDie Folge wƤre gewesen: Die Fabrik verfƤllt.ā€œ

Man entschied sich dafĆ¼r, der Fabrik an der Mulde ein zweites Leben zu ermƶglichen und schrieb die 42.000 Quadratmeter groƟe Anlage zum Verkauf aus. Bis zum Annahmeschluss meldete sich ein interessiertes ArchitekturbĆ¼ro beim OberbĆ¼rgermeister. Das Leipziger BĆ¼ro Mann und Schott Architekten ist gewillt, die Papierfabrik zu retten und die Brache vielseitig zu beleben. An Ideen mangelt es den kreativen Leipzigern nicht, bescheinigt die Grimmaer Stadtverwaltung.

Mit der Revitalisierung der Alten Sternburg Brauerei sowie der Naumannschen Brauerei in Leipzig und der Sanierung der Alten Brikettfabrik Borna (CULT Neukirchen) bringt das Architektenduo die nƶtigen Referenzen mit.

In einer BĆ¼rgerinformationsveranstaltung stellte Architekt Kai-Uwe Schott am 1. Juni vor, wie die Zukunft der Papierfabrik aussehen kann. Ziel ist es, dass frĆ¼hestens in drei Jahren der Um- und Ausbau beginnen kann. Er ist sich der Verantwortung gegenĆ¼ber dem Denkmal bewusst und der festen Ɯberzeugung, dass das Kulturgut gesichert und belebt werden kann.

Ein Blick auf die einstige Papierfabrik an der Mulde. Visualisierung: Mann & Schott Architekten Leipzig
Blick auf die einstige Papierfabrik an der Mulde. Visualisierung: Mann & Schott Architekten Leipzig

In der BĆ¼rgerveranstaltung formulierte er fĆ¼nf Zukunftsziele. Vor allem steht der Hochwasserschutz an erster Stelle. Die Papierfabrik steht ganz nah am Fluss. Die Mƶglichkeit, dass das Wasser im Hochwasserfall rasch und ohne eine Stauung durchflieƟen kann, hat oberste PrioritƤt. Eine angesprochene Lƶsung ist es, dass das Erdgeschoss frei von einer dauerhaften Nutzung gehalten wird. Lediglich sogenannte Infrastrukturkerne bilden kleine wasserdichte Inseln, sodass kein Wasser in die sensiblen LeitungsschƤchte oder TreppenhƤuser eindringen kann.

Der MĆ¼hlgraben sollte wieder freigelegt werden

Ein weiteres Vorhaben ist der Bau einer zusƤtzlichen, fuƟlƤufigen ErschlieƟungs- beziehungsweise Rettungsebene. Auch die Ɯberlegung, den MĆ¼hlgraben ā€“ ein ƶstlicher Arm der Mulde ā€“ freizulegen, ist vorstellbar.

Das ƶstliche GrundstĆ¼ck befindet sich im Eigentum der BAT Agrar GmbH & Co. KG (ehemals ATR Landhandel). Nur eine Verlagerung des Betriebs wĆ¼rde genĆ¼gend Platz fĆ¼r die Freilegung schaffen.

Auch der Naturschutz ist dem Leipziger Architekten wichtig. Er mƶchte die Kellergeschosse lediglich sichern, damit die angesiedelten geschĆ¼tzten Arten hier ihre LebensrƤume behalten kƶnnen.

Eine weitere PrioritƤt hat der Denkmalschutz. Der RĆ¼ckbau nicht denkmalrelevanter Anbauten wĆ¼rde den Charme der Jahrhundertwende um 1900 wieder freilegen. Um die Innenhƶfe frei von Fahrverkehr zu halten, ist ein Parkhaus in sĆ¼dƶstlicher Achse geplant. Die AufenthaltsqualitƤt soll gesteigert werden, indem sich im Norden der Papierfabrik eine GrĆ¼nanlage anschlieƟt. Ein grobes Nutzungskonzept lƤsst schon viele Ideen durchsickern.

Kai-Uwe Schott beschrieb seine Ideen als einen ā€žin sich funktionierenden, lebendigen Organismusā€œ. So soll das Erdgeschoss unangetastet bleiben und roh genĆ¼gend FreirƤume fĆ¼r Kreative und Denker vorhalten.

Co-Working-ArbeitsplƤtze kƶnnten entstehen. Kino-LeinwƤnde verdecken die unverkleideten WƤnde, davor einfache Paletten, die eine Bar bilden. Die Mƶglichkeiten seien vielfƤltig und individuell. MaƟgabe sei, dass Mobiliar und Ausstattung im Falle eines Hochwassers schnell gesichert werden kƶnnen.

Ɯber die Lƶsung ā€žGebƤude im GebƤudeā€œ wƤre es auch mƶglich, einen Nahversorger in den Hallen zu etablieren. FĆ¼r das Beleben der Obergeschosse biete sich in Richtung Osten eine gewerbliche Nutzung an. So kƶnnten sich hier BĆ¼ros oder ein Hotel einmieten. FĆ¼r ein Fitnessstudio oder fĆ¼r TagungsrƤume wƤre hier auch Platz.

Die GebƤudeteile in Richtung Bahren seien fĆ¼r WohnrƤume prƤdestiniert. HĆ¼bsche Loft-Wohnungen kƶnnten die Nachfrage befriedigen. ErgƤnzt werden kƶnne das Leben in der Fabrik durch eine Gastronomie neben dem Wasserkraftwerk im SĆ¼den mit Blick auf den Fluss, einer kleinen Marina fĆ¼r Wassersportler und einer Belebung durch Kunst-Ausstellungen und MƤrkte. Und das alles weitestgehend autofrei. Geparkt werde drauƟen im mit natĆ¼rlichem GrĆ¼n umgebenen Parkhaus.

Die Vertreter der OrtschaftsrƤte Dƶben und Nerchau sowie die zur PrƤsentation anwesenden BĆ¼rgerinnen und BĆ¼rger sehen das Vorhaben positiv. Was sie sich sehr wĆ¼nschen wĆ¼rden, sei die Ɩffnung des MĆ¼hlgrabens.
Der Verkauf wird nun im Stadtrat behandelt. Nach einer VerƤuƟerung sollen dann die ersten SicherungsmaƟnahmen beginnen, die Feinplanung und die Abstimmung mit den Behƶrden. Der neue EigentĆ¼mer verpflichtet sich binnen weniger Jahre zu einer Investition und zur Baurechtschaffung.

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