Da war selbst Rico Gebhardt, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im sächsischen Landtag, überrascht, als er am Montag, 16. Januar, die Zeitung aufschlug. In diesem Fall die in Dresden erscheinende "Morgenpost", die da titelte: "Finanzminister bremst Polizeiverstärkung aus".

Es ging um die fast mutig geäußerten Wünsche des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU), im Zusammenhang mit der Anschlagserie der Zwickauer Terrorzelle vielleicht doch die Polizeikräfte, die sich mit rechtsextremer Gewalt beschäftigen, ein klein bisschen aufzustocken. Er nannte es gleich “Handlungskonzept”. Aber schon am Wochenende blieb davon nichts übrig. Der Finanzminister Georg Unland (CDU) zerpflückte die vagen Pläne im “Morgenpost”-Beitrag gleich mal in der Luft. Wenn es ums Geldausgeben geht, ist er streng, der heimliche Ministerpräsident.

Und so seufzt denn auch am Montag Rico Gebhardt: “Das vermeintliche ‘Handlungskonzept’ des Innenministers zur Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt ist offensichtlich eine PR-Luftblase, die bereits im Finanzministerium zerplatzt ist. Der von Minister Ulbig erweckte Eindruck, der besorgniserregende Personalabbau bei der Polizei werde womöglich nochmals korrigiert, ist erwartungsgemäß unzutreffend. Vielleicht sollte der Innenminister in seinem Terminkalender neben Hintergrundgesprächen mit Journalisten zwecks Vermarktung von Scheinprojekten Zeit für ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Finanzminister finden …”

Die sächsische Politik trägt immer mehr die Handschrift des Sparministers. Er hat nicht nur die Vorgaben für die drastischen Kürzungen im Doppelhaushalt 2011/2012 gegeben, aus seinem Haus stammen augenscheinlich auch die Kürzungsvorgaben für Kultus-, Wissenschafts- und Innenministerium, ohne dass es den drei Ministerien in den letzten Wochen auch nur im Ansatz gelungen wäre, die Kürzungsvorgaben mit den realen Bedarfen in ihren Ressorts in Einklang zu bringen.Dabei geht es in Sachsen längst nicht mehr darum, ein auflaufendes Defizit zu minimieren – immerhin das Grundproblem fast aller anderen Bundesländer. Im Gegenteil: Auch im Haushalt 2011 hat Sachsen wieder ein Plus von 358 Millionen Euro erwirtschaftet – wobei noch nicht klar ist, wo diese Gelder nun landen. In den Schuldenabbau hat der Finanzminister erst einmal nur 75 Millionen Euro investiert. Auch der so genannte Generationenfonds, mit dem der Freistaat die künftigen Pensionsansprüche seiner Beamten absichert, wurde weiter aufgestockt.

2011 flossen 489,2 Millionen Euro in diesen Fonds. Weitere 505,4 Millionen werden 2012 folgen. Auch 2009 und 2010 sind ähnliche Summen in den Fonds geflossen – 451 und 475 Millionen Euro.

Es ist nicht das einzige Rücklagenpolster, dass sich der Freistaat zugelegt hat. In einer Antwort auf eine Anfrage der Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Antje Hermenau, legte Finanzminister Georg Unland 2010 einmal offen, wieviele Rücklagen er in seinem Ministerium mittlerweile verwaltete. Dazu gehörten 812 Millionen Euro “Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklagen”, 360 Millionen Euro Rücklage für das Finanzausgleichsgesetz (FAG), 222 Millionen als Risikorücklage für Bund-Länderfinanzbeziehungen. Zusammen fast 1,4 Milliarden Euro.

Ende 2009 kamen noch 969 Millionen Euro Bürgschaftssicherungsrücklagen dazu – darunter 832 Euro für die SachsenLB. 2010 kamen noch einmal 832 Millionen Euro hinzu. Der Fonds ist also auch nach den Auszahlungen von mittlerweile rund 203 Millionen Euro mit rund 1,45 Milliarden Euro prall gefüllt.

Wer alle Fonds und Rücklagen addiert – was jüngst der SPD-Abgeordnete Holger Mann getan hat – kommt auf rund 5 Milliarden Euro (eher etwas mehr), die der Freistaat mittlerweile auf die hohe Kante gelegt hat. Oder – man kann es ja auch von der Seite der Betroffenen her betrachten – den Investitionen im Land entzogen hat. Dagegen nehmen sich die zögerlichen Erhöhungen der Investitionspauschalen, die zum Jahreswechsel nach dem wieder mit Plus abgeschlossenen Geschäftsjahr verkündet wurden, geradezu lächerlich aus. Dass dafür – wie beim ÖPNV – sogar wichtige Infrastrukturen in Gefahr gebracht werden, zeugt nicht gerade von Weitsicht. Dass sogar milliardenschwere Sanierungen bei Straßen, Brücken und Schulen auf Jahre vertagt werden müssen, ist ebenso kurzsichtig.

Was fehlt, ist ein Steuermann in der sächsischen Regierung, der nicht dem Finanzminister allein das Regieren überlässt und Gelder auch so einsetzt, dass auch die Kommunen eine Chance bekommen, die Insolvenz zu vermeiden und ihre Schulden in den Griff zu bekommen. 39 Gemeinden und Landkreise in Sachsen sind mittlerweile finanziell nicht mehr handlungsfähig. Da passt einiges nicht mehr zusammen.

Die Anfrage von Antje Hermenau zu den Rücklagen des Freistaates vom Frühjahr 2010: http://edas.landtag.sachsen.de

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