Am Ende fließt alles ineinander. Schon seit geraumer Zeit arbeiten die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) an einem Versuch, alle Mobilitätsarten in Leipzig auf einer Plattform zu bündeln. Auch weil sich Stadtverkehr ändert. Die Zukunft wird nicht immer dem eigenen Pkw vorm Haus gehören. Schon heute nutzen moderne Stadtbürger unterschiedlichste Leih- und Sharing-Angebote. Und augenscheinlich funktioniert es, wenn man die alle auf einer Mobilitätsplattform bündelt.

Am Dienstag, 3. Juli, präsentierten die LVB gemeinsam mit Leipzigs ältester Funktaxizentrale 4884 den nächsten Baustein in diesem Konzept. Denn ab sofort können Kunden der Leipziger Verkehrsbetriebe über die Mobilitätsplattform „Leipzig Mobil“ auch Taxifahrten buchen und bezahlen. Damit vertiefen die Verkehrsbetriebe ihre Kooperation mit Leipzigs ältester Funktaxizentrale 4884, die bereits beim Anruflinientaxi (ALITA) zusammenarbeiten.

Und zwar seit 15 Jahren, wie Ulf Middelberg, Geschäftsführer der LVB, betont. Nur dass das damals noch sehr rustikal begann. Der Fahrgast, der von der Haltestelle noch ein paar Kilometer weiter musste, sagte beim Fahrer bescheid und fand dann bei der Ankunft das Taxi an der Haltestelle vor.

Aber die LVB experimentieren ja schon seit einiger Zeit erfolgreich mit der Online-Mobilitätsplattform, die vor allem einen Vorteil hat: Man bucht den Service im Grunde wie ein Telefongespräch, egal, ob man sich ein Fahrrad ausleiht, mit der Straßenbahn fährt oder ein Taxi nutzt: Der Preis für den Service wird einfach einmal im Monat online abgebucht.

„Als LVB wollen wir unseren Kunden Mobilitätslösungen anbieten. Unsere Dienstleistungen richten wir deshalb nach sich wandelnden Kundenbedürfnissen aus. Partnerschaften wie mit 4884 sind dabei extrem wertvoll und hilfreich. Denn nicht alles, was unsere Kunden wünschen, müssen wir als LVB selber machen.

Multimodalität, also die Kombination verschiedener Verkehrsmittel aus einer Hand, können wir mit unserer digitalen Plattform Leipzig Mobil organisieren und so für die wachsende Stadt moderne Mobilität anbieten“, versucht Ulf Middelberg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe, den tieferen Sinn der Plattform zu erklären.

Denn dass sich Stadtverkehr ändert, bekommt man bei den LVB schon mit. Auch dass gerade Menschen, die sowieso schon fast alles mit ihrem Smartphone kaufen und abbuchen, den Service dankbar annehmen. Man ahnt, wie sich die Vorstellungen junger Menschen von Mobilität verändert haben. Opa dachte noch Auto, wenn er meinte, alle Wegebedürfnisse für sich und Oma abbilden zu müssen. Das Ding war gleich noch Prestigeobjekt und wurde pfleglichst in der Garage gehalten.

Papa ärgerte sich noch wie blöde über ständig zugeparkte Stellplätze vorm Haus und dass er „stundenlang“ um den Häuserblock gurken musste, um eine Lücke zu finden. Dass er mit seinem Autodenken selbst Teil des mathematischen Problems ist, ist ihm bis heute nicht beizubiegen. Er hat ja Mathematik in der Schule abgewählt.

Die jüngere Generation will diesen Ärger erst gar nicht und hält Ausschau nach den Angeboten, die flexibel zu den eigenen Transportbedürfnissen passen. Wozu ein eigenes Auto, wenn man es nur einmal im Monat für den Großeinkauf braucht?

Vor-Ort-Termin mit den Taxis zweier Generationen. Foto: Ralf Julke
Vor-Ort-Termin mit den Taxis zweier Generationen. Foto: Ralf Julke

Wozu der ganze Stellplatzärger, wenn man mit Fahrrad und Straßenbahn genau da hinkommt, wo man hin will? Auf die paar Minuten kommt es ja nicht an, wenn man in der Bahn mit dem Smartphone gleich mal das Informationsbedürfnis befriedigt, die Kollegen kontaktiert und Absprachen trifft. Mache das mal einer im Auto, dann knallt’s aber.

Vielleicht ist das etwas grob gerastert. Aber seit die LVB ihre Mobil-Plattform betreiben und ausbauen, wird der Service angenommen.

Angeboten werden jetzt schon Buchungen für Bus und Bahn oder Mietauto und Mietfahrrad. Das Taxi kommt jetzt dazu. Man bucht seine Fahrt einfach online und bezahlt auch online. Über die App gibt der Nutzer den Startpunkt und das Ziel seiner Fahrt ein. Bestellt werden kann eine sofortige Fahrt oder auch eine Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt.

Sobald die Buchung abgeschickt und das Taxi unterwegs ist, sehen Nutzer in der App den Live-Standort des Fahrzeuges und eine Countdown-Anzeige. Bezahlt wird die Fahrt am Ende über Leipzig Mobil, ohne Bargeld. Abgerechnet wird am Ende des Monats in nur einer Rechnung, zusammen mit den anderen Mobilitätsarten.

„Als Leipzigs größte Taxizentrale freuen wir uns über diese deutschlandweit beispielhafte und konstruktive Kooperation und gehen mit ihr neue Wege“, erklärt Hans-Jürgen Zetsche, der langjährige Chef von Funktaxi 4884, der seine Verantwortung dort zwar an zwei junge Nachfolger abgegeben hat. Aber zum Termin kam er mit seinem Lieblings-Taxi vorgerollt: Einem noch im Original-Taxi-Schwarz gehaltenen EMW aus den 1950er Jahren, als in Eisenach wirklich noch schöne Autos gebaut wurden. „Mit den Leipziger Verkehrsbetrieben als Partner bieten wir durch unsere ausgesprochene Individualität hier eine absolut sinnvolle Ergänzung zum Linienverkehr.“

Ganz unerfahren ist er in dem Projekt nicht. Denn digital klingt immer schön einfach. Aber kompliziert wird es dann beim Programmieren. In dem Angebot stecken also auch wieder zwei Jahre Arbeit. Für die nicht ganz einfachen Lösungen am Ende findet Middelberg die schöne Formel: „Ein Yak rasieren.“

Was einfach aussieht, hat also in der Regel jede Menge Arbeit gemacht. Aber das Produkt war noch nicht mal beworben, da gab es bei 4884 auch schon die ersten Bestellungen. Für Zetsche ist das klar: „Der Kunde wünscht sich das.“

Und die LVB wollen weiter versuchen, alle Mobilitätsdienstleister in Leipzig für die Plattform „Leipzig Mobil“ zu gewinnen. Noch versuchen einige Anbieter ja auf eigene Faust oder in anderen Verbünden ihre Claims abzustecken. Was aus Nutzersicht wenig Sinn macht. Der wünscht sich zwar viele Angebote, aber nicht lauter neue Apps, um sie auch nutzen zu können.

Und die LVB locken natürlich auch ein bisschen und versprechen, dass Neukunden, die einen Leipzig Mobil-Vertrag abschließen, bis zum 31. Juli 2018 die Grundgebühr sparen.

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