Benno merkt von allem nichts: Als die französische Bulldogge in den neuen Magnetresonanztomographen (MRT) geschoben wird, schlummert sie schon tief in Narkose. "Wir wissen noch nicht, was das Tier hat", sagt Eberhard Ludewig, Professor an der Klinik für Kleintiere an der Universität Leipzig. "Sobald es aber eine Diagnose gibt, wird operiert." Benno dient heute als Anschauungsobjekt.

Die veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig präsentiert ihr neues High-Tech-Untersuchungsgerät im Rahmen des Auftakts zum 7. Leipziger Tierärztekongress. Dieser ist Deutschlands größte Fortbildung für Veterinärmediziner und findet von morgen, dem 16. Januar, bis Samstag, den 18. Januar 2014, auf dem Messegelände statt. Organisiert wird er im Zwei-Jahres-Rhythmus von der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität, den sechs ostdeutschen Tierärztekammern und der Leipziger Messe.

Sie rechnen mit mehr als 4.000 Besuchern, die Vorträge, Workshops und Kurse von 400 Referenten besuchen können. Neben der fachlichen Fortbildung spielt auch die Berufspolitik eine große Rolle. Zum Auftakt steht die Berufsethik im Vordergrund: Experten diskutieren die Rolle des Tierarztes zwischen Tierschutz, Verbraucherschutz und der Verpflichtung gegenüber dem Tierhalter. Zur Diskussion steht auch wie viel dem Verbraucher die tiergerechte Haltung von Lebensmittel liefernden Tieren im Wortsinne wert ist.

Zur Diskussion steht derzeit auch das Dispensierrecht der Tierärzte. Dies meint, dass sie Medikamente vorhalten, um sie bei der Behandlung anwenden zu können. “Tierärzte haben, in sehr engen Grenzen, eine Berechtigung wie Apotheker”, erklärt Sonja Kleinhans, Präsidentin der Landestierärztekammer Thüringen, der Schirmerrin des Kongresses. Das EU-Parlament will dieses Recht der Tierärzte einschränken und damit die Tier-Behandlung verlangsamen.
Denn die Tierhalter müssten dann erst mit einem Rezept zur Apotheke gehen und die Medikamente dort besorgen. Gerade auf dem Land gestaltet sich dies mitunter aufwändig. Kleinhans spricht sich daher für eine Beibehaltung des Dispensierrechts aus. “Es sorgt für eine sichere, schnelle und kostengünstige Versorgung”, sagt sie. Hintergrund der EU-Pläne ist, dass so Antibiotika-Ressistenzen eingedämmt werden sollen. “Eine Einschränkung des Dispensierrechtes würde das Problem nicht lösen, sondern lediglich verlagern”, so Kleinhans und weist auf die strengen Dokumentationspflichten der Tierärzte hin. “Es würden neue Probleme dadurch entstehen, dass die bestehenden wirksamen Überwachungsstrukturen neu aufgebaut werden müssten.” Erfahrungen aus Ländern ohne das Dispensierrecht zeigten, dass der Verbrauch von Antibiotika nicht geringer ist.

Antibiotika sind ebenfalls Thema bei einem neuen Programmpunkt des Tierärztekongresses: den Fischen. Sie sind nicht nur beliebte Nahrungsmittel, sondern auch Haustiere. Geschätzt 30 Millionen schwimmen als Zierde in deutschen Aquarien. “Ein Austausch unter Fachleuten zu Parasiten, Viren, Antibiotikaeinsatz, Lebensmittelsicherheit und Tierschutz ist dringend erforderlich”, betont Kongresspräsident Gotthold Gäbel, der auch Leiter des Veterinär-Physiologischen Instituts der Universität Leipzig ist. “Deshalb widmen wir diesem Thema erstmals einen kompletten Vortragstag”, so Gäbel.

Michael Pees von der Klinik für Vögel und Reptilien an der Universität stellt seine Forschung zu Salmonellen-Übertragung durch Reptilien vor. In einer Studie bewies er, dass die krank machenden Bakterien auf Kleinkinder übertragen werden können. “Es besteht kein Grund zur Panikmache”, so Pees. “Wer einfach Hygiene wie das Händewaschen beachtet, läuft kaum Gefahr.” Dennoch gehöre zum Beispiel das Terrarium nicht ins Kinderzimmer oder das Haustier-Reptil nicht ins selbe Waschbecken, was auch die Kleinen nutzen. Gefragt nach der Größenordnung der Fälle, antwortet er: “Bundesweit gibt es wohl 200 bis 300 Fälle, in denen die Salmonellen nicht aus der Nahrung übertragen werden.” Seine Studie sei mit Vorsicht zu betrachten, “doch ein Zusammenhang ist erkennbar”, so Pees.
Zeitgleich zu den Fachfragen können sich die Tierärzte auch mit neuen Produkten beschäftigen. Von Freitag bis Samstag, 17. bis 18. Januar, findet die Industrieausstellung “vetexpo” im Rahmen des Kongresses statt. Rund 190 Aussteller präsentieren Neuheiten aus den Bereichen Arzneimittel, Medizintechnik, Diagnostika, Instrumente sowie Tierernährung, moderner Praxiseinrichtung, Computertechnik und Fachliteratur.

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Technisch auf dem neuesten Stand ist nun auch die Klinik für Kleintiere, in der Bulldogge Benno heute behandelt wurde. In den vergangenen Wochen wurde dort das neue MRT installiert. Es liefert in Echtzeit Bilder aus dem Körperinneren – sozusagen live aus dem Hund. “Unser altes MRT war knapp 15 Jahre alt”, sagt Eberhard Ludewig. “Dass diese neuen Aufnahmen möglich sein würden, daran war damals nicht zu denken.”

Die Vorteile des Gerätes liegen darin, dass es die Untersuchungszeit verkürzt. Bisher dauerte eine solche im Schnitt 45 Minuten. “Für bestimmte Untersuchungen kann diese Zeit nun halbiert werden”, so Ludewig. Davon profitieren besonders Tiere mit hohem Narkoserisiko. Denn anders als beim Menschen sind MRT-Scans bei Tieren ohne Narkose nicht möglich. Finanziert wurde der Tomograph vom Freistaat Sachsen: 1,8 Millionen Euro kostete das Gerät, 650.000 Euro der Umbau im Gebäude.

Benno hat die MRT-Untersuchung gebraucht. “Bisher war nicht klar, ob es seine Erkrankung vom Rückenmark herrührt oder von anderen Nerven”, erklärt Ludewig. Für das Durch-die-Röhre-Schieben muss sein Herrchen bezahlen. “Die Kosten liegen zwischen 400 und 500 Euro”, so Ludewig. Auch in der Tierklinik der Universität gilt die Gebührenordnung für Tierärzte. Und die Klinik steht allen offen. “Auch die Katze aus Dresden kann herkommen”, sagt der Professor. Bei allen technischen Möglichkeiten gelte in der Tiermedizin aber, Nutzen und Risiken abzuwägen. Für den acht Jahre alten Hund steht der Operationssaal bereit, während er noch in der surrenden Röhre liegt. Am Computer werten die Medizinstudenten derweil alte Bilder aus. “Gleich schauen wir die neuen Bilder an und dann wissen wir hoffentlich, was er hat”, so Ludewig. Der Hund bleibt in Narkose. Benno merkt von allem nichts.

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