Was war die Deutsche Bahn stolz auf diesen 15. Dezember: "Zwischen 0:03 Uhr und 0:16 Uhr setzten sich heute Nacht in der Station Leipzig Hbf (tief) die ersten Züge der S-Bahn-Mitteldeutschland in Bewegung und läuteten damit die neue Ära des Nahverkehrs im Großraum Leipzig/Halle ein. Der erste Zug steuerte 0:03 Uhr den Zielort Torgau an."

Das war der Auftakt für den Zugbetrieb im Leipziger City-Tunnel, an dem nun tatsächlich zehn Jahre lang gebaut worden war. Am Vortag, dem 14. Dezember, hatte es die Premierenfahrten für die geladenen Gäste gegeben und die vielen Reden in der Glashalle des Hauptbahnhof. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sprach da und betonte noch einmal, dass man zum Schluss brav den Finanzrahmen von 959 Millionen Euro eingehalten hatte.

Kein Euro mehr? – Dazu äußerten schon zwei Tage später zwei altbekannte Leipziger ihre Zweifel. Aber dazu gleich mehr.

0:06 Uhr fuhr die erste S-Bahn nach Wurzen, 0:07 Uhr folgte der Zug nach Halle (Saale), 0:10 Uhr nach Geithain bzw. Altenburg und 0:16 Uhr nach Leipzig-Connewitz.

Frank Klingenhöfer, Vorsitzender der Regionalleitung bei DB Regio Südost, über das neue Zeitalter im Leipziger Untergrund: “Jetzt müssen wir im täglichen Betrieb im Zusammenspiel mit den Kollegen von DB Netz und DB Station&Service gewährleisten, dass sich die intensiven Vorbereitungen auszahlen und wir einen stabilen wie pünktlichen Betrieb sicherstellen.”

Immerhin fahren jetzt sechs S-Bahn-Linien durch den City-Tunnel und halten an den unterirdischen Stationen Leipzig Hauptbahnhof (tief), Markt, Wilhelm-Leuschner-Platz und Bayerischer Bahnhof. “Eingesetzt werden moderne, komfortable Elektrotriebwagen, die auf Wunsch der kommunalen Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr mit ihrer auffälligen silbergrau-metallic-Lackierung das Bild der neuen S-Bahn prägen”, erläutert Oliver Mietzsch, Geschäftsführer des Zweckverbandes für den Nahverkehrsraum Leipzig, der als gesetzlicher Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr in Westsachsen für die Planung, Vergabe und Finanzierung des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes federführend verantwortlich ist.
Womit ein zweiter Investitionsposten zu nennen ist. Denn durch den Tunnel dürfen nur elektrische Triebwagen fahren. Die DB Regio hat über 200 Millionen Euro in eine neue Fahrzeugflotte für die S-Bahn Mitteldeutschland investiert. Dabei handelt es sich um 51 Elektro-Triebwagen der Baureihe Talent 2 vom Hersteller Bombardier Transportation, die Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h fahren können. Sie sind klimatisiert und besonders umweltfreundlich. Je nach Linie und Abschnitt haben die Fahrzeuge zwischen 150 und 400 Sitzplätze. Die Fahrzeuge entsprechen in hohem Maße den Anforderungen mobilitätseingeschränkter Reisender, denn sie sind mit Schiebetritten an den Einstiegen, großen Mehrzweckbereichen und behindertenfreundlichen Toiletten ausgestattet. Für Familien mit Kindern verfügen die Fahrzeuge über eine spezielle Sitzgruppe. Einen verbesserten Service für die Kunden bieten die im Fahrgastraum integrierten Monitore für aktuelle Fahrgastinformationen. Um die Sicherheit in den Zügen zu erhöhen, sind die Fahrzeuge mit Videoüberwachung ausgestattet.

Wer sich den Tunnelbetrieb ein Weilchen anschaut, sieht derzeit auch noch ein paar ältere Loks durch den Tunnel fahren auf einigen S-Bahn-Strecken.

Aber auch ein ICE fährt ab und zu durch. Vorläufig bis 2015, bis die ICE-Strecke nach Erfurt fertig ist. Der Grund sind Bahnsteigverlängerungen an den Bahnsteigen 10 bis 15 oben im Hauptbahnhof, mit denen die Bahnsteige für den künftigen Halt auch längerer ICE-fit gemacht werden sollen.

Im September 2010 hat DB Regio Südost den Zuschlag für das mitteldeutsche S-Bahn-Netz erhalten. Im Januar 2011 wurde der Verkehrsvertrag unterschrieben. Demnach erbringt DB Regio im Auftrag von sechs Aufgabenträgern aus vier Bundesländern (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) die Verkehrsleistungen für die Dauer von zwölf Jahren. Die S-Bahn Mitteldeutschland bildet mit rund neun Millionen Zugkilometern das Rückgrat des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) im Ballungsraum Leipzig/Halle.

Und wer sind nun die erwähnten Zweifler aus Leipzig? – Die Landtagsabgeordneten der Linken Dr. Dietmar Pellman und Dr. Volker Külow natürlich. Am 17. Dezember formulierten sie fünf freche Fragen, mit denen sie wahrscheinlich Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) ein wenig die Vorweihnachtsstimmung verhagelten. Am meisten misstrauen sie den von Stanislaw Tillich genannten 959 Millionen Euro. Also fragen sie:

1. Wie hoch ist die Summe, die bisher für den Bau des City-Tunnels aufgewendet wurde?

Die zweite Frage erübrigt sich natürlich nach den oben genannten Zahlen der DB Regio: “In welchem Maße sind in der Gesamtsumme auch die Netz ergänzenden Baumaßnahmen sowie der Erwerb neuer S-Bahnzüge enthalten?” Letztere sind natürlich nicht enthalten. Die 200 Millionen, die die DB Regio da investiert hat, gehören nicht zu den Tunnelkosten. Und es wäre keine Überraschung, wenn der Verkehrsminister auch die “Netz ergänzenden Baumaßnahmen” nicht mit hineinrechnet. Das sind alle Baumaßnahmen außerhalb des Tunnels – neue Gleistrassen, Umbau von S-Bahnhöfen, 9 Kilometer Schallschutzwände, vier komplett neu gebaute Brücken, neue Oberleitungsmasten usw.

Schwieriger wird es mit Frage 3: “Liegt damit die Schlussrechnung für das gesamte Baugeschehen vor?” – Wahrscheinlich nicht.

4. Wenn ja, seit wann liegt diese vor?

5. Wenn nein, wann ist damit zu rechnen?

Das ist dann noch einmal eine spannende Frage. Vielleicht gibt’s ja schon im Januar die eine oder andere Antwort.

Das Fragenpaket von Pellmann und Külow:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=13385&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201

www.citytunnelleipzig.de
www.s-bahn-mitteldeutschland.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar