Das ist so ein bisschen wie die behördliche Akzeptanz: Ja, es gibt in Leipzig einen Radverkehrsentwicklungsplan. Und er liegt auch in der beliebten Blauen Reihe vor, in der die Stadt ihre "Beiträge zur Stadtentwicklung" veröffentlicht. Und zwar dann, wenn der Stadtrat alle Beschlüsse gefasst hat und das Projekt auch umgesetzt wird. Tatsächlich wird sogar schon seit 2010 am Radverkehrsentwicklungsplan 2010 - 2020 gearbeitet.

Aber ganz so schnell ist Leipzigs Verwaltung nicht mehr wie in früheren Zeiten. Beschlossen hat der Stadtrat das Ganze 2012. Damit ist dann erst das seit 2002 gültige Handlungskonzept abgelöst worden. Und damit ging – zumindest für die meisten Parteien im Stadtrat – auch eine jahrelange Diskussion um den künftigen Weg in der Stadtpolitik zu Ende. Vielen fiel der Abschied von einer streng auf die Priorisierung des Kfz-Verkehrs ausgerichteten Verkehrspolitik schwer. Sehr schwer.

Genauso schwer wie die Einsicht, dass die Zeit der großen Straßenneubauprojekte vorbei war. Endgültig vorbei mit der Eröffnung des über 30 Millionen Euro teuren Teilabschnitts des “Mittleren Ringes” im Leipziger Nordwesten, der nicht der Auftakt, sondern das Ende der Träume vom Mittleren Ring war. Weder im Süden noch im Osten ist das in den 1990er Jahren geborene Mega-Projekt finanziell oder gar naturschutzrechtlich umsetzbar. Über den Westen redet man nicht einmal.Notwendig war das Projekt sowieso nie. Im Norden hat es zumindest eins gebracht: eine Entlastung der Georg-Schumann-Straße, die 2011 erstmals in ihrer Geschichte mit Radfahrstreifen ausgestattet werden konnte. Testweise. Bevor sie in den nächsten Jahren modernisiert wird. Damit wurde auf einer der wichtigsten Magistralen sichtbar und erlebbar, wie Radverkehr ohne großen Aufwand Raum in den Leipziger Hauptverkehrsstraßen finden wird.

Und es ist nicht nur die Verkehrsstrategie der Stadt, die hier wirksam wird. Es sind die Leipziger, die hier Druck machen. Seit 1994 ist der Anteil des Fahrrades an den Wegen der Leipziger kontinuierlich gestiegen. Die wachsende Stadt wird auch im Verkehrsverhalten sichtbar. Von 5,8 Prozent Wegeanteil (Modal Split) stieg der Anteil des Fahrrades bis 2008 auf 14,4 Prozent. Die Zahlen für 2014 gibt es noch immer nicht. Auch die 14,4 Prozent werden längst Geschichte sein. Nur der Blick in die Straßen zeigt, wie sehr der Radverkehr zugenommen hat, seit die Stadt tatsächlich Stück für Stück die Radangebote verbessert – mit neuen Radfahrstreifen, mit neuen Abstellmöglichkeiten.Der Radverkehrsentwicklungsplan ist die Leitlinie, wie Leipzig bis 2020 vorgehen will, um die Radverkehrsbedingungen in der Stadt deutlich zu verbessern und einen Radwegeanteil von 20 Prozent zu erreichen. Drei Ziele hat der Plan definiert:

Das 1. ist die Steigerung auf 20 Prozent Wegeanteil.

Das 2. ist die Senkung des relativen Unfallrisikos um 25 Prozent bis 2025. Denn dadurch, dass das Wegenetz oft noch Flickwerk ist, ist es auch noch mit vielen Gefahrenstellen gespickt.

Ziel Nr. 3 ist die Erhöhung der Zufriedenheit der Bevölkerung mit den Radverkehrsbedingungen.

Wohl das schwierigste Ziel, denn mit besseren Angeboten trauen sich auch vermehrt Leipziger aufs Rad, denen das Radfahren bislang zu gefährlich war im Leipziger Verkehr. Sie erwarten natürlich auch mehr Sicherheit auf sauber abgetrennten und ausgewiesenen Anlagen. Wo Leipzig im Jahr 2009 stand, ist auf Seite 19 nachzulesen: Nur 85 von 367 Kilometer Hauptstraßennetz waren beidseitig mit Radwegen bestückt, das waren ganze 23 Prozent. Und es ist das Hauptstraßennetz, das jetzt Stück für Stück mit solchen Radwegen oder Radfahrstreifen ausgestattet wird, um eine ganz normale Alltagsnutzung zu ermöglichen.

Die Broschüre benennt aber auch ein Problem, das noch nicht gelöst ist: den Winterdienst. Bislang werden im Winter Radwege und Radfahrstreifen nicht vom Schnee beräumt. Die Wege sind also über Monate nicht nutzbar. Da wagen sich dann natürlich nur noch die mutigsten Radfahrer in den Verkehr. Die Leipziger Stadtreinigung muss also noch ein echtes Winterdienstkonzept auch für die Radwege entwickeln.

Aber auch die Einbindung Leipzigs in übergeordnete touristische Routen wird thematisiert, die Verknüpfung mit dem ÖPNV, die Radwegweisung und die Abstellproblematik. Mit der 66-seitigen Broschüre liegt das ganze Visions-Papier jetzt zum Nachlesen und Nachblättern vor. Mit welchen Maßnahmen es dann tatsächlich untersetzt wird, wird in der jährlichen Haushaltsplanung entschieden. Das Heft ist nur die maßgebliche Planungsgrundlage dafür.

Bekommen kann man es in der Bürgerinformation des Stadtplanungsamtes im Neuen Rathaus, Zimmer 499.

www.leipzig.de/stadtplanung

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