Als Pädagoge zu träumen verbietet sich von selbst. Das habe ich nach sechs und einem halben Jahr im Klassenzimmer gelernt. Ich hätte es aber auch schon als Schüler wissen können, aber da ist die Sicht doch zu eingeschränkt, da hat man mit sich selbst zu tun. Was der oder die „da vorne“ erzählen, machen, fühlen, war doch meistens nicht so relevant wie Musik, Mädchen oder die (Fußball-)Meisterschaft.

Träume können sich daher nicht um bessere Schülerdisziplin drehen, denn auch der, dem man am wenigsten zutraut, irgendwelche Dummheiten zu machen, wird dann doch spätestens in der Pubertät haltlos. Aber das ist auch nicht schlimm. Schüler sind nicht da, um uns träumen zu lassen. Meine Träume drehen sich eher um diejenigen (Dinge), die das Lernen und die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen. Da wäre es schon mal gut, wenn Schüler zu Hause genügend Unterstützung erfahren würden.

Warum ist es im Jahr 2018 immer noch nicht überall angekommen, dass nicht jedes Kind „automatisch und wie von selbst“ sich organisieren kann, den Sinn von Schule von allein erkennt und vor allem eine führende Hand braucht?

„Ich habe mir fest vorgenommen, dieses Jahr bei … nicht mehr reinzureden. Sie muss sich jetzt selbst organisieren“, sagte mir einst eine Mutter im Elterngespräch. Ihre Tochter war gerade drei Monate in der fünften Klasse. „Dann sind ihre Hefter eben so, wie sie sind.“ Aber so funktioniert es nicht und jeder, der ehrlich zu sich ist, weiß auch, dass er nicht schon immer der war, der er jetzt ist und dass alle seine Fertigkeiten nicht vom Himmel gefallen sind. Sie zu erlernen bedarf Anleitung, Geduld und Durchhaltevermögen bei Kind und Erzieher.

Es ist wichtig, dass sich Eltern wenigstens eine halbe Stunde für ihre Kinder am Tag nehmen, mit ihm das Schulgeschehen zu reflektieren und kritisch zu prüfen, wie es sich seinen Schulalltag organisiert. „Das wird schon“ und „Das macht er/sie schon“ ist nicht bei Jugendlichen und Kindern. Es ist eine Hoffnung für diejenigen, die keine Lust haben.

Ich träume davon, dass Eltern wieder die Primärerfahrung bei ihren Kindern fördern und einfordern. Rausgehen, Himmel glotzen, toben, bewegen, Museum, Stadion, Theater, Kletterhalle: Es gibt doch wahrlich genug heutzutage, was man mit Kindern machen kann – solange man natürlich das nötige Kleingeld hat. Aber der Ausflug in den Park mit Picknick kostet kein Geld und auch nicht der Gedankenaustausch.

Wieso reden wir nicht mehr miteinander? Wieso halten so viele das Handy in der Hand, statt gemeinsam zu beobachten oder das Geschehene auszuwerten. Manchmal habe ich den Eindruck, YouTube ist der einzige „Kanal“ den Schüler zur Information haben.

Ich will nicht, dass Deutschland abends vor dem Fernseher sitzt und die Tagesschau einschaltet. Aber das gemeinsame Abendessen oder Frühstück gibt genügend Zeit, Jugendliche über Dinge zu informieren, sie in Gespräche zu verwickeln, sie zu Meinungen aufzufordern. Es ist der Gleichgültigkeit derzeit zuviel im Klassenzimmer.

Der Geschichtslehrer weiß, wovon er spricht. Eigene Meinung zu historischen Vorgängen? Schwierig. Aber wer keine eigene Meinung zu Themen entwickeln kann, ist Wahlvieh für seine späteren Schlächter. Sollen das unsere Kinder/Schüler werden?

Niemand sollte hier vergessen, dass Eltern viele Dinge am Tag zu tun haben, dass sie selbst bis spät arbeiten, um den Kindern einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen. „Ich habe gestern meine Eltern nicht mehr gesehen. Sie kamen erst als ich im Bett war“, habe ich auch schon gehört. Und auf die Frage, was der Schüler mal werden wollte: „Auf jeden Fall nicht so wie meine Eltern. Das ist mir zu stressig.“

Wenigstens hatte er eine Meinung, wenn auch keine konkrete Idee von der Zukunft. Und wenn ich noch einen Traum freihabe, dann träume ich davon, dass unsere Kinder/Schüler mehr Inspiration erfahren, was sie später mal mit ihrem Wissen machen können. Dann kommt die Motivation in der Schule auch von allein.

Zur Reihe „Wenn Leipziger träumen“: Wie schon im Jahr 2017 und manchen Jahren zuvor, sind sie wieder unter uns – die Leipziger Träumer. Mal visionär oder fragend, mal ganz nah bei sich haben Menschen ihre Wünsche und Träume frei von redaktionellem Eingriff unsererseits aufgeschrieben. Für die Stadt in der sie leben, für sich und für alle Leser der L-IZ.de und der Leipziger Zeitung. Ein unverstellter Blick auch auf die, die im Alltag oft eher leisere Stimmen als haben oder bekanntere Namen, die sich zur Abwechslung mal ganz persönlich äußern wollen.

Dabei ist es logisch, dass jeder der bereits 2017 und in den folgenden Tagen auf der L-IZ.de veröffentlichten Träumer durch Beruf, das persönliche Umfeld und eigene Erlebnisse verschiedene Ansätze bei der Beantwortung der Frage nach einem besseren Miteinander, wichtigen Vorhaben und einer gemeinsamen Zukunft in unserer Gesellschaft haben muss. Vor allem aber: viele voller Hoffnung auf ein besseres Miteinander in unserer Stadt.

Alle Träume, welche bereits veröffentlicht sind, finden Sie unter dem Tag l-iz.de/tag/traeume.

Wenn Leipziger träumen: Eine wahre solidarische Stadt

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