Wenn Susan Hastings weiter fleißig ist, könnte sie irgendwann mit einigem Stolz auf eine Reihe Bücher über eindrucksvolle Leipziger Persönlichkeiten verweisen. Mit "Blauer Staub" hat sie die außergewöhnliche Lebensgeschichte der Elisabeth Voigt beschrieben, mit "Der Wollhändler" das Leben des Maximilian Speck von Sternburg. Jetzt hat sie ein kurzweiliges Buch über den Leipziger Baulöwen Hieronymus Lotter vorgelegt.

Am 27. April hat das Buch ganz offiziell im Rittergutschloss Taucha Premiere. Das hat der umtriebige Händler, Bergwerksbesitzer, Baumeister und Bürgermeister zwar gerade nicht gebaut. Könnte aber sein, meint Verleger Dieter Nadolski, dass Wilhelm von Haugwitz, der seinerzeit das Tauchaer Schloss neu errichten ließ, auch den berühmten Lotter zu Rate zog. Was soll man machen, wenn man eine Buchpremiere in Taucha feiern möchte?

Tatsächlich verbinden sich noch namhafte Architekturdenkmale Sachsens mit dem erstaunlichen Lebenswerk des 1497 geborenen Nürnberger Kaufmannssohns, dessen Vater 1509 Sack, Pack und Familie auf einen Wagen lud und in die damals noch recht unsichere Markgrafschaft Meißen reiste. Weniger verlockt vom gewaltigen Berggeschrei, das im Erzgebirge Städte wie Annaberg, Schneeberg und Freiberg aus dem Boden schießen ließ, als von der geschäftstüchtigen Gewissheit, dass ein cleverer Kaufmann in so einem Pionierland gute Geschäfte würde machen können – mit Tuchen und Metallhandel zum Beispiel.Die Nase trog den klugen Nürnberger Michael Lotter nicht. Und deswegen mussten auch seine Söhne das Geschäft erlernen. Und Hieronymus kam 1522 genau deshalb nach Leipzig: Hier, wo die sächsischen Waren umgeschlagen wurden, sollte er die Geschäfte des Vaters übernehmen.

1531 heiratet er in der Thomaskirche die Tochter des angesehenen Leipzigers Hans Pauer, Katharina Pauer, wird so auch mit dem Kompagnon seines Vaters Heinrich Scherl verwandt, der ebenfalls zur wohlhabenden Leipziger Bürgerschaft gehört. 1533 wird Hieronymus selbst Bürger. Als Hausbesitzer ist er Nachbar des berühmten Heinrich Stromer aus Auerbach, in dessen Keller nicht nur Luther einkehrte, sondern wohl auch ein Doktor Faust. Das ist die Zeit, in der Hieronymus Lotter anfangs erfolgreich in die geschäftlichen Fußstapfen seines Vaters steigt. Das sicherte ihm sein Vermögen. Den Ruhm aber erarbeitete er sich erst spät.

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Möglich, dass auch seine insgesamt vier Häuser, die er zeitweilig in Leipzig besaß, heute zu den Kleinoden im Stadtbild gehören würden. Sie existieren alle nicht mehr. Was überdauert hat, sind einige der öffentlichen Bauten, die er als Bauherr ausführen ließ. Mal im Auftrag der Stadt, in deren Rat er ja selbst saß, teils im Auftrag der Fürsten, die ab 1547 sächsische Kurfürsten waren. Die beauftragten ihn ab 1551 mit dem Ausbau der Stadtbefestigung, die im Schmalkaldischen Krieg 1547 demoliert worden war. Eine Herkulesaufgabe, von der heute noch die Moritzbastei zeugt. Aber schon der Bau der Pleißenburg zeigte, dass ein Baumeister im Dienste des Fürsten mit Ärger rechnen musste – der Bau verzögerte sich, Baumängel machten dem Bauherrn zu schaffen. Der Fürst war sauer.

Musste er sich das antun? Kein reicher Bürger Sachsens versuchte mit derart viel Eifer, mit großen Bauwerken die Gunst des Fürsten zu erlangen. War Lotter ruhmsüchtig? – Einige Szenen, die Susan Hastings schildert, deuten darauf hin. Sie versucht, diese gewaltige Leipziger Renaissance-Gestalt auch in ihren Motiven zu verstehen. Denn es gehört garantiert auch im 16. Jahrhundert mehr als Diensteifer dazu, sich mit 70 Jahren von einem Fürsten in ein derart gewaltiges Bauprojekt wie die Augustusburg treiben zu lassen in dem fast naiven Glauben, Kurfürst August würde das teure Schloss tatsächlich aus seiner Schatulle bezahlen wollen oder können.

Am Ende musste Lotter alle seine Leipziger Häuser verkaufen, um wenigstens einen Teil seiner Schulden bezahlen zu können, und zog sich auf seinen Hof in Geyer zurück. Doch auch der Bergbau brachte ihm kein Glück mehr. War er vereinsamt? Wie tief traf ihn der Tod seiner Frau Katharina? – Susan Hastings versucht zumindest die vagen Spuren zu lesen, die sich überliefert haben. Auch in der Lutherzeit verlor sich die Spur der Frauen zumeist im Dunkel – sie waren die Walterinnen über Heim und Herd und Kinder. Das war – man weiß es ja von Katharina von Bora – eine anspruchsvolle Aufgabe.Und manchmal braucht eine Chronistin die Dinge auch nur nebeneinander zu stellen und man bekommt ein Bild davon, wie der 76-Jährige nach Katharinas Tod geradezu zum Getriebenen wird, wie er nicht nur versucht, dem geizigen August sein Renommier-Schloss auf dem Schellenberg fertigzubauen und aus seiner kärglichen Mine bei Geyer noch ein bisschen Ertrag zu holen, sondern auch in Leipzig weiter den großen Mann zu spielen. Er lässt sich noch einmal zum Bürgermeister wählen – oder bringt es einfach nicht fertig, nein zu sagen, als er in diesem für seine Zeit hohen Alter noch einmal gewählt wird. Obwohl er weiß, dass ihn die Schulden ersticken.

Wo andere Baulöwen an so einem Punkt nach Florida fliehen, lädt sich dieser Lotter noch ein Amt auf. Susan Hastings schreibt die Geschichte wirklich kurzweilig, sucht die schlüssigen Übergänge im Lebensstrang und bringt so richtig Fahrt in dieses Leben, das sich zuweilen wie das Leben eines Gehetzten liest, eines Mannes, der nicht loslassen kann, weil er sich nur in seinen Projekten bestätigt glaubt. Zeitweilig tanzt er auf einem halben Dutzend Baustellen gleichzeitig, so scheint es.

Schloss Augustusburg kann man heute noch besichtigen, auch der Lotterhof in Geyer ist – etwas desolat – erhalten, die Rathäuser in Pegau und Leipzig tragen seine Handschrift, von der einst von ihm gebauten Waage am Markt sind nur noch die Konturen zu sehen. Verschwunden ist die Pleißenburg, auf deren Fundamenten heute das Neue Rathaus steht. Dafür hängt sein Bildnis im Alten Rathaus, eine Dauerleihgabe der Stadt Pegau, die ihn als Baumeister des Pegauer Rathauses malen ließ. Ein Mann, der typisch ist für das reiche Leipziger Bürgertum in der Zeit der Reformation – reich geworden vor allem auch durch die Erzfunde in dem Gebirge, das erst später Erzgebirge heißen sollte.

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Hieronymus Lotter
Susan Hastings, Tauchaer Verlag 2012, 9,95 Euro

Eigentlich könnte längst auch ein dickes Buch über die Leipziger Renaissance geschrieben werden. Stoff gibt es genug, namhafte Stars ebenfalls, Umbrüche, Kriege und Wirren desgleichen. Immerhin wurde auch eins der Häuser Lotters im Schmalkaldischen Krieg niedergerissen, um Schussfreiheit vor den Stadtmauern zu bekommen. Aber vielleicht gibt’s einzelne dieser eindrucksvollen Renaissance-Gestalten auch wieder als kurzweiliges Buch aus dem Tauchaer Verlag. Berühmt genug sind sie ja.

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