Da dachte unsereiner die ganze Zeit, Dahlien seien so rustikale Pflanzen, dass sie schon seit Urzeiten zu einem richtigen Bauerngarten gehört haben müssen, denn ein Bauerngarten ohne Dahlien ist ja kein richtiger Bauerngarten, oder? Und dann klärt uns Gartenexpertin Heike Mohr hier fröhlich darüber auf, dass die Dahlie genauso wie Kartoffel und Tomate ein Neuankömmling aus Amerika ist.

Tatsächlich blühte die erste Dahlie in Europa erst 1790. Und so recht konnten die ersten Gärtner das blühende Gewächs auch noch nicht einordnen – sie versuchten die Hochgebirgspflanze im tropischen Gewächshaus zu züchten. Sie lernten aber bald, denn die Blume ist nicht nur pflegeleicht, wenn man weiß, was sie braucht. Sie eroberte auch mit ihrer Formenvielfalt bald die Gärten Europas. Ein Weilchen nur fuhr sie zweigleisig, wurde sie von den einen als Georgine bezeichnet, von den anderen – angeregt durch Carl von Linné – als Dahlie. Mit dem Namen hatte der große Klassifizierer seinen Schüler Andreas Dahl gewürdigt.

Aber so richtig los ging das Faszinosum wohl 1803, als Alexander von Humboldt jede Menge Dahliensamen aus Amerika mitbrachte. Es entstanden Schau- und Zuchtgärten. Denn fortan war die Dahlie beidseits des Großen Teiches ein Objekt der Züchter und Blumenliebhaber und sie kitzelten aus der anfangs durchaus noch bescheidenen Blume eine Vielfalt und Pracht heraus, die Heike Mohr regelrecht ins Schwärmen bringt.

So entstand natürlich auch ein Büchlein für Schwärmer, für all jene Menschen, die leuchtende Augen bekommen, wenn sie einen der großen Dahliengärten im Land besuchen. Und es gibt einige davon, nicht nur auf der Insel Mainau, sondern praktisch direkt vor der Haustür in Bad Köstritz, wo auch eine der ältesten deutschen Dahlienschulen zu Hause ist.

Wer die Welt der Dahlien noch nicht kennt, den führt Heike Mohr erst einmal in die heute existierende Vielfalt ein, von den einfachen Urformen, die den Ureinwohnern Amerikas als leuchtendes Symbol der Sonne galten, bis zu den heute 15 Dahlienklassen, mit denen die Züchter zumindest versuchen, die gezüchtete Vielfalt ein wenig überschaubar zu machen. In den USA soll es gar schon 29 verschiedene Klassen geben.

Das reicht von den einfachen Dahlien über Stern- und Halskrausendahlien bis zu Stellardahlien. Mittenmang die pfingstrosenähnlichen und die Pompondahlien, die in Bauerngärten so eine Pracht entfalten. Man lernt Goethe als Dahlienliebhaber kennen und Monet mit seinem herrlichen Garten voller Dahlien in Giverny. Über 50.000 verschiedene Dahlien soll es mittlerweile geben und augenscheinlich kommen jedes Jahr neue Züchtungen dazu. Und für jede Art Garten in Mitteleuropa gibt es augenscheinlich auch die Dahlie, die darin besonders schön aussieht.

Natürlich fehlt auch der Ratgeberteil nicht, in dem Heike Mohr erklärt, wann man sich die Dahlien besorgt, wie der Boden beschaffen sein muss, wie man die Knollen in die Erde bringt oder rausholt, um sie überwintern zu lassen, wie viel Wasser sie brauchen und welche Fressfeinde sie haben. Und sogar essen kann man die Schönen. Die Knollen sind laut Mohr echte Konkurrenz für Kartoffeln, aber auch die Blüten bieten Geschmackserlebnisse in lodernd bunten Salaten. Weshalb am Ende auch der Rezeptteil nicht fehlt.

Aber erst nach dem Abschnitt mit den Empfehlungen, wie man mit Dahlien das Wohnzimmer verschönern kann, barock oder herbstlich rustikal. Denn die Blume blüht ja tatsächlich bis in den Herbst, bis zum ersten Frost. Vielleicht hat unsereiner deshalb so stark das Bild vom Bauerngarten im Kopf, weil so ein Garten mit Dahlien auch noch im Herbst lodert und leuchtet und darüber hinwegtröstet, dass die Zeit der Gartenpracht bald vorbei ist. Da wünscht man sich natürlich eine Bank in genau diesem Garten, um noch einmal zuzuschauen, wie die Pracht den Garten füllt.

Und vorher macht man sich natürlich auf die Socken. Denn Heike Mohr gibt natürlich noch Tipps, wo man die größten und schönsten Dahlien-Schauen des Landes findet, da und dort verbunden mit prächtigen Dahlienumzügen. Aber die beigegebenen Fotos belegen eigentlich, dass Dahlien-Umzüge zwar bunt und neckisch aussehen, aber nicht an die lodernde Schönheit von Dahlien-Gärten heranreichen. Man kann nach Holland fahren, denn dort gehört auch die Dahlie zum beliebten Zuchtobjekt. Muss man aber nicht. Mit Erfurt, Gera und Bad Köstritz liegen drei empfehlenswerte Dahlien-Ziele praktisch vor unserer Haustür.

Und wer eh schon stolzer Dahlien-Gärtner ist, der wird mit dem Büchlein auch noch Lust bekommen, weitere Sorten kennenzulernen und in sein Gartenreich zu pflanzen. Bis alle Nachbarn neidisch über die Zäune schauen und wissen wollen, wie so eine Pracht entstehen kann.

Heike Mohr Bezaubernde Dahlien, Buchverlag für die Frau, Leipzig 2019, 5 Euro.

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