Es gibt viele Bildungsrankings, Wissenstest und Schulvergleiche, Seit dem 9. Oktober 2012 gibt es in Leipzig eine weitere Beschreibung des sächsischen Schulalltags. "Wie demokratisch ist meine Schule?" heißt der Film. Gemeinsam produziert von Elke Urban, Leiterin des hiesigen Schulmuseums, und Mirko Punken vom Landesfilmdienst Sachsen.

“Wir lernen hier, wie sich einer entschuldigt, ohne sein Gesicht zu verlieren.” Das sagte im letzten Juli 2012 ein damaliger Zweitklässler der Leipziger Lessing-Schule. Mittlerweile geht der Steppke gemeinsam mit seinen Mitschülern in die 3a der Grundschule im Leipziger Waldstraßenviertel.

Am 9. Oktober 2012 waren die Drittklässler Premierengäste. Ganz bewusst an dem Tag, an dem man in Leipzig über den Wert und die Voraussetzungen von Demokratie reflektiert, lief im Festsaal des Neuen Rathauses erstmals der Film “Wie demokratisch ist meine Schule?” Die Drittklässler sind dabei Premierengäste und Hauptdarsteller in einem.

“Wir lernen hier, wie sich einer entschuldigt, ohne sein Gesicht zu verlieren.” Dieser Satz ist einer der frühen und zentralen Botschaften des Films, den Elke Urban, Leiterin des hiesigen Schulmuseums, und Mirko Punken vom Landesfilmdienst Sachsen gemeinsam produziert haben.
Neben all den vielen, zumeist effizienzfixierten Diskussionsbeiträge zur Qualität unserer Schule stellt der Film eine wesentliche, weitere Perspektive. Denn schließlich lerne man ja für das Leben – diese antike Weisheit wird Schülern in diesen Breiten seit Generationen nahe gebracht.

Aber lernen Schüler in Sachsen wirklich für das Leben in der Demokratie? Und zwar nicht anhand von Lehrbuchweisheiten, sondern durch praktisches Erleben? Oder anders: Erleben Sachsens Schüler Schule heute so, dass das demokratische Versprechen unserer Verfassungsordnung auch in den Bildungsanstalten gilt?

Schulbesuch ist immerhin eine staatliche Pflichtveranstaltung, wie Roman Schulz in dem Film in Erinnerung ruft. Schulz ist Sprecher der hiesigen Filiale der Sächsischen Bildungsagentur, wie die staatliche Schulaufsicht heute heißt. Da kann, so Schulz, der Spaß mitunter auf der Strecke bleiben. Vor allem deshalb, weil hier immer mehr staatlicherseits geregelt sei, wie Schulz findet.
Damit nennt Schulz eine der möglichen Fallstricke moderner, rationaler Staatlichkeit. Die Regeln, die oft sogar in bester demokratischer, egalitärer und reformerischer Absicht gesetzt werden, engen die Gestaltungsoptionen der Bürger und Schüler eben auch ein. Schule müsse sich da wohl manchmal etwas zurücknehmen, sagt Schulz später in dem Film selbstreflexiv.

Ansätze zu einer Schulkultur, die mehr Demokratie wagt, werden in dem Film sichtbar. Eben jene fundamentale Erkenntnis des Lessing-Grundschülers, dass eine gleichberechtigtes und faires Miteinander nur möglich ist, wenn der Weg von Korrektur und Entschuldigung nicht verbaut ist. Fehler sind bekanntermaßen ebenso menschlich wie Versuch und Irrtum. Die eine etwaige Wahrheit kann es da nicht geben.

Das macht das urdemokratische Prinzip des Widerstreits der Meinungen und des Fortentwickeln von Erkenntnissen menschlich auch so sympathisch. Aber fürs Erste aber auch fordernder “Demokratie ist erst dann gegeben, wenn man kontroverse Themen öffentlich diskutiert”, formuliert es Gottfried Böhme, Lehrer am Evangelischen Schulzentrum Leipzig. “Wir brauchen Zeit, um mit den Schülerinnen und Schülern mehr in Diskussionen zu kommen, eine Kultur des Nachfragens einzuüben”, sieht Dr. Petra Trotte, Schulleiterin des hiesigen Reclamgymnasiums, als weiteres Erfordernis an.

Wenn man die Schüler nur machen lässt, werden sie eigentlich von selbst zu guten Kantianern, so die optimistische Botschaft des Films. “Sie hatten Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen”, erinnert Astrid Junk vom Leipziger Stadtschülerrat an die Schülerproteste aus dem Frühjahr 2012 gegen den Lehrermangel an Sachsens Schulen. Und das in den geflügelten Worten des großen Philosophen der Aufklärung aus dem ehemaligen Königsberg. Ganz dezentral seien die Aktionstage damals gelaufen, so Junk. Selbstverantwortung und Möglichkeit des individuellen Gestaltens sind also auch Voraussetzung für hörbaren kollektiven Protest.

Ein Protest, der übrigens erste Erfolge zeitigte. In Sachsen scheint die Lehrerplanung ja nun etwas bedarforientierter, denn rotstiftgetrieben zu sein. Solche Erfolgserlebnisse hält Georg Heyn, Ko-Sprecher des Stadtschülerrates, ebenso für wichtig für das Vertrauen in die Demokratie. Insgesamt sieben verschiedene Perspektiven zum demokratischen Gehalt unserer Schule führt der Film zusammen. Roman Schulz nannte gegenüber L-IZ.de den Streifen einen “tollen Film, sehr nachdenklich, sehr rund”. Der Film zeigt für Schulze “den Bogen, wo es täglich knistert”, wenn es um Demokratie in den Schulen geht.

“Der Film muss Diskussionen anstoßen, die bisher noch nicht geführt worden sind”, findet Filmemacherin Elke Urban nach der Premiere. Dabei setzt sie auf die Verbreitung des Films, auch über die Sächsische Bildungsagentur. Und auf Podiumsdiskussionen zur Thematik in den Abendstunden, an denen auch Eltern teilnehmen. Im Kultusministerium in Dresden soll man den Film dem Vernehmen nach am 9. Oktober auch schon geschaut haben.

www.schulmuseum-leipzig.de

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar