"Allem Selbstlob zum Trotz, das vom 'größten Einstellungsprogramm im Schulbereich' seit zwanzig Jahren spricht, bekommt die Kultusministerin den Mangel an Lehrkräften und Schulleitern in Sachsen nicht in den Griff. Was in den vergangenen Jahren verschlafen wurde, das rächt sich jetzt", erklärt die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Cornelia Falken. Sie hat mal wieder nachgefragt. Im Mai schon.

Die geplanten Einstellungen von 510 unbefristeten und 250 befristeten Pädagogen sichern den Bedarf an Lehrkräften im Schuljahr 2013/2014 keinesfalls ab, muss sie nach den ausgereichten Zahlen feststellen. Es scheiden mehr Lehrkräfte aus, als unbefristet eingestellt werden.

“Laut meiner Kleinen Anfrage vom 23. Mai (Drucksache 5/12038) sind im ersten Schulhalbjahr 2012/2013 547 Lehrkräfte aus dem Schuldienst ausgeschieden, zu denen im zweiten Halbjahr weitere 174 Lehrkräfte hinzukommen sollten. Das größte Einstellungsprogramm aller Zeiten ersetzt also gerade einmal die ausscheidenden Lehrkräfte. Dabei sind noch nicht einmal die Streichungen im Ergänzungsbereich und bei den Integrationsstunden an den Mittelschulen, pardon Oberschulen, berücksichtigt. Von den Klassenzusammenlegungen ganz zu schweigen”, so die Landtagsabgeordnete aus Leipzig.

Und nicht nur beim Fußvolk bleibt der Mangel bestehen. Auch in den Schulleitungen wird mit dem Ersatzreifen gefahren. Falken: “Und ähnlich traurig sieht es bei den Schulleitungen aus. Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 20.02.2013 (Drucksache 5/ 11120) geht hervor, wie groß das Schulleiter-Problem ist. So betreuen 20 Schulleiter gleich zwei Schulen, darunter große Einrichtungen wie Förderschulen oder Berufsschulzentren. 112 Schulen werden kommissarisch geleitet und 42 kommissarisch von stellvertretenden Schulleitern.”

Und Sachsens Kultusminister haben auch in den vergangenen Jahren nicht wirklich Lust gezeigt, die Schulen im Land wieder mit regulären Schulleitern zu besetzen.
“Unter den 112 kommissarisch geleiteten Schulen gibt es Schulleiter, die bis zu 8 Jahre amtieren”, stellt Falken fest. “In Chemnitz und Leipzig befinden sich die meisten kommissarisch geleiteten Schulen: 38 in Chemnitz und 24 in Leipzig. Insgesamt 132 Schulen werden im Freistaat Sachsen nicht von Schulleitern geleitet. 57 Schulleiter sind langzeitkrank oder abgeordnet, was bedeutet, dass diese Stellen nicht neu besetzt werden können. Es mag ja sein, dass die Zahl offener Schulleiterstellen zum Schuljahresbeginn reduziert werden konnte, dennoch ist das ein völlig unhaltbarer Zustand.”

In der Regionalstelle Leipzig bedeutet das das Ausscheiden von 105 Lehrkräften, dazu wohl bis Jahresende weiteren 38. Und die Statistik, die Brunhild Kurth auf Cornelia Falkens Anfrage hin zur Verfügung stellte, zeigt auch, dass man gerade die Belastungen des Berufes nicht wirklich mehr einkalkuliert. Pädagogen kündigen, werden krank, gehen in Altersteilzeit oder sterben auch mitten im Berufsleben. Die Statistik zeigt auch ein wenig, unter welchen Belastungen der Lehrkörper mittlerweile leidet.

Und da nicht einmal genug neue Pädagogen eingestellt wurden, um auch nur die Verluste im Jahr 2013 auszugleichen, wird der Druck auch im beginnenden Schuljahr nicht weichen.
Und so sind entsprechende Äußerungen des Direktors der Sächsischen Bildungsagentur, Béla Bélafi, vom 16. August, auch für die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Eva-Maria Stange, ein Offenbarungseid: “So steht schon jetzt fest, dass die eingestellten Lehrkräfte nicht reichen werden, um in den Grund- und Förderschulen wenigstens den verpflichtenden Unterricht mit Beginn des Schuljahres abzudecken. Hinzu kommt, dass viel zu wenig Lehrerstellen im Haushalt eingeplant sind, obwohl die Schülerzahlen erneut um mehr als 3.500 ansteigen werden.”

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag fordere seit längerem, die Einstellung von zusätzlich mindestens 500 Lehrern, um einerseits die steigende Schülerzahl ohne Qualitätseinbrüche zu bewältigen und andererseits den Generationswechsel in den Lehrerzimmern abzufedern.

“Stattdessen hat es in den letzten Wochen erneut vom Kultusministerium erzwungene Schulschließungen und Klassenzusammenlegungen – vor allem in den ländlichen Regionen Sachsens – gegeben, da Lehrer nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Erhöhter Unterrichtsausfall ist so vorprogrammiert, da zahlreiche Schulen auch im kommenden Schuljahr über keine ausreichende Vertretungsreserve verfügen”, schätzt Stange ein. “Zu Beginn des Schuljahres 2012/13 sprach Kultusministerin Kurth davon, dass die Lehrerversorgung ?auf Kante genäht? sei. Nun haben wir es laut Herrn Bélafi schon mit ?schmerzlichen Einschnitten? zu tun. Das Kultusministerium scheint nicht in der Lage zu sein, den kranken Patienten Schule zu heilen. Stattdessen verteilt man Beruhigungspillen und Trostpflaster. Die Staatsregierung zeigt damit in erschreckendem Ausmaß ihre Unfähigkeit und den politischen Unwillen, den anstehenden Generationswechsel bei gleichzeitigem Anstieg der Schülerzahlen zu meistern.”

Und auch Cornelia Falken sagt: “Auch im neuen Schuljahr ist der Unterricht ‘auf Kante genäht’ und Unterrichtsausfall vorprogrammiert. Selbst das Mobilisieren von letzten Reserven ersetzt keine nachhaltige Personalpolitik im Kultusbereich.”

Die Kleine Anfrage vom Mai, beantwortet am 18. Juni 2013:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12038&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

Die Kleine Anfrage zu den Schulleitungen vom Februar 2013:

https://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11120&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar