Sachsen und seine Lehrer: Ein abend- und zeitungsfüllendes Thema. Neueste Posse: Von 200 eingeplanten Vertretungslehrerstellen sind zurzeit nur 72 besetzt. Verwunderung beim Kultusministerium, ein schlichtes "der Lehrermarkt ist leergefegt" als Fazit. Klingt wie "zu unserer großen Überraschung". Ist die Erklärung so einfach? Ist sie nicht.

Das sogenannte Springer-Programm des Sächsischen Kultusministeriums kam für zahlreiche Referendare als Rettung in der Not. In den Schulferien machte die Runde, dass das Land gleich 200 sogenannte Springer einstellen will, die einer Stammschule zugeteilt werden und dann dort oder an einer Nachbarschule ausfallenden Unterricht vertreten. Den gibt es bekanntermaßen zuhauf. Hatte die Verlockung, dass auch leer ausgegangene Lehrer und Referendare, von denen es reichlich gibt (L-IZ.de berichtete), doch noch den Fuß in die (Bildungs-)Tür bekommen konnten.

Doch, wie ein Bericht der Leipziger Volkszeitung vom Dienstag, 1. Oktober darlegt: Nur 72 von 200 Stellen sind besetzt und im Ministerium fragt man sich verwundert, warum das so ist. Sprecher Dirk Reelfs gibt zu Protokoll: “Mit über tausend Einstellungen zum Schuljahresbeginn ist der Lehrermarkt leer gefegt. Zudem hält sich die Bereitschaft, in den ländlichen Raum zu gehen, in Grenzen”.
Letzteres mag stimmen, ersteres sollte Besorgnis erregen, denn immerhin haben sich im Sommer 361 Personen um eine Stelle an einem Gymnasium im Raum Leipzig beworben und nur 12 einen Job bekommen. Wo sind die restlichen 349? Die wahrscheinlichste Antwort: Dort, wo alle hingehen, die in Sachsen ausgebildet worden sind und hier keine Stelle bekommen haben: über alle Berge. Und weil das schon seit Jahren so ist und das Land sich beharrlich gegen ein Umdenken weigert, ist der Markt leergefegt. Offen sagen wird das sicher nie jemand.

So langsam rächt sich die Ignoranz des Kultus- und das Finanzministeriums, die mit immer neuen Programmen wie dem Unterrichtsversorgungsprogramm und nun dem Vertretungslehrerprogramm eine bröckelnde Mauer stabilisieren wollen, die seit Jahren hätte systematisch neu aufgebaut werden müssen.

Außerdem sollte doch auf der Hand liegen, dass auch die Arbeitsbedingungen der Springer bei hohen Anforderungen nicht ideal sind. Von einem Tag auf den nächsten zu erfahren, in welche Klasse man soll und diese bestenfalls noch nie gesehen zu haben, aber trotzdem aus dem Stegreif den notwendigen Stoff den Bedingungen angemessen vermitteln zu müssen, klingt eher nach demotivierendem Husch-Husch. Zudem geht es auch an der Nachbarschule, die nicht mal die Schulform haben muss, die man studiert hat, ganz schnell. “Sie machen heute mal Deutsch in der 1. Klasse.” Laut L-IZ.de-Informationen auch schon in diesem Schuljahr vorgekommen.

Ist das die Zukunft des sogenannten Bildungslandes Sachsen, dass Gymnasiallehrer, die Geschichte und GRW studiert haben, an Grundschulen Deutsch vertreten? Scheint so, wenn nicht endlich mal an die kommenden Jahrzehnte und nicht nur an das kommende halbe Jahr gedacht wird. Denn in vier Monaten entscheidet sich für viele Springer, ob sie bis Schuljahresende bleiben dürfen.

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