Wie zu erwarten war, stoßen die beabsichtigten Stellenstreichungen und Schließungen von Instituten an der Uni Leipzig vielerorts auf Ablehnung, Unverständnis und Empörung. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschul- und kulturpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag spricht von einem Supergau für die sächsische Hochschul- und Kulturlandschaft.

“Die Theaterwissenschaft in Leipzig hat eine herausgehobene Position in Ostdeutschland und kann momentan in vergleichbarer Form nur noch in Berlin studiert werden. Wenn das Fach gänzlich abstirbt, wird das weder einem Land wie Sachsen mit seiner reichen Theatertradition gerecht, noch der Verantwortung für eine Fortentwicklung der Theaterwissenschaft insgesamt. Die Forschungstätigkeiten können von einem eher berufspraktischen Studium an der Hochschule für Musik und Theater nicht ersetzt werden. Das Fehlen der Archäologie wird für das Denkmalwesen und die Museumslandschaft in Sachsen eine nicht zu schließende Lücke hinterlassen”, sagte Gerstenberg am Mittwoch.

Dabei betont er jedoch, dass man der Uni Leipzig kaum einen Vorwurf machen könne, da sie sich dem Spardiktat der Staatsregierung beugen müsse, so bliebe nur der Raubbau an der eigenen Substanz: “Trotz steigender Studierendenzahlen hält die Staatsregierung unbelehrbar an Stellenkürzungen fest, die vor über zehn Jahren unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen beschlossen worden sind. Daran ändern auch die sogenannten Überlaststellen wenig, denn diese sind nur auf wenige Jahre befristet.” Das Beispiel Leipzig zeige den Realitätsverlust und die Kurzsichtigkeit der schwarz-gelben Koalition.

Bei der Juso-Hochschulgruppe Leipzig spricht man von “Kürzungswahn” und “Raubbau”. Deren Sprecher Steven Letzner: “Was mit der Pharmazie und Onomastik begann, wird heute mit der Theaterwissenschaft und Klassischen Archäologie fortgesetzt. Das Rektorat vollzieht nunmehr den nächsten Schritt der Stellenkürzungen, nachdem es sich Ende letzten Jahres noch über Planungssicherheit freute. Dass diese Planungssicherheit jedoch nur weiteren Stellenabbau bedeutet, wurde gern verschwiegen.

Professor Gerhard Besier, Sprecher für Wissenschafts- und Hochschulpolitik der Fraktion Die Linke, erklärt zu der Kritik des StudentInnenrates der Uni: “Was hier zu Recht kritisiert wird, ist nichts anderes als die Umsetzung der im Dezember vorigen Jahres in einer Atmosphäre konstruierter Harmonie unterzeichneten sogenannten “Zuschussvereinbarung” zwischen SMWK und Hochschulen. In ihrem Selbstlob für die – im Vergleich zu den Hochschulrahmenverträgen anderer Bundesländer freilich recht kurze – Planungssicherheit, die damit zunächst geschaffen wird, hat die Staatsregierung nicht darauf hingewiesen, dass damit der Stellenabbau bis 2015 hochschulkonkret festgelegt wurde. Bis 2016 sollen insgesamt 288 Stellen wegfallen, wovon 205 bereits auf die Hochschulen verteilt wurden. Dabei ist die Universität Leipzig am stärksten betroffen, sie soll jährlich 24 Stellen abgeben. Insofern ist die “Zuschussvereinbarung” auch eine “Kürzungsvereinbarung”.

Er sieht den Charakter der sächsischen Volluniversitäten durch die Pläne der Staatsregierung in ihrem Charakter akut bedroht: “Das wird sich langfristig sehr negativ auf die sächsische Hochschullandschaft auswirken. Zwar entscheiden die Hochschulen selbst, welche Stellen sie streichen, allerdings tun sie das keineswegs freiwillig – sondern unter dem Druck einer chronischen Unterfinanzierung. Wenn die Staatsregierung diesbezüglich ihre Hände in Unschuld waschen will, ist das ebenso wenig glaubwürdig wie die von der Wissenschaftsministerin im Zusammenhang mit der “Zuschussvereinbarung” kolportierte Aussage, man schaffe eine “tragfähige finanzielle Grundlage, um die Einrichtungen für die kommenden Jahre gut auszustatten”.Holger Mann, Sprecher für Hochschule und Wissenschaft der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag kritisiert: “Nunmehr bekommen die nächsten Stellenkürzungen ein Gesicht und verdeutlichen: Der von Schwarz-Gelb verordnete Stellenabbau ist in Zeiten von Studierendenrekorden kontraproduktiv und hat ein Fächersterben zur Folge.

Nach der Pharmazie trifft es erneut zwei Bereiche, welche im Freistaat nur noch an der Universität Leipzig gelehrt werden. Von einer ?abgestimmten Fächerplanung?, wie im Hochschulentwicklungsplan angekündigt, kann kaum die Rede sein. Dieses Sterben von ?Orchideenfächern? wird von der Staatsregierung offensichtlich bewusst in Kauf genommen. Ministerpräsident Tillich scheint dabei egal, dass der gerade von ihm und Wissenschaftsministerin von Schorlemer verhandelte schwarz-rote Koalitionsvertrag im Bund eine Stärkung der Geistes-, Kultur- und Gesellschaftswissenschaften vorsieht.”

Die angekündigten Struktureinschnitte hinterließen im Antikenmuseum als auch im – gerade erst mit Steuermitteln an die Universität Leipzig eingegliederten – Tanzarchiv kaum noch nutzbare Forschungsinfrastruktur: “Hiermit konterkariert man zudem die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur aktiven Integration von Sammlungen in den Lehr- und Forschungsalltag. Der Universität wie auch der Stadt Leipzig gehen also im doppelten Sinne attraktive Kultur- und Studienangebote verloren.”

Von einem “Ausbluten” der Hochschulen und einem “Treppenwitz der Geschichte” spricht die Grüne Jugend Sachsen. Deren Sprecher Sebastian Walter meint: “Mit den erneuten Kürzungen setzt die schwarz-gelbe Koalition in Dresden ihr Spardiktat an den Hochschulen weiter fort. Es ist zu befürchten, dass Schwarz-Gelb mit ihren regelmäßigen Kürzungen ohne Not weitere wichtige Strukturen im universitären Bereich zerschlägt. Die Theaterwissenschaften sind in den ostdeutschen Bundesländern nur noch an der FU Berlin studierbar. Mit der Schließung der Archäologie in Leipzig kann das Fach nur noch außerhalb des Freistaates studiert werden. Mit den Streichungen des Landes wird die Vielfalt im Lehrangebot für Studierende kleiner. Damit kann der Anspruch der Alma Mater, Leipzig als Volluniversität im klassischen Sinn zu erhalten, immer schwerer erfüllt werden. Die klassische Unterfinanzierung der geisteswissenschaftlichen Studiengänge erreicht damit einen neuen Höhepunkt, der eine einseitige natur- und ingenieurwissenschaftliche Ausrichtung der Hochschulen in Sachsen politisch gewollt erscheinen lässt”.

Es sei geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, dass in Zeiten von Studierendenrekorden in Sachsen immer wieder der Rotstift an den Hochschulen des Landes angesetzt werde. Bildung als die wichtigste Ressource des 21. Jahrhunderts sei bei CDU und FDP ganz offensichtlich nur Nebensache: “Mehr Bildung und weniger Beton! Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Prioritäten im Landeshaushalt schnellstmöglich ändern. Dass es gerade die Hochschulen sein sollen, die nun ausbluten, obwohl gerade sie zur Attraktivität der sächsischen Großstädte für junge Menschen aus In- und Ausland maßgeblich beitragen, ist völlig kontraproduktiv.” Anstatt die Hochschulen zu fördern, die jedes Jahr tausende junge Menschen nach Sachsen locken, schlage man ihnen die Beine ab. Mit einer klug durchdachten und zukunftsweisenden Haushaltspolitik habe das alles nichts mehr zu tun.

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