Rund um den 1. Mai sind in Leipzig mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Armut, Krieg und Sexismus zu demonstrieren – und gegen Israel. Versammlungen der radikalen Linken erhielten teilweise großen Zulauf. In Leipzig wirkt diese dennoch so gespalten wie selten zuvor.

Den Anfang machte am Dienstagabend eine Demonstration unter dem Motto „Take Back the Night“ . Der Titel spielt darauf an, dass sich viele Frauen beziehungsweise FLINTA in der Dunkelheit unsicher fühlen. Ab dem frühen Abend versammelten sich mehrere hundert Personen auf dem Jahrtausendfeld in Plagwitz. Nach etwa zwei Stunden begann der Aufzug durch den Leipziger Westen mit etwa 500 Teilnehmer*innen.

Die Route führte unter anderem über die Karl-Heine-Straße, die Lützner Straße und den Lindenauer Markt. Zweimal stoppte die Polizei die Demo, weil Teilnehmer*innen vermummt gewesen sein sollen. Zudem flogen einige pyrotechnische Gegenstände aus dem Aufzug heraus, teilweise in Richtung der Polizist*innen.

„Grundsätzlich hatte diese Versammlung aber einen friedlichen Verlauf“, teilte die Polizei am Donnerstag mit. Gegen Ende wurden von mehreren Personen die Identitäten festgestellt. Zur genauen Anzahl der Maßnahmen machte die Polizei keine Angaben.

Weitere Demonstrationen folgten am „Tag der Arbeit“. Neben der üblichen DGB-Kundgebung auf dem Markt gab es eine Demo von Anarchist*innen, die um 14 Uhr auf dem Richard-Wagner-Platz startete, und eine von Kommunist*innen, die um 15 Uhr am Südplatz begann. Alle drei Versammlungen wurden laut Polizei von jeweils etwa 1.500 Menschen besucht. Die bei der Südplatz-Demo anwesenden LZ-Mitarbeiter schätzten die Teilnahmezahl dort etwas höher.

Solidarität mit den Palästinenser*innen beziehungsweise Kritik am „Völkermord“ durch Israel beziehungsweise an der deutschen Unterstützung durchzog sämtliche Reden. Auch den Demozug führte ein Block mit palästinensischen und kurdischen Fahnen an. In der Mitte und hinten folgten weitere Blöcke mit den für den 1. Mai klassischen roten Farben. Bei der Demo vom Richard-Wagner-Platz waren National- und Territorialflaggen explizit nicht erwünscht.

Dass am 1. Mai rote Gruppen in großer Zahl in Leipzig auf die Straße gehen, ist ein eher neues Phänomen und zeigt einen Wandel, der sich in den vergangenen Jahren in der linken Szene vollzogen hat.

Früher war es üblich, dass aus Leipzig massenhaft in kleinere Städte in der Umgebung mobilisiert wurde, um dort gegen Naziaufmärsche zu protestieren. So waren beispielsweise 2016 mindestens 250 Menschen von Leipzig nach Plauen gefahren, um eine Demo vom „3. Weg“ zu blockieren.

Entsprechende Aufrufe hatte es aber auch in diesem Jahr gegeben. Die Leipziger Gruppe „Prisma“ beispielsweise war zu einer antifaschistischen Demonstration nach Gera gefahren. Die kommunistische Gruppe „Kappa“, die vor einiger Zeit in einem Blogartikel den abnehmenden Protest gegen Neonazis am 1. Mai kritisiert hatte, warb für eine Fahrt nach Aue, wo die rechtsradikalen „Freien Sachsen“ demonstrieren wollten.

Auch die linke Stadträtin Juliane Nagel war nach Aue gereist. Auf Twitter bezeichnete sie die Südplatz-Demo als „reaktionär und anti-emanzipatorisch“. Diese lief ohne größere Vorkommnisse zum Rabet. Zwischendurch stoppte die Polizei den Aufzug, weil etwas Rauch gezündet und die umstrittene „From the river to the sea“-Parole skandiert wurde. Die Polizei bezeichnete diese als verfassungsfeindlich, manche Expert*innen kritisieren sie als antisemitisch.

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