Lange wurde gezerrt und gekämpft. Doch seit Dienstag, 27. Mai, steht nun fest, dass der Bund ab 1. Januar 2015 vollständig und auf Dauer die Finanzierung des BAföG übernimmt, das bisher zu 65 Prozent vom Bund und zu 35 Prozent von den Bundesländern finanziert wurde. Das BAföG soll zum Wintersemester 2016/2017 novelliert werden. Und während sich - von FDP bis Gewerkschaften die Forderungen artikuliert wurden, das frei werdende Geld solle nun auch den sächsischen Hochschulen zugute kommen, kündigte CDU-Mann Jens Michel schon mal an, dass seine Fraktion so gar nicht zu denken bereit ist.

Jens Michel ist haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und erklärte am Dienstag quasi aus der präsidialen Haltung einer Partei, die den Freistaat wie ein ererbtes Königreich regiert: “Ich bin fassungslos, wie überhastet sich einige Politiker in Sachsen um die erst vor wenigen Stunden vom Bund angekündigten Bafög-Millionen streiten. Wir sollten im Freistaat nicht in einem Wettbewerb der größten und besten Wunschliste treten. Vielmehr rate er bei der Diskussion um die Verwendung der zusätzlichen Mittel zur Zurückhaltung und Besonnenheit. Man sollte das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Das erwarte ich auch von Regierungsmitgliedern. Hinzu kommt, dass die Mittel ohnehin frühestens 2015 zur Verfügung stehen.”

Aber selbst die FDP, die seit 2009 mit der CDU regiert, hat sichtlich die Nase voll von dieser bräsigen “Wir-haben-kein-Geld”-Mentalität. Durch die künftige Übernahme der BaföG-Kosten durch den Bund werde Sachsens Haushalt um jährlich 85 Millionen Euro entlastet, hatte ja sogar die Staatsregierung mitgeteilt. Während Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer hofft, dass die freiwerdenden Mittel zum großen Teil den Hochschulen zugutekommen, will Bildungsministerin Brunhild Kurth, dass die Mittel in schulische Bildung und Kitas fließen, hieß es in Agenturberichten.

“Die freiwerdenden Mittel müssen komplett für die sächsischen Hochschulen eingesetzt werden”, forderte hingegen Nico Tippelt, hochschulpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag. “Die Prognosen der Staatsregierung zur Entwicklung der Studentenzahlen sind längst überholt; wir brauchen in der kommenden Wahlperiode eine Überprüfung des Hochschulentwicklungsplans 2020. Mit den zusätzlichen jährlich 85 Millionen Euro könnten die finanzielle Planungssicherheit für die Hochschulen verbessert und dort, wo es sinnvoll ist, Stellenkürzungen ausgesetzt werden. Die Mittel sollen also komplett dafür eingesetzt werden, die Qualität unserer Hochschulen weiter zu verbessern.”

Auch für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist der logische Schritt, das Geld in die Hochschulen zu stecken. Sie forderte die Staatsregierung auf, die beabsichtigten Kürzungen im Hochschulbereich nicht zu realisieren, den geplanten Abbau von mehr als 1.000 Stellen dauerhaft zurückzunehmen und die Grundbudgets der Hochschulen des Landes deutlich zu erhöhen. Damit könnte der Dauerstreit um die Kürzungen im Hochschulbereich ad acta gelegt werden.

“Wir erwarten, dass die Staatsregierung sich energisch für eine Entspannung der Befristungssituation für wissenschaftliches Personal einsetzt und dass kein Spardiktat die Hochschulen zur Schließung von Instituten zwingt”, erklärt Anne Voß, Landesfachbereichsleiterin ver.di. “Völlig inakzeptabel wäre es, wenn die Mittel nicht sachgerecht, sondern etwa zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet würden.”
Doch genau darauf deutet der Zwischenruf von CDU-Mann Jens Michel hin. Wobei es sich in Sachsen ja bekanntlich nicht um Haushaltslöcher handelt, sondern um gigantische Fonds und Rücklagen, die jedes Jahr mit neuen Millionen aufgefüllt werden – von der Pensionskasse, die in Sachsen “Zukunftsicherungsfonds” heißt – bis hin zu den Schadenssummen für die SLB-Folgen.

Dass dieser Mittelentzug die Zukunftsfähigkeit des Landes nachhaltig schädigt, scheint in der CDU-Fraktion nicht einmal einen Gedanken wert.

Das Land könnte von einer prosperierenden Hochschullandschaft und steigenden Studierendenzahlen profitieren, betont Anne Voß.

“Dass durch die Übernahme der BAföG-Kosten durch den Bund im Freistaat Sachsen ab 2015 ca. 85 Millionen Euro zusätzlich frei werden, nimmt der bisherigen Verweigerungshaltung der Staatsregierung jegliche Grundlage”, sagt auch Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. “Für uns steht fest: 45 Millionen Euro müssen den Hochschulen und den Studentenwerken zu Gute kommen, um bei der Hochschulfinanzierung dem Bundesdurchschnitt zumindest näher zu kommen. Die Studentenwerke werden damit spürbar in ihrer wichtigen Arbeit der Schaffung sozialer Rahmenbedingungen für ein Studium unterstützt. Die Zeit für Ausflüchte ist nun endgültig vorbei!”

Dass die Grünen einen Teil der Summe auch im Schulbereich sehen, hat direkt mit der parallel laufenden Sparwut im Schulbereich zu tun. Sachsens Regierung lässt alle drei wichtigen Bildungssegmente regelrecht verdorren: Hochschulen, Schulen und auch die frühkindliche Bildung in den Kindertagesstätten.

Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, dazu: “40 Millionen Euro sollten in die schulische Bildung fließen. Zum einen brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer, um die steigenden Schülerzahlen und die hohe Zahl an Altersabgängen auszugleichen. Zum anderen muss die Schulsozialarbeit endlich in ein Regelangebot überführt werden, ohne von immer neuen Projektmitteln und -fristen abhängig zu sein. Der Bund hat sich mit dem Jahreswechsel aus der Finanzierung zurückgezogen. Der Freistaat wartet lieber auf den Beginn der nächsten ESF-Förderperiode, anstatt selbst tätig zu werden. Jetzt ist die Chance da, ein eigenes Landesprogramm aufzulegen, wie es andere Bundesländer längst getan haben.”

Und für die Kindertagesstätten will der Bund ja auch mehr Geld bereitstellen.

Annekathrin Giegengack: “Die versprochene Kita-Milliarde verteilt sich auf vier Jahre und sechzehn Bundesländer. Wird sie nach geltendem Schlüssel verteilt, wird Sachsen nur ein sehr kleines Stück vom Kuchen bekommen. Der Bedarf an Kitaplätzen ist in Ostdeutschland, mit Ausnahme einiger Ballungszentren, weitgehend gedeckt. Von den für 2015 und 2016 veranschlagten Ausbau-Millionen wird Sachsen deshalb kaum profitieren. Die ostdeutschen Länder brauchen das Geld dagegen dringend für den qualitativen Ausbau. Dieser jedoch soll erst ab 2017 über Bundesmittel finanzierbar sein. Dabei könnte damit beispielsweise das Landesmodellprojekt ,Sprache fördern’ verstetigt werden.”

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