Es wird teuer für Madsack: Die Kündigung des geschassten Leipziger Volkszeitung-Chefredakteurs Bernd Hilder zum 31. Dezember 2011 ist unwirksam. Der bei der Wahl zum MDR-Intendanten Gescheiterte wird der Zeitung und ihrem Mutterkonzern weiter auf der Tasche liegen.

Seit dem vergangenen Dezember ist er schon freigestellt, das heißt, er arbeitet nicht, bekommt aber weiterhin sein Gehalt. Auch wohnt er angeblich noch in einer verlagseigenen Wohnung am Floßplatz. Und hat nun, nach dem Urteil des Leipziger Arbeitsgerichts, gute Chancen auf eine saftige Abfindung.

Für die Zuschauer bot der Prozess am 22. August 2012 einen Einblick in die großkopferte Verlagswelt: Alles begann mit Bernd Hilders Kandidatur für den Intendantenstuhl beim MDR. Darüber scheint er seinen Verlag anfangs im Nebel stehen gelassen zu haben. Angeblich erfuhren die Redakteure der LVZ auch nur über andere Medien von den Aufstiegsabsichten ihres Chefs. Das eigene Blatt hatte natürlich nicht berichtet. In eigener Sache informiert man schließlich nur ungern. Das scheint jedoch nicht über den Petersteinweg hinweg in die hinterste Online-Ecke gedrungen zu sein.

Denn von dort berichtete LVZ-Online doch, zumindest teilweise, während sich Frontal 21 und Co. schon warm liefen, um auf seltsame Vorgänge rings um die Kandidatenkür hinzuweisen. Doch selbst die wenigen Nachrichten zu diesem Thema gereichten sowohl der Zeitung als auch Madsack zur Unehre, wie der LVZ-Anwalt während der Verhandlung vor dem Leipziger Arbeitsgericht durchblicken ließ. Überhaupt scheint wirklich alles schlecht gewesen unter Hilder, die Stimmung in der Redaktion und ebenso das Blatt. So die heutige Lesart im Hause Madsack.

Dass er das Lokale vernachlässigt habe, daraus versuchte ihm gestern sein Arbeitgeber einen Strick zu drehen. Daran mag sogar das eine oder andere stimmen, doch nicht erst seit Bernd Hilder bauten in ganz Deutschland die Lokalzeitungen jahrelang die Lokalkompetenzen zurück. National war schick – Lokal was für Einsteiger.Dennoch ist wahrscheinlicher, dass Hilder nach seinem MDR-Debakel einfach nicht mehr tragbar war. Und den Großverlagen ist dieser Tage jeder Anlass recht, einen Kostenfaktor aus der Bilanz streichen zu können. Wahrscheinlicher ist also, dass Hilder sich sehr wohl um die ihm anvertraute Zeitung durchaus gekümmert hat. Denn wenig Lokales, nur Kritik üben anstatt aktiv ein Blatt zu machen, die schlechte Stimmung in der Redaktion – alles das wären durchaus Gründe gewesen, einen Chefredakteur abzumahnen. Nur hat der Madsackverlag dies nicht getan.

Weil Bernd Hilder die Direktiven “von oben” eigentlich ordentlich ausgeführt hat? Weil er genau das umgesetzt hat, was sowieso schon für das Leipziger Blatt geplant war und sich in einer Abwanderung großer Teile der Mantelredaktion gen Berlin vollzieht?

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Womöglich hat der Verlag einfach die Daumen gedrückt, dass Hilder Intendant und mit einem Sprossensprung gen MDR von sich aus verschwinden würde. In der Redaktion jedenfalls sollen die Sektkorken geknallt haben, als seine Nominierung bekannt wurde und er der letzte Kandidat im Rennen um den neuen Chefsessel war. Als die Wahlmänner enttäuschten, musste also eine andere Lösung her: Hilder sollte nach Brüssel wechseln, durch den Madsack Verlag in einer Pressemitteilung beschieden, so sein Anwalt beim Prozess am 22. August 2012.

Sein Mandant muss wohl aus den Nachrichten von seiner neuen Stelle erfahren haben. Die Kündigung für seinen Chefredakteurs-Job ging ihm jedenfalls erst später zu. Und Hilder hat auf Weiterbeschäftigung geklagt. Zwar hat er sich offenbar mit seinem Zug aufs MDR-Tor verspekuliert. Doch versteht er es offenbar, zumindest nun neue Torchancen zu nutzen. Eigentlich passen der Madsackverlag und Bernd Hilder ganz gut zusammen, man kennt sich ja auch schon lang seit den Tagen beim Madsack-eigenen “Göttinger Tageblatt”, von wo Hilder einst nach Leipzig ins größere Blatt wechselte. Sie scheinen einander auch zu verdienen. Eigentlich folgerichtig, dass sie nun, gerichtlich verfügt, noch eine Weile miteinander auskommen müssen.

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