Der 1. Weltkrieg hat es sogar in den Fundus des Leipziger Bildermuseums geschafft. Am 4. September wird das auch erstmals in einer eigenen Ausstellung zu sehen sein: "Atelier Schützengraben". Obwohl die drei Leipziger Künstler, die es im Frühjahr 1915 ausgerechnet in die Schützengräben vor Ypern verschlagen hat, diesen Ort ganz bestimmt nicht als Atelier bezeichnet hätten.

In “Atelier Schützengraben” werden erstmals die Künstler Max Beckmann, Hans Alexander Müller und Alfred Frank gemeinsam ausgestellt. Beckmann, in Leipzig geboren, zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der Klassischen Moderne. Müller und Frank, vor Ausbruch des 1. Weltkrieges Studenten an der Leipziger Kunstakademie, repräsentieren wichtige Positionen in der Kulturgeschichte der Stadt nach 1918. Ihre biographische Gemeinsamkeit basiert auf einer bislang unbekannten historischen Erkenntnis: Beckmann, Müller und Frank haben das Kriegsgeschehen zur selben Zeit und nahezu am selben Ort künstlerisch dokumentiert, und zwar an der Flandernfront bei Ypern im Jahr 1915. In jener Schlacht, die als 2. Flandernschlacht in die Geschichtsbücher einging – und als das Ereignis, zu dem zum ersten Mal in großem Maßstab Giftgas eingesetzt wurde.

Frank und Müller waren mit jenem Kontingent junger Künstler in den Krieg gezogen, die sich an der damaligen Leipziger Kunstakademie gleich mit Kriegsausbruch freiwillig zur Armee gemeldet hatten. Das betraf damals zwei Drittel der Studierenden an der Kunstakademie, von denen ein Großteil in den Schützengräben elend verreckte und damit – wie Projektleiter Dr. Marcus Andrew Hurttig betont – auch niemals ein Oeuvre hinterließ.Dass Müller, Frank und auch Max Beckmann, der als Sanitätsfreiwilliger im Lazarett diente, die Kriegserlebnisse auch in ihr Kunstschaffen einfließen ließen, weist ihnen auch wichtige Positionen in der Kunst der 1920er Jahre zu.

Trotzdem ist es ein für Kuratoren einmaliger Umstand, Arbeiten von drei Künstlern aus einer Stadt zu besitzen, die dasselbe Kriegsereignis praktisch alle im selben Konfliktpunkt des Krieges erlebten. Durchaus unterschiedlich, wenn man ihre Bilder betrachtet. Denn die Frage, die sich ihnen stellte, war ja eine durchaus neue: Wie stellt man so ein Ereignis des industriellen Mordens künstlerisch dar? Sind die erlernten künstlerischen Mittel überhaupt geeignet dafür?Mit weit über 100 Kriegszeichnungen und Druckgrafiken besitzt das Museum der bildenden Künste Leipzig einen einzigartig reichen Bilderschatz, um zu veranschaulichen, wie unterschiedlich die drei Künstler auf das Kriegsgeschehen reagiert haben. Der gezeichnete Blick aus dem Schützengraben von Beckmann, Müller und Frank wird mit dem Blick der Kriegsphotographie, Luftaufklärung und Feldpostkarte kontrastiert.

Der Besucher der Ausstellung wird also das, was die drei jungen Männer in dieser Schlacht erlebten, mit den Dokumenten der Zeit vergleichen können. Von Beckmann, der als Pazifist in den Krieg zog und 1915 sogar einen Nervenzusammenbruch erlebte, gibt es außerdem eine Kriegsveröffentlichung in der er Stellung bezog: “Briefe im Kriege”.

Die Ausstellung “Atelier Schützengraben” mit Zeichnungen von Max Beckmann, Hans Alexander Müller und Alfred Frank wird im Museum der bildenden Künste vom 4. September bis 9. November zu sehen sein.

www.mdbk.de

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