Nicht nur die Leipziger Internet Zeitung merkte mit jedem neuen Bericht des Sächsischen Verfassungsschutzes, dass da etwas nicht stimmen konnte. Seitenweise wurde über die Demonstration echter oder vermeintlicher "Linker" schwadroniert, mit Zahlen geholzt, die nichts zur Sache taten. Aber der Rechtsextremismus kam nur als Randblüte vor. Rechtsterroristische Strukturen konnte der Sächsische Verfassungsschutz nicht entdecken.

Oder sollte nicht. Das ist ja genauso ungeklärt wie die Funktion des Sächsischen Verfassungsschutzes bei der Erhellung des “Sachsensumpfes”. Kein Papier, das aus diesem Haus an die Öffentlichkeit kommt, ist nicht zurechtzensiert und durch mehrere Entscheidungsfilter gegangen. Der Bericht war über die Jahre stets ein politisches Instrument, keine ernst zu nehmende amtliche Berichterstattung.

Daran hat auch das Erschrecken im November 2011 nichts geändert, als mit dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu ersten Mal der Gipfel eines Netzwerkes sichtbar wurde, das über 13 Jahre reibungslos funktionierte, obwohl V-Männer des Verfassungsschutzes in diesem Netzwerk genauso auftauchten wie V-Männer diverser Polizeibehörden.

Am 24. November 2013 verkündete nun zwar Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) einen “Philosophiewechsel” beim Sächsischen Verfassungsschutz und die Beachtung von Regeln, die eine Projektgruppe im Innenministerium unter der Leitung von Staatssekretär Dr. Michael Wilhelm erarbeitet hat, aber ob diese innere Strukturreform des Sächsischen VS das Grundproblem beseitigt, ist noch offen.

Auch weil die Strukturprobleme des Amtes für Verfassungsschutz, die erst zu diesem grundsätzlichen Nicht-Wahrnahmen der Strukturen rund um den NSU führten, öffentlich noch gar nicht aufgearbeitet sind.Ein wenig Aufklärungsarbeit in dieser Beziehung will das Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (FKR) leisten.

Das Forum für kritische Rechtsextremismusforschung (FKR) ist eine Arbeitsgruppe des Leipziger Vereins “Engagierte Wissenschaft”. Es besteht seit 2005 und agiert als Schnittstelle für die wissenschaftliche und praktische Arbeit im Themenfeld Neonazismus/Rassismus. Die kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Deutungsmuster “Extremismus” ist dabei zentral. Die Mitglieder des FKR studieren, arbeiten und forschen an verschiedenen Instituten der Universitäten Leipzig und Frankfurt am Main und/oder in zivilgesellschaftlichen Verbänden.

Im Herbst 2013 rief es zur Finanzierung einer kritischen Ausstellung über den Verfassungsschutz via Crowdfunding auf, die bis zum 9. Dezember lief. Das angepeilte Spendenziel von 5.000 Euro wurde dabei schon vorfristig erreicht. 123 Unterstützer haben insgesamt 5.429 Euro für das Projekt des Vereins Engagierte Wissenschaft e.V. aus Leipzig gespendet.

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Unter dem Titel “Versagen mit System” kann das FKR nun eine Wanderausstellung zur Skandal-Geschichte des deutschen Inlandsgeheimdienstes “Verfassungsschutz” (VS) erstellen. Mit der Ausstellung will das FKR insbesondere dem seit dem Auffliegen des NSU-Trios vor zwei Jahren stetig ausgeweiteten “Engagement” der VS-Behörden im Bereich der politischen und schulischen Bildungsarbeit entgegenwirken. Sie richtet sich deshalb an alle politisch Interessierten, vor allem an Lehrer_innen, Sozialpädagog_innen und Politiker_innen.

Nach der Fertigstellung im Frühjahr 2014 soll die Ausstellung an verschiedenen Orten Deutschlands gezeigt werden. Zudem steht sie lokalen Initiativen zur Ausleihe zur Verfügung.

Zum Erfolg der seit Herbst laufenden Spendenkampagne erklärt Gregor Wiedemann vom FKR: “Die große Unterstützung für unser Projekt ist Ausdruck einer selbstbewussten Zivilgesellschaft, die für den Schutz der Demokratie in erster Linie die Bürger_innen selbst zuständig sieht und nicht einen außer Kontrolle geratenen Geheimdienst.”

Den unmittelbaren Anstoß für das Vorhaben lieferte die Multimedia-Ausstellung “In guter Verfassung” des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, die Ende 2012 auf Einladung des Kriminalpräventiven Rats der Stadt Leipzig im Rathaus der Messestadt gezeigt wurde. Damals erklärte das FKR bei einer Podiumsdiskussion zum Thema “Geheimdienst und Bildungsarbeit”, an der auch der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes Gordian Meyer-Plath teilnahm, warum es mit diesem darüber nichts zu diskutieren gibt: “Wir sind jedoch der festen Überzeugung: Schon mit der Erfüllung seiner ureigensten Aufgabe, dem Schutz der Demokratie, vollends überfordert, hat der ?Verfassungsschutz’ seine Überflüssigkeit zur Genüge unter Beweis gestellt. Wir wollen ihm nicht noch die Chance geben, als Bildungsdienstleister zu versagen.”

Informationen zum Ausstellungsprojekt “Versagen mit System”: www.startnext.de/vs-ausstellung

www.engagiertewissenschaft.de/fkr

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