Das Charmante an der mittlerweile schon zur Kulturinstitution gewordenen 24-Stunden-Ausstellung ist, dass sich die Macher nicht ins Licht drängeln, dass Kunst Platz und Wertigkeit gegeben wird. Und dass die Kunst eben auch für sich selber sprechen soll. Ohne das übliche Große-Namen-Geschmurgel. Deshalb traf Volly Tanner zwar mit Karsten Wendt einen der Organisatoren, dieser jedoch wollte nicht aufs Bild. Muss er ja auch nicht. Zählt doch, was gesagt wird über den Tag der Tage, den Samstag, den 12. April.

Hallo Karsten Wendt. Schön, sich mit Dir mal über die legendäre “24-Stunden-Ausstellung” zu unterhalten. Wo – heuer zum 16ten Male – Kunst Raum bekommt. Und dann nicht im Leipziger Westen, sondern in der Hermann-Liebmann-Straße 88. Wie kommt’s? Hier im Westen ist das Volk doch mittlerweile kunstgewöhnt – sucht ihr die Herausforderung?

Wir sind der Gentrification-Service! Nun – die 24-Stunden-Ausstellung war auch mehrmals im Zentrum-Süd und in der Südvorstadt. Aber richtig, der östlichste Punkt war bisher die Hans-Poeche-Straße mit “Sieben” im Jahr 2001.

Unsere “West”-Versuche von Bahnhof Plagwitz bis Westplatz der letzten Jahre sind leider aus verschiedenen Gründen gescheitert. Und über diesen Ort im Osten reden wir schon seit mehr als zwei Jahren. Wer also Vorschläge für den Ort der nächsten Ausstellung hat – gerne! Ich glaube ein interessiertes Publikum stört sich nicht an Stadtteilgrenzen. Manche der Künstler kommen auch über Bundeslandgrenzen oder z.B. aus der Schweiz.

Was, muss man sich vorstellen, habt Ihr in petto? Worauf können sich Interessierte sowie Zufallsbegeher freuen?

Wir haben über 50 Teilnehmer, die ein leerstehendes Gründerzeit-Wohnhaus fast komplett “bespielen”. Schon die Location ist einen Blick wert und sollte denkmalgeschützt sein ob ihrer Tapeten und PVC-Beläge. Wann sonst hat Mensch Gelegenheit, ein Haus von innen anzuschauen, aus dem die letzten Bewohner vor rund zehn Jahren ausgezogen sind. In allen Räumen gibt es dann die unterschiedlichsten Werke zu erleben – Fotografie, Malerei, Installation und in diesem Jahr besonders viele audiovisuelle Performances.
Eure Veranstaltung beginnt 00:00 Uhr. Einfach mal aus dem Erfahrungskästchen geplaudert: wer steht denn um diese Uhrzeit schon Gewehr bei Fuß um Kultur zu genießen. Das Partyvolk ist doch 00:00 Uhr schon platt und das Bildungsbürgertum schlummert den familiären Schlaf.

Diese 24 Stunden von 00:00 bis 24:00 haben Tradition, die wir immer so belassen haben. Und es ist der Samstag! Der Start ist ja Freitag – Nacht. Es kommen in der Nacht ganz andere Flaneure, ab Vormittag dann auch Eltern mit Kindern und am Nachmittag mit Café und Kuchen geht das dann ganz langsam wieder in ein abendliches Kulturbegängnis über. Ich finde diese Mischung von Betrachtern unterschiedlichen Alters und Interessen eine der reizvollen Seiten der 24-Stunden-Ausstellung – so auch bei den beteiligten Künstlern.

Solch eine Veranstaltung organisiert ja nicht ein Karsten alleine. Dazu brauchts ja Helferleins und Helferlinen. Erzähl mal bitte: wer hilft, wer unterstützt – und brauchts noch ein paar Hände in letzter Sekunde?

Du hast völlig Recht. So etwas kann keiner allein organisieren. Und das würde auch keinen Spaß machen. Die 24-Stunden-Ausstellung ist ja ein reines No-Budget-Projekt. Die Arbeitsgemeinschaft zur Organisation dieser Ausstellung besteht aus insgesamt sechs Menschen die alle höflich und unauffällig im Hintergrund wirken. Viele sind schon seit Jahren dabei, aber es gibt auch eine natürliche Fluktuation der Mitmacher. Manche gehen in die “Medienstädte” Berlin, Hamburg, Baden-Baden – andere kamen von Berlin nach Leipzig. Ich würde mich über weitere Mitmacher freuen – evtl. auch für die nächste 24-Stunden-Ausstellung.

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Das aktuelle Thema ist: Der optimale Schnitt! Nun hoffen wir alle, dass nicht nur kunstchirurgische Eingriffe am Denkansatz gewollt sind, sondern auch Überraschendes. Was brachte Euch zu: Der optimale Schnitt?

Das letzte Brainstorming! Es gab subtile holistische Denkansätze, aber wir mussten dann abwägen, aussortieren und uns letztendlich für EINEN Titel entscheiden. Für manche war es der Schnitt, nach all den Ausstellungen im Leipziger Westen in den Osten zu wechseln, für andere die Feststellung, dass es rund um die Hermann-Liebmann-Straße so viele Friseursalons gibt…

Der Titel hat die Funktion, Beliebigkeit zu vermeiden, aber den Künstlern auch möglichst viel Freiheit zu lassen, damit es eine interessante 24-Stunden-Ausstellung wird. In den letzten Jahren waren das Titel wie “ECHTE KOPIE”, //HAB/SELIG/KEIT//, “KUNST IST KEIN SPASS”, “Phantome” usw… Wer will kann ja alle 16 auf unserer Website unter Historie nachlesen …

Die Ausstellungsbesucher werden überrascht sein, wie viele verschiedene Sichtweisen es auf das Thema “optimaler Schnitt” gibt.

Gibt es einen Ablaufplan? Irgendwelche Nebenaktionen während des ganzen Tages? Nur für die, die nicht die ganzen 24 Stunden Zeit haben – wann gibt’s was?

Es wird – neben der zweidimensionalen Kunst, Installationen usw. verschiedene Performances geben, die über die gesamten 24 Stunden laufen. Im Laden in der Nummer 86 gibt um ca. 16:30 den im Osten gedrehten Dokfilm “Die Liebe zum Schrott und andere Leidenschaften” – 19:00 Uhr die Performance “Fibonaccis Friseur kehrt zurück” und dann noch das Abendüberaschungsprogramm.

Danke, Karsten – und ich wünsche Euch offene Herzen und Hirne.

Danke, Volly. Das wünsche ich natürlich auch allen Ausstellungsbesuchern! Kommst Du auch zum Schauen?

Hier geht’s zur 16. 24-Stunden-Ausstellung “Optimaler Schnitt” im Netz
www.24-stunden-ausstellung.de/optimalerSchnitt

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