Steve McQueen (44) erregte 2008 mit "Hunger", einem Drama über den Hungerstreik inhaftierter IRA-Kämpfer, internationales Aufsehen. Nach dem mittelmäßigen Sex-Drama "Shame" (2011) widmete sich der britische Videokünstler der amerikanischen Geschichte. "Twelve Years a Slave" erzählt die Geschichte von Solomon Northup. Der freie Afro-Amerikaner, ein begnadeter Violinist, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von New York nach Georgia verschleppt und versklavt.

Der Alptraum beginnt mit einem Bluff. Unter dem Vorwand, in einem Zirkus auftreten zu sollen, locken zwei Ganoven Northup (Chiwetel Ejiofor) nach Washington. In der Hauptstadt machen sie ihn mit viel Alkohol gefügig. Am nächsten Morgen wacht der Musiker angekettet in einem Verlies auf. Ein Sklavenschiff bringt ihn illegalerweise nach Georgia, wo er auf dem Markt verkauft wird. Unter menschenunwürdigen Bedingungen muss er zwölf Jahre lang für verschiedene Herren harte Feldarbeiten verrichten. Der grausame Farmer Edwin Epps (Michael Fassbender) macht ihm das Leben zur Hölle. Erst als Northup auf den Sklaverei-Gegner Brass (Brad Pitt) trifft, erfährt sein Leben eine dramatische Wendung.

Unter der gleißenden Sonne Georgias inszeniert McQueen, selbst afrikanischer Abstammung, eine intensive Studie über die Sklaverei in den frühen Vereinigten Staaten. Der Regisseur führt dem Zuschauer die oft grausamen Arbeitsbedingungen auf den Plantagen vor Augen. Die brutalen, drakonischen Strafen, mit denen weiße Herren willkürlich Lappalien und vermeintliche Vergehen, aber auch die in ihren Augen unzureichenden Leistungen ihrer dunkelhäutigen Arbeiter zu ahnden wussten. Den Menschenhandel, der ganze Familien entzweite. Und natürlich die Selbstverständlichkeit, mit der weiße Grundbesitzer ihre Sklaven wie Tiere behandelten.
Die Legitimation für die konsequente Missachtung von Menschenrechten verleiht ihnen ihre Interpretation der Bibel, aus der McQueen Sklavenhalter wie Sklaven gleichermaßen rezitieren lässt. Die Gottesdienste, die die Gutsherren mehrfach im Film vor ihren dunkelhäutigen Dienern abhalten, erwecken bisweilen den Eindruck von Gehirnwäschen.

Das Martyrium Northups wird für den Zuschauer zu einem zweistündigen Leidenstrip. Schaut man seinem Darsteller, Chiwetel Ejiofor (36), beim Ausgepeitschtwerden in die Augen, hält man den Schmerz für echt. Die großflächigen Narben auf seinem Rücken besorgen dem Publikum ein leichtes Unwohlsein in der Magengegend. Die Empathie, die man für das Sklaverei-Opfer empfindet, wird von dem Ekel und der Scham übertüncht, die man beim Anblick des Sklavenhalters Epps verspürt. Michael Fassbender (36) spielt den Baumwollfarmer als Inkarnation des Teufels, der in Gestalt eines skrupellosen Sadisten auf die Erde gekommen ist. Das sorgt für Gänsehaut.

McQueen zeichnet ein schonungsloses Bild des Sklavenalltags. Ohne jede Romantisierung entlarvt der Filmemacher in erschütternden Aufnahmen die Sklaverei, für deren Fortbestand die Südstaaten 1861 den amerikanischen Bürgerkrieg entfesselten, als Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Wenngleich die Sklaverei heute in vielen Ländern unter Strafe gestellt ist, ist “Twelve Years a Slave” von aktueller Relevanz. Zwar werden in Mitteleuropa keine Feldarbeiter als Sklaven oder Zwangsarbeiter mehr missbraucht. Die Zwangsprostitution, für viele Menschenrechtsorganisationen eine moderne Spielart von Sklaverei, ist aber ein weit verbreitetes Phänomen, das vielfach nur unzureichend bekämpft wird.

Das Kinderhilfswerk “Terres des hommes” veröffentlichte 2006 Zahlen, wonach über 12 Millionen Menschen, alle Opfer von Menschenhandel und Zwangsarbeit, als Sklaven betrachtet werden müssten. Die Vereinten Nationen bestätigten später diese Angaben. Vor diesem Hintergrund muss McQueens Film als Mahnung betrachtet werden. Als ein flammendes Plädoyer an uns alle gegen die Ausbeutung der Arbeitskraft ohne Freiwilligkeit und angemessene Bezahlung.

Solomon Northups Martyrium endete übrigens nach zwölf Jahren. Seine Entführer und Peiniger wurden nie rechtlich belangt.

USA 2013, R: Steve McQueen , D: Chiwetel Ejiofor, Michael Fassbender, Benedict Cumberbatch, Paul Dano, Brad Pitt, Paul Giamatti, Lupita Nyongo, 135 min, FSK 12.

Filmstart ist der 16. Januar, zu sehen im CineStar und der Schauburg.

Die Seite zum Film:
www.12yearsaslave.de

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