Rouen steht eigentlich für das düsterste Kapitel im Leben Jeanne d'Arcs. Aber vielleicht ist es gerade das, was den Panorama-Künstler Yadegar Asisis reizt, dessen großes Panorama "Leipzig 1813 - In den Wirren der Völkerschlacht" ab dem heutigen Samstag, 3. August, in Leipzig zu sehen ist. 2015 - wenn alles läuft, wie geplant - wird er in der französischen Hafenstadt ein neues Panorama-Bild enthüllen können: "Rouen in der Epoche Jeanne d'Arcs".

Zur Eröffnung von “Leipzig 1813” hatte er einen Besucher zu Gast, der seine Panoramen seit 2012 schon fünfmal besucht hat: Frédéric Sanchez, Président de Communauté d’agglomération de Rouen Elbeuf Austreberthe (CREA). Er ist sozusagen der Chef einer Agglomeration rund um die Hafenstadt Rouen, nicht zu verwechseln mit der Präfektur Haute-Normandie, deren Hauptstadt Rouen ist. Eine Art Regionalmanager also, der beim Besuch des Pergamon-Museums und des damals noch zu sehenden Pergamon-Panoramas von Yadegar Asisi im September 2012 in Berlin auf die Idee kam, man könnte den nun seit zehn Jahren erfolgreichen Panoramen-Künstler auch in die Normandie holen und mit ihm sozusagen den Siegeszug der modernen Panorama-Bilder in Frankreich starten.

“Paris liegt quasi gleich vor der Haustür”, sagte Sanchez am Freitag, 2. August, bei seinem Gastauftritt in Leipzig. Er kennt auch schon das Rom-Panorama von Asisi und das Amazonien-Bild. Und das barocke Dresden kennt er auch. Denn das, was er am Freitag, 2. August, den Leipziger Journalisten verriet, verriet er auch schon am 16. Mai den Dresdner und den mitgereisten Journalisten aus der Normandie: Auch Rouen wird ein Panometer bekommen.

Gebaut wird es als Rotunde am rechten Seine-Kai in Verlängerung der Avenue Pasteur. Und da man in Frankreich ist und es um Kultur geht, geht alles etwas flotter. Schon 2014 soll die 28 Meter hohe und 34 Meter durchmessende Rotunde stehen und nacheinander die ersten beiden Asisi-Panoramen zeigen: “Rom 312” und “Amazonien”. Als Vorgeschmack auf 2015, wenn die alte Hauptstadt der Normandie ihr ganz eigenes Panorama-Bild bekommt: “Rouen in der Epoche Jeanne d’Arcs”. Das war auch für Rouen eine besondere Zeit. Denn im Verlauf des Hundertjährigen Krieges (1337 – 1453) gelang es dem englischen König Heinrich V. im Jahr 1419, Rouen zu erobern.Eigentlich hatte Jeanne d’Arcs Leben mit Rouen nichts zu tun. Geboren wurde sie in Lothringen. Ihre erfolgreichsten Kämpfe schlug sie an der Loire. Ihre Versuche, auch gegen Paris marschieren zu dürfen, wurden von den Beratern des Königs immer wieder vereitelt. Am Ende verlor sie, nach einem erfolglosen Vorstoß gegen Paris, die Gunst des Königs, wurde von den Burgundern gefangen genommen und von diesen an den Herzog von Bedford, der Rouen besetzt hielt, verkauft. Der organisierte einen Schauprozess gegen Jeanne, der mit ihrem Tod auf dem Scheiterhaufen auf dem Marktplatz von Rouen am 30. Mai 1431 endete.

Ob Asisi nun ausgerechnet diese Szene zeigen wird? Wohl eher nicht. Aber reizen wird ihn natürlich eine mittelalterliche Stadt mit ihren Mauern, Türmen, ihren Hafengebäuden, der belebten Seine und natürlich der berühmten Kathedrale von Rouen, die ein gewisser Claude Monet in dutzenden Beleuchtungen gemalt hat. Maupassant und Flaubert nimmt Sanchez auch noch für Rouen in Anspruch. Für Frédéric Sanchez ist es eine Chance, nicht nur Rouen ein neues kulturelles Schmuckstück und womöglich dieselben beeindruckenden Besucherzahlen wie in Leipzig, Dresden und Berlin zu verschaffen. Er sieht den Einzugsbereich für so eine Attraktion bis nach Paris. “Das ist ja nicht so weit entfernt”, sagt er.

Und man könne mit diesem Anfang in Rouen das Panorama auch in Frankreich wieder populär machen. Und damit vielleicht auch in ganz Europa.Eine Vision, die Asisi schon seit zwei Jahren mit sich trägt. Damals hat er mit zwei Partnern die Asisi Panorama International (API) gegründet. Mit ihr will er das Panorama international wieder salonfähig machen, sozusagen dem nun seit zehn Jahren in Deutschland anhaltenden Erfolg noch eins drauf setzen. Aber auch austesten, wie weit er gehen kann: Kann sich das Panorama nach 100 Jahren der Abwesenheit wieder im Kunstbetrieb etablieren? “Oder müssen wir die Idee nach weiteren zehn Jahren doch wieder begraben?”, so Asisi.

Er glaubt selbst nicht daran. Aber er weiß auch, wieviel Arbeit in jedem einzelnen Bild steckt. “Ohne Motivation geht da gar nichts”, sagt er. “Da kann die Idee noch so gut sein. Wenn wir nicht motiviert sind, kommen wir eines Tages an den Punkt, an dem wir nur noch beschließen können, die Sache sein zu lassen.”

Aber er weiß auch, dass er den Menschen des 21. Jahrhunderts etwas geschenkt hat, was sie anderswo nicht mehr finden: einen Ort der Ruhe, der Besinnung, des Schauens und des Sich-Zeit-Lassens. “Manche Leute bleiben drei, fünf Stunden und schauen einfach. Ich glaube, das ist in einer Zeit, wo alles immer schneller und schnelllebiger wird, etwas Besonderes”, sagt der Künstler. Der seine Panoramabilder natürlich spickt mit Details.

Das weiß auch Frédéric Sanchez zu würdigen: die wissenschaftliche Genauigkeit der Bilder, die spürbare Emotion, die von jedem Bild ausgeht, und den tiefen Humanismus Asisis, der ebenfalls in seinen Arbeiten sichtbar wird.

Und so sind Asisis Panoramen auch Antworten auf die schrille Kinoproduktion unserer Tage. Sie sind eine Art Anti-Kino – ohne die hektischen Szenenwechsel, ohne die auf Action getrimmte Handlung, ohne die oberflächlichen Konfliktlösungen. Lieber lässt er Fragen offen, überlässt den Besuchern, ihre Antworten zu finden. Akribisch zusammengestellte Ausstellungen begleiten seine Panoramen, die weitere Hintergrundinformationen bieten. Bei “Leipzig 1813” wird es die Bürgerstadt Leipzig des Jahres 1813 sein, die man in einer farbenfrohen Ausstellung sieht.

Der Besucher macht quasi eine Zeitreise, ohne dass ihm ein großer Lehrer vorher (oder hinterher) erklärt, was er (oder sie) zu sehen hat. Das Authentische ist Asisi wichtiger, ein möglichst genaues Bild für den historischen Moment, den er ausgewählt hat. Dafür sucht er sich auch jedes Mal wissenschaftliche Berater, die – wie Helmut Börner bei “Leipzig 1813” – auch noch “auf den letzten Jackenknopf” achten. Und er lenkt den Blick so, dass der Betrachter merkt, was Asisi wichtig war.

Im Fall von “Leipzig 1813” eben nicht die Schlacht, sondern die wie durch Zufall in dieses militärische Chaos geworfene Stadt. Und damit es keiner übersieht, hat er sich selbst in einen der aufgebrochenen Giebel am Thomaskirchhof gesetzt: als Beobachter und Zeit-Zeuge in Person des historisch belegten Leipziger Zeichners Christian Gottfried Heinrich Geißler.

Asisi Panorama International: www.asisi-panorama.com

“76actu” berichtet über Asisis Pläne in Rouen: www.76actu.fr/rouen-veut-soffrir-une-rotonde-de-28-metres_36404/

Wikipedia zu Jeanne d’Arc: http://de.wikipedia.org/wiki/Jeanne_d%E2%80%99Arc

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