Es wird keinen Festumzug geben und auch keine zweibändige Hochschulgeschichte. Gefeiert wird trotzdem, wenn auch Vieles noch in Arbeit ist. Am Mittwoch, 11. Dezember, gab die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) einen Einblick in das, was sie im Jahr ihres 250. Geburtstages so alles vor hat. Auch wenn sie im Lauf der 250 Jahre mehrfach ihren Namen und auch ihre Inhalte änderte.

Am Anfang stand eine kurfürstliche Weisung, die die Errichtung von drei Mahlerey-, Zeichnungs- und Architekturakademien in Sachsen zum Inhalt hatte: in Dresden, Meißen und Leipzig. Dresden und Leipzig existieren bis heute und sind, wie es Dr. Ralf F. Hartmann, Prorektor für Forschung und Hochschulentwicklung an der HGB Leipzig, nennt, heute “schöne Schwestern”. Die sich auch vertragen. Was in der Vergangenheit nicht immer so war. Aber da sie nun beide das selbe Geburtsdatum haben, können sie Manches auch zusammen feiern. Zum Beispiel im Sommer eine Gemeinschaftsausstellung im Sächsischen Landtag. Was bitter Not tut. Denn wenn man die letzten Entscheidungen der Regierungskoalition zu Hochschulen im allgemeinen und künstlerischen Hochschulen im besonderen verfolgt hat, dann ist ziemlich deutlich, dass dieser Landtag nicht wirklich viel weiß über die Hochschulausbildung und ihre Bedingungen in Sachsen. Über die künstlerische schon gar nicht.

Klare Aussage der Rektorin Ana Dimke: Die sächsischen Kunsthochschulen ringen nach wie vor um eine solide Finanzausstattung für die nächsten Jahre. Die Staatsregierung könne nicht wirklich erwarten, dass die professionelle Ausbildung durch immer mehr Geld aus der privaten Wirtschaft abgesichert werde.

Höchste Zeit also, auch mal im Landtag zu zeigen, auf welch hohem professionellen Niveau in Leipzig und Dresden ausgebildet wird.

Eine Schaubühne für die hohe und hektische Politik hat die Leipziger HGB auch in Berlin schon aufgetan: in der Ständigen Vertretung des Freistaats Sachsen. Dort waren 2013 erstmals Arbeiten aus der Klasse Grafik und Malerei zu sehen. Im Jubiläumsjahr, so kündigt Hartmann an, der für die Organisation des Jubiläumsjahrs zuständig ist, werden die Fotografen in Berlin zeigen, was sie können.

Auch der Termin für den großen Festakt im Gebäude an der Wächterstraße steht fest. Es ist natürlich der 6. Februar, der Tag, an dem einst die Gründung der Leipziger Akademie beurkundet wurde. “Tillich kommt”, sagt HGB-Rektorin Prof. Dr. Ana Dimke. “Burkhard Jung hat auch schon zugesagt.” Was drumherum geschieht, ist noch in Arbeit. Dass es was Künstlerisches sein wird, dessen ist sich Hartmann sicher, der den Reigen der Veranstaltungen und Ausstellungen und Symposien am Mittwoch zelebrierte wie ein Schaulaufen. Immer wieder mit der verwunderten Anmerkung, dass eigentlich noch nichts fertig sei und die beteiligten Künstler erst jetzt so langsam , mit zunehmendem Druck des Jubiläums, Energie und Kreativität entfalten. Aber das wird wohl noch.

Relativ klar ist schon der Ausstellungsreigen umrissen. Was es nicht geben wird: die große 250-Jahre-Ausstellung. Vielleicht wird es Mancher bedauern. Und zwar genauso wie den fehlenden Band zur Hochschulgeschichte. Nicht jede künstlerische Idee ist eine gute Idee. In mehreren Journalen wolle man zumindest auch die Geschichte aufgreifen, kündigt Julia Blume an.Zusammen mit Prof. Katrin von Maltzahn hat sie schon die erste Ausstellung zum Jubiläumsjahr kuratiert, die am Mittwoch, 11. November, in der Galerie der HGB eröffnet wurde. “Imaginäres Museum” heißt sie und ist eigentlich die erste von drei geplanten Ausstellungen, die sich mit der Idee des einst von André Malraux als Buch veröffentlichten “Musée imaginaire” (1953-55) beschäftigen. Womit man eigentlich schon mittendrin ist im schillernden Selbstverständnis der heutigen HGB, die sich schon lange nicht mehr nur als eine gewerbliche Akademie zur Ausbildung von Malern, Grafikern und Buchgestaltern versteht. Fotografie und Medienkunst bildet man längst ebenso erfolgreich aus. Auch dazu soll es extra Ausstellungen geben, die zeigen sollen, wie erfolgreich Absolventen der HGB mittlerweile international agieren.

Man könnte ja auch mal zeigen, wie moderne Kunstausbildung funktioniert, dachten sich die HGB-Leute. Also gibt es ab dem 7. Februar in der Kunsthalle Sparkasse erstmals eine Ausstellung, die heutige Professoren und Schüler im künstlerischen Dialog zeigt. Die Besucher können also im direkten Vergleich sehen, was so draus wird.

Was draus geworden ist, soll dann eine von drei großen Ausstellungen zeigen, die die HGB zusammen mit dem Museum der bilden Künste zeigt. “Kunst Schule Leipzig” nennt sie Hans-Werner Schmidt, Direktor des von den Leipzigern weiterhin gern Bildermuseum genannten Hauses. Ihn hat frappiert, dass ab den 1950er Jahren ganze Künstlergenerationen augenscheinlich ihr ganzes Leben an der HGB zubrachten – erst als Student, dann als Assistent, Lehrer und Professor – mancher auch noch als Rektor. “Wir haben dazu einen gewaltigen Fundus”, sagt Schmidt. “Das ist deutschlandweit einmalig.” Wohl auch so einmalig wie die Zeit, die an der HGB von den Tübkes, Mattheuers und ihren Schülern und deren Schülern bis hin zu Neo Rauch geprägt war. Das kommt nicht wieder, könnte man sagen. Ist aber dann in der großen Bilderschau im Bildermuseum noch einmal zu sehen.

Vielleicht nicht wirklich die genialste Idee. Denn wo bleibt da die ganze Vorgeschichte – Oeser, Goethe, Tischbein? Das soll wohl dann als eine Art Appendix auch gezeigt werden. Es hätte eigentlich in der ersten Schau mit unterkommen sollen, die die HGB “Herz, Reiz und Gefühl” nennt und damit einen Brief des Leipziger Jura- und Zeichenstudenten Goethe an seinen Zeichenlehrer Oeser zitiert. Aber in dieser Ausstellung sollen eher die modernen Kunstrichtungen von Installation, Medienkunst und Konzeptkunst bis zu Installation und Foto, wie sie in den letzten 20 Jahren an der HGB heimisch wurden, Herz und Gefühl der Leipziger erreichen. Ein Widerspruch? Oder nur ein Eingeständnis, dass sie es bisher nicht geschafft haben?

Überhaupt scheint über dem ganzen Jubiläumsjahr so ein Zweifel zu schweben, dass das, was an der HGB vermittelt wird, den Leipzigern in irgendeiner Art wichtig ist. Außer eben Malerei und Zeichnerei und Buchkunst, auf die sie so stolz sind.Die dritte gemeinsame Ausstellung von HGB und Bildermuseum könnte freilich für eine Menge Aufmerksamkeit sorgen. Auch dazu hat Hans-Werner Schmidt in den großen Fundus des Museums geschaut. Gefunden hat er: drei Leipziger Künstler (zwei davon als direkte Absolventen der Hochschule, die damals noch Königliche Kunstakademie hieß), die es 1914 aus dem Atelier direkt in den Morast des 1. Weltkrieges verschlug. Eine Zahl dazu ist deutlich genug: Von 250 Akademieschülern meldeten sich im Kriegstaumel 1914 gleich 134 freiwillig an die Front. “Und die meisten wurden sofort in der Materialschlacht von Ypern eingesetzt”, sagt Schmidt. Und verheizt.

Künstlerisch erzählen von dieser erlebten Katastrophe konnten natürlich nur jene, die überlebt haben. Dazu gehören Hans Alexander Müller und der später von den Nationalsozialisten ermordete Alfred Frank. Sie werden mit ihren Bildern aus dem Morast des Krieges genauso zu sehen sein wie der junge Max Beckmann, der freilich nicht an der Akademie studierte. Diese Schau wird also auch den 100. Jahrestag des Ausbruchs des 1. Weltkriegs würdigen – mit beklemmenden und verstörenden Bildern von dreien, die diesen Krieg direkt im Schlamm der Schützengräben oder – wie Beckmann im Lazarett erlebten.

Der Ausstellungsreigen zum 250. Jubiläum der HGB freilich beginnt nicht erst am 6. Februar. Eigentlich hat er schon begonnen. Am gestrigen Mittwoch, 11. Dezember, mit der Eröffnung der Ausstellung “Imaginäres Museum” in der Galerie der HGB. Es ist – die große Unsicherheit im Selbstbild der HGB wurde ja angesprochen – eine künstlerische Auseinandersetzung der Studierenden mit dem gewaltigen Sammlungsfundus der Universität Leipzig. Es geht auch direkt um Malraux und seine kühne Behauptung, in Zeiten moderner Kunstreproduktionen brauche man ja gar nicht mehr in die Museen der Welt reisen – man könne sich zu Hause bequem ein bebildertes eigenes Museum schaffen. Das war 1947 und dann zehn Jahre später zur Buchveröffentlichung heiß diskutiert. “Und mit den modernen Medien ist es wieder ein heiß diskutiertes Thema”, sagt Katrin von Maltzahn.

Deswegen ist auch die Ausstellung eher eine Diskussion, in der sich Studierende verschiedener Klassen der HGB mit den alten Sammlungsstücken beschäftigen, mit Ausstellungsweisen, Auswahlmöglichkeiten und der heutigen Aneignung antiker Themen. Es sieht recht rustikal aus, aber nicht imaginär, auch wenn man ohne das in der Galerie auffindbare Faltblatt nicht wirklich versteht, worum es geht. Eine Frage, die augenscheinlich allerlei Lehrer und Schüler an der heutigen HGB umtreibt. Denn ein Museum aufbauen kann jeder – aber wie schafft man es, dass die Besucher auch erkennen, worum es geht? Ersetzt Technologie die Vermittlung der Zusammenhänge? Werden die – eigentlich eher zufällig ausgewählten – Fundstücke durch die künstlerische Reflexion in einen verständlichen Zusammenhang gestellt?

Gute Frage. Zwei weitere solcher Aneignungen sollen folgen: Vom 10. April bis zum 4. Mai 2014 folgen künstlerische Interventionen im Ägyptischen Museum und in der Antikensammlung in Leipzig.

Und der Rest wird dann im Lauf des Jahres, das die HGB bewusst mit “Über 250 Jahre” überschrieben hat (als Vorgriff schon mal auf die nächsten 250) entweder en detail auf der L-IZ zu lesen sein. Oder hier:

www.hgb-leipzig.de

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