Wer glaubt, hier würden zwei Leipziger Kunstschaffende ein neues Werk produzieren, der irrt. Das neue Buch "Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung" scheint nur bedingt in der Hand von Christian von Aster und Schwarwel zu liegen. Herr Alptraum persönlich bestimmt wo es langgeht und scheint kein gnädiger Despot zu sein. Auch die Entscheidung das Buch über Crowdfounding zu finanzieren, traf er und die beiden folgten. Weshalb sie nun um Vorauskasse bitten, denn sonst wird es keine neuen Geschichten über Wahn und Sinn geben. Zeit sich mit den beiden mal ausgiebig über das Innenleben in der Alptraumfabrik zu unterhalten.

Am 7. Juni erscheint Euer neues gemeinsames Buch “Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung” – der Nachfolge-Band von “Herr Alptraum und die Segnungen des Fortschritts”. Inwiefern knüpft dieses an das 1. Buch an?

Chr. v. Aster: Die Wonnen der Umerziehung sind eine logische, inhaltliche und personelle Fortführung der Geschichte des ersten Buches und beleuchtet das weitere Leben von Herrn Alptraum, seiner Frau Insomnia und ihrem Sohn.

Schwarwel: “Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.” Getreu diesem Motto aus Kurt Tucholskys “Danach” ertrinkt auch “Herr Alptraum und die Segnungen des Fortschritts” am Schluss in versöhnlichen Bildern, alle sind glücklich, sogar der tote Hund “Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung” setzt ein paar Jahre später ein. Herr Alptraum hat sein Albtraumgeschäft weiter industrialisiert, Beruf und Familie werden routiniert abgearbeitet, Ehefrau Insomnia sitzt derweil auf der Couchgarnitur und gönnt sich ein Schlückchen oder zwei … nur der Junior will nicht so recht ins Raster passen, da ihn die Welt von Albtraum und Schrecken so gar nicht interessiert.

Herr von Aster hat das Kapitel herausgesucht, in dem junge Eltern endlich die Initiative ergreifen, weil sie nicht mehr tatenlos zusehen können, wie ihr Spross ziellos im Strudel falscher Einflüsse zu versinken droht. In den meisten Fällen hilft da nur noch ein Bootcamp, um die Brut wieder auf Linie zu bekommen. Im Falle von Familie Alptraum heißt das natürlich, dass der Junior ins “Bootcamp des Bösen” verschickt wird, damit er unter den Gebrüdern Irrsinn und Wahn den wahren Schrecken erlernen kann.

Bootcamp-Party? Was erwartet die Gäste am 7. Juni im Werk 2?

Chr. v. Aster: Ein Bootcamp ist im weitesten Sinne am ehesten ein auf Erziehung ausgelegtes Zeltlager. Besagte Party wird vom Bootcamp des Bösen der Gebrüder Irrsinn und Wahn gesponsert, das auch im Buch eine nicht unbedeutende Rolle spielt, so dass die Bootcamp-Party den Besucher mit der nötigen Strenge qualifiziert zu garstifizieren trachtet.

Schwarwel: Anlässlich der Buchpremiere von “Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung” haben wir die Gebrüder Irrsinn und Wahn eingeladen, unseren Gästen exemplarisch ein paar ihrer Bootcamp-Praktiken nahezubringen, damit diese vielleicht genau wie Herr und Frau Alptraum die richtige Entscheidung treffen, ihre derzeitigen oder zukünftigen Kinder ins “Bootcamp des Bösen” zu verschicken, statt ohnmächtig danebenzustehen, während die Aufwachsenden in Sportvereine eintreten, sich für die Umwelt engagieren oder – Herr Alptraum verhüte! – Vegetarier werden!

Wir werden auch zugegen sein, um beim Ausfüllen der Bewerbungsunterlagen behilflich zu sein, sollte sich der eine oder andere Gast spontan dazu entschließen, als Bootcamp-Helfer anheuern zu wollen. Die Einstellungskriterien sind allerdings nicht ganz ohne. Das Ganze findet in passendem Ambiente statt, denn an diesem (WGT-)Wochenende ist auch die inzwischen traditionelle Ausstellung von Incestum und Schwarwel in der Katakombe zu bewundern: “Soulstrip” ist in diesem Jahr das Thema. Man schlägt also mehrere Fliegen mit einer Klappe, wenn man Tiere töten mag.

Es ist jetzt bereits Eure 4. gemeinsame Alptraum-Arbeit. Fast schon eine Kreativ-Ehe, wie habt Ihr Euch kennengelernt?

Chr. v. Aster: Naja, nach dem gemeinsamen Kennenlernen am Fließband in der Alptraumfabrik ergab sich das alles sehr schnell. Und während wir einander eingedenk dieser Zeit gern auch mal ein Alpträumchen sind, ergehen wir uns doch zugleich in inspiriert disziplinierter Professionalität. Zunächst ersinne ich eine Geschichte, dann ningelt Schwarwel an Einzelheiten herum, illustriert hernach das Ganze, woraufhin wiederum ich ningele.

Das Ganze durchläuft verschiedene Stadien, zwischendurch unterhalten wir uns aber natürlich auch über Dinge, die nur im weitesten Sinne mit dem Buch zu tun haben. Dann bekommt Herr Alptraum das Skript, droht mit seinen Anwälten und wir fangen noch mal von vorne an. Genaugenommen ist dies nämlich schon das siebte Alptraumbuch. Nur die anderen durften wir nicht machen.

Schwarwel: Das ist Krieg. Und Krieg ist die Hölle. Da treffen Künstler-Egos aufeinander, hochrote Köpfe platzen aus Krägen, Türen werden zugeschlagen, Freundschaften aufgekündigt, Arbeitsessen abgesagt, e-mails ignoriert, Vorschläge zerredet, Korrekturen vom Tisch gewischt … Herr Alptraum hat jede Menge zu tun, um da die Wogen so weit zu glätten, dass sein Buch auch fristgerecht in der Druckerei abgeliefert wird. Und dass das ein Buch von Herrn Alptraum ist, macht er uns als schriftstellerischen und illustratorischen Zuarbeitern und Dienstleistern ziemlich deutlich: Bis zur Buchpremiere haben wir prophylaktisch ein erhöhtes Albtraumaufkommen bei verringerter Schlafdauer verordnet bekommen.
Wie habt Ihr die Figuren “Herr Alptraum”, “Insomnia” und “Alptraum Junior” sowie die Inhalte von Buch und Film kreiert?

Chr. v. Aster: Die Frage ist ein wenig problematisch, deutet ein Begriff wie ?kreiert’ darauf hin, dass wir irgendetwas hätten erschaffen müssen. Der korrekte Terminus ist ?interpretiert’, haben wir uns doch im Falle der Familie Alptraum an weitgehend wirklichen Begebenheiten sowie realen Figuren orientiert, die wir so natürlich und wahrheitsgemäß wie möglich abzubilden gehalten waren. Schon der Anwälte wegen. Man darf nicht vergessen, dass es hier ja auch um ein riesiges Traditionsunternehmen geht, das einen gewissen Ruf und einen überaus sensiblen Vorstand hat. Und darum musste ich Herrn Alptraum auch erst einmal um Erlaubnis fragen, bevor er mir eingefallen ist.

Schwarwel: Herr Aster hatte für “Herr Alptraum und die Segnungen des Fortschritts” ein paar erste Entwürfe von Herrn Alptraum und Insomnia gemacht, die ich dann soweit überarbeitet habe, dass ich sie stets aus dem Effeff zeichnen kann. Da wir beide ebenso wie Herr Alptraum selbst die Dekorationen von Tim Burton, expressionistische 20er-Jahre-Gruselstreifen und Steampunk-Mechanik mögen, war schnell klar, dass sich Herr Alptraum auch in einer solchen Welt bewegen muss, in der alles alt, rostig, gebraucht und umständlich-funktionell aussieht. Die Maschinen und Apparaturen sind alle so entworfen, dass sie funktionieren könnten, wenn man sie in unserer Realität nachbaut – was eine große Hilfe für Andy Fischer war, der für den Trickfilm ja genau das in den Stop-Motion-Sequenzen getan hat.

In “Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung” bauen wir die Welt einfach konsequent weiter aus, da sich die Leser ja im ersten Buch und im Trickfilm bereits eingelebt haben. Ich finde es immer ganz schrecklich, wenn in Serien plötzlich eine 180-Grad-Wendung stattfindet und alles anders aussieht als es sollte.

Wieso habt ihr Euch für das 2. Buch für Crowdfunding entschieden?

Chr. v. Aster: Vor allem weil Herr Alptraum sich gegen alle anderen Finanzierungsoptionen entschieden hat.

Schwarwel: Sowohl Herr von Aster als auch ich haben schon Crowdfunding-Erfahrungen gemacht – und zwar sehr gute. Herr von Aster hatte bspw. im letzten Jahr seinen Film “Die Schlimmsten der Trolle” erfolgreich überfinanziert und gleiches passierte Glücklicher Montag, Schweinevogel und mir mit unserem “Total-O-Rama 2”-Buch. Die Leute haben beim Crowdfunding die freie Wahl, ob sie etwas von Anfang an unterstützen und mitverfolgen, was sie nachher real erhalten und sich ansehen können. Das ist in meinen Augen eine großartige Variante, wie man vom Konsumenten zum Mitproduzenten werden kann – also von einem Marketingziel zum mündigen Bürger.

Von uns als Impulsgeber und Hersteller verlangt das, dass wir uns wirklich attraktive Sachen zusätzlich zu dem ausdenken, was wir ohnehin schon als genial ansehen und deshalb gerne in die Welt bringen wollen. Wenn so ein Crowdfunding nicht hinhauen sollte, heißt das für uns natürlich auch, dass wir uns noch mal auf unsere Hosenböden setzen müssen, um neu nachzudenken, wie wir unsere Ideen teilen können oder ob eine Idee vielleicht schlichtweg doof war und deshalb völlig zu Recht abgeschossen wurde.

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Warum sollte man Euch unterstützen?

Chr. v. Aster: Schon um den gepflegten handgefertigten Alptraum der schlecht synchronisierten industriell gefertigten Massenware aus Fernost vorzuziehen und ein diesbezügliches Zeichen zu setzen!

Schwarwel: Weil man damit ein sehr schönes, fantasievolles Buch mit sehr schönen, fantasievollen Versen und sehr schönen, fantasievollen Bildern koproduziert, das von der Idee bis zur Drucklegung komplett in unserer Region entsteht – neben der Druckerei ist natürlich auch die Crowdfunding-Plattform eine Leipziger Firma, mit der wir persönlichen Kontakt pflegen. Keine Briefkastenfirmen, keine Kinderarbeit, keine Sweatshops.

Solche Herzensprojekte wie um “”Alptraum Junior und die Wonnen der Umerziehung” können wir als Mini-Unternehmer immer nur stemmen, wenn wir irgendwie die Hartkosten vorfinanzieren können. Mit Crowdfunding geht das auf eine ehrliche, faire und öffentlich einsehbare Weise. Niemand muss sich bei der Mafia verschulden und keiner eine Bank ausrauben – bis auf die normal übliche Selbstausbeutung bei der Überziehung der Arbeitszeiten ist alles besser kalkulierbar – und wie schon erwähnt: Man merkt sehr schnell, wenn man etwas herstellen will, was keine Sau interessiert … und kann entsprechend nachregeln oder die Notbremse ziehen.

Ihr wollt Euren Unterstützern Einblick in die Entstehung des Buches geben?

Chr. v. Aster: Da die Geschichte ja soweit entstanden, von Herr Alptraum gesichtet und genehmigt ist, und meine triste Arbeit weitgehend getan ist, werden potentielle Unterstützer vor allem das Vergnügen haben, Schwarwel im wonniglichen Tanz mit Tusche und Feder über die Schulter zu sehen und in unregelmäßigen die unerbittliche Realität des Zeichentisches miterleben zu dürfen. (Obwohl ich auch mit dem Gedanken spiele, nicht autorisierte Mitschnitte von Arbeitstreffen mit Herrn Alptraum zur Verfügung zu stellen, die den unmenschlichen Druck veranschaulichen sollen, unter dem wir mitunter arbeiten)

Schwarwel: Ja, das ist Teil des Gesamtkonzeptes. Die Leute bekommen Making-Ofs, Vorzeichnungen, Arbeitsschritte und Einsicht in den gesamten Herstellungsprozess von der Idee bis zum fertigen Buch. Wer sich dafür entschieden hat, als einer der handlungswichtigen Dämonen Eingang in die Buchseiten zu finden, wird ja sowieso eingebunden, weil wir mit ihm die Entwürfe und Illustrationen abklären und so weiter.

Was erhalten Eure Unterstützer für Gegenleistungen?

Chr. v. Aster: Oh, da gibt es einiges und die finstere Palette der Möglichkeiten ist gar breit: einzigartige Bilder, Bücher, DVDs, Merchandise aus der Welt der schlechten Träume, exklusives Allerlei, Persönliches, Liebe, Dankbarkeit und die Gewissheit etwas Sinnvolles getan zu haben.

Schwarwel: Je nach finanzieller Beteiligung kann jeder Unterstützer vom fertigen Buch über Buch+DVD-Packages, Sammelkarten, Originalzeichungen, extra gefertigte Verse,’Dämonisierungen des eigenen Selbst oder Zeichen-Workshops so ziemlich alles erhalten, was sich Herr Alptraum in seinen wildesten Träumen ersinnen konnte und kann. Noch nicht mal der sky is the limit …

Was sind Eure Wünsche und Ziele für Euer neues “Alptraum Junior”-Buch?

Chr. v. Aster: Ich bin da vergleichsweise bescheiden. Schön soll’s werden. Gut soll’s werden. Und dann auch noch nicht von Herrn Alptraums Anwälten verboten werden.

Schwarwel: Als Perfektionist im Ruhestand bin ich vor allem daran interessiert, dass dieses Buch dem ersten in nichts nachsteht und sich im Buchregal passend an das erste schmiegen kann. Das Gesetz der Serie. Wenn das gegeben ist, sehe ich keinen Grund, warum es nicht genau wie das erste Buch ein paar Nachauflagen erleben sollte, um möglichst viele Leute zu erfreuen. Unter Umständen ist ja dann auch wieder eine Verfilmung relevant – muss man sehen, wie sich das Herr Alptraum alles so vorstellt.
Und zum Abschluss bitte jeweils 1 Wort bzw. 1 Satz zu:

Frieden

Chr. v. Aster: Ja.
Schwarwel: “Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.” (Mahatma Gandhi)

Erziehung

Chr. v. Aster: Muss.
Schwarwel: Ein gutes Beispiel sein – oder beim Versuch sterben.

Albträume und Schlaflosigkeit

Chr. v. Aster: Braucht beides Fachpersonal.
Schwarwel: Mein täglich Brot.

Irrsinn und Wahn

Chr. v. Aster: Gbr.
Schwarwel: Die linke und die rechte Hand Gottes.

Alptraumfabrik

Chr. v. Aster: Schlimmstes Praktikum ever.
Schwarwel: Zeichenstudio.

Bootcamp

Chr. v. Aster: Flucht.
Schwarwel: Gummistiefel.

Dämon

Chr. v. Aster: Bürokratos.
Schwarwel: “Dämon für Einige, Engel für Andere” (Pinhead, Cenobit)

Blumen, Kuscheln, Singen

Chr. v. Aster: Sankt Nimmerleinstag.
Schwarwel: Weißes Rauschen.

Stricken

Chr. v. Aster: Nein.
Schwarwel: Pullunder.

Danke für das Interview.

Chr. v. Aster: (knickst artig)
Schwarwel: Bitte.

Wie Herr Alptraum höchstselbst und der Dämonendarsteller Schweinevogel die Zusammenarbeit in der Alptraumfabrik sehen – dazu morgen mehr.

Hier gehts zum Buch-Crowdfunding:
www.visionbakery.com/alptraum-junior

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