Wer jetzt noch keine Karten hat, muss sich sputen. Manche der schönen Leseorte, an denen der Literarische Herbst (24. bis 30. Oktober) stattfindet, sind klein. Da muss man sich rechtzeitig um Karten bemühen, wenn man drin sein und miterleben will, wie Leute, die schreiben, übers Schreiben denken. Am berühmtesten inzwischen sind die Lyrikhotels. Da laden sich Leipziger Autor/-innen Gleichgesinnte von Anderswo ein.

So wie Sibylla Vricic Hausmann aus Leipzig, die sich die Berlinerin Daniela Seel ins Lyrikhotel eingeladen hat, um möglicherweise über „Sprache der kühnen Behauptung“ oder „Sehnsucht nach Unverständlichkeit“ zu sprechen. Wer weiß.

Die beiden laden zum gemĂĽtliche Dabeisein am Freitag, 28. Oktober, in die Alte Post Lindenau ein.

„Ein ganz besonderer Ort“, sagt Nils Kahlefendt, einer der Organisatoren des Leipziger Literarischen Herbstes. Solche Orte muss man sich warm halten. Da wird Literatur in besonderer Atmosphäre erlebbar.

Das andere Lyrikhotel findet ebenso im gemütlichen kleinen Rahmen statt – am Mittwoch, 26. Oktober, um 20 Uhr in der Möbelkooperative Süd. Da hat sich Martina Hefter die Chemnitzerin Daria Pauke eingeladen.

Von Martina Hefter haben wir jüngst ihr Buch „In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen“ besprochen. Reden wollen die beiden – vielleicht – über die Frage: „Kann man Schreiben wirklich lernen?“ Gespräche haben ja ihre eigenen Gesetze. Manchmal führen sie weiter, als man denkt.

Fiston Mwanza Mujila. Foto: Dirk Skiba
Fiston Mwanza Mujila. Foto: Dirk Skiba

Das, was auch Bücher manchmal tun, wenn sie gut sind und nicht nach dem gängigen Verkaufsmuster gestrickt. Zum Beispiel Krimi-Leser/-innen wissen das. Da gibt es inzwischen jede Menge Meterware mit Vorstellungen vom (perfekten) Verbrechen, die direkt aus dem ARD-Abendprogramm stammen. Wo alles entweder ganz mordsmäßig deprimierend ist. Oder standesgemäß psychopathisch.

Da haben es Autorinnen, die sich dem ganz gewöhnlichen Kriminellsein widmen, schwer. Es sei denn, die finden einen Verlag wie Suhrkamp. Der extra eine etwas andere Kriminalrubrik eingeführt hat. So wie es am Donnerstag, 27. Oktober, beim Kriminaldauerdienst mit Sybille Ruge und Friedrich Ani in der naTo zu erleben sein wird. Eine Empfehlung jedenfalls für alle, die mit dem üblichen Thriller-Krimi wenig anfangen können.

Denn die Wahrheit übers Kriminellwerden ist ja meist eine ganz soziale. Keiner wird als Bösewicht geboren. Aber manches macht einen dazu. Oder lässt einen außer Rand und Band geraten.

Da ist es schon eine ganz andere Frage, wenn Medien dann aus dem Bösen auch noch ein Faszinosum machen. Thema für eine angeregte Diskussion zwischen dem Kulturwissenschaftler Helmut Lethen und seinen Gesprächspartner Jörg Magenau am Samstag, 29. Oktober, um 18 Uhr in der Bibliotheca Albertina: „Über die Faszination des Bösen“. So ist auch der Untertitel von Lethens neuem Buch „Der Sommer des Großinquisitors“. Es geht um Macht und Moral. Ein schönes Thema, von dem Journalisten meist zu wenig wissen.

Ein Termin, den manche vielleicht zu eng gerückt empfinden werden an das Gastspiel eines Autors, der gerade mit seinem Roman „Spitzweg“ für ein bisschen Furore gesorgt hat. Denn am selben Tag um 20 Uhr liest Eckhart Nickel in der Alten Börse. Moderiert wird seine Lesung von Bettina Baltschew.

Eckhardt Nicel. Foto: F.A.Z., Jana Mai
Eckhardt Nickel. Foto: F.A.Z., Jana Mai

Und ganz mutig ist ein Termin, den der Literarische Herbst auf Sonntag, 30. Oktober gelegt hat. Aber der hat es in sich, denn da kommt der ukrainische Autor Juri Andruchowytsch mit seinem 2020 erschienenen Roman „Radio Nacht“ ins Literaturhaus. Dort spricht er um 19:30 Uhr mit Katharina Raabe über seinen Roman. Und wahrscheinlich noch viel mehr.

Und eine sehr aktuelle Empfehlung ist natürlich Daniela Dröschers Lesung „Lügen über meine Mutter“. Mit diesem Buch über das Leben einer Familie im Westdeutschland der 1980er Jahre ist Dröscher derzeit in der Kandidatenliste für den Deutschen Buchpreis. Warum, das erfährt man vielleicht, wenn sie mit Miryam Schellbach über ihr Buch spricht.

Daniela Dröscher. Foto: Carolin Saage
Daniela Dröscher. Foto: Carolin Saage

Und ein Vorgeschmack auf die Leipziger Buchmesse 2023 wird eine Lesung am Mittwoch, 26. Oktober, 20 Uhr im Grünen Salon der Schaubühne Lindenfels. Denn da ist Fiston Mwanza Mujila aus Österreich zu Gast. Denn 2023 ist Österreich Gastland der Buchmesse. Er ist eine der „eigensinnigsten Stimmen der österreichischen Gegenwartsliteratur“. Er wird mit „kolossaler Dichterrede“ zu erleben sein, während Patrick Dunst ihn mit dem Jazz-Saxophon begleitet, interpretiert, konterkariert. Man darf sehen und hören.

Und wo wir schon mal beim Hören sind: Jede Zeit hat ihren Sound. Das ist auch der Ansatz von Joachim Hentschel gewesen, als er „Dann sind wir Helden“ geschrieben hat. Ein Buch über Rock’n’Roll und Pop in der Zeit des Kalten Krieges. Mit der durchaus nicht abwegigen Frage, ob es am Ende nicht Musik war, die die Mauer zum Einstürzen brachte.

Im Programm zum Literarischen Herbst steht natürlich noch mehr. Etwa für Dienstag, 25. Oktober, um 20 Uhr die quasi schon bewährte Schau im Ost-Passage Theater, wo vier junge Autor/-innen „Beste erste Bücher“ vorstellen. Vier Romandebüts auf einmal. Das lohnt den Weg in den wilden Leipziger Osten.

Alles andere findet, wer jetzt unruhig geworden ist, unter www.literarischer-herbst.com.

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