Manchen treibt's aus Leipzig heraus, um die große weite Welt zu sehen - und dafür stellt sich so mancher eben auch gern auf Bühnen. Schließlich sind die etwas erhoben und man sieht besser. Christian Haase macht das Gesehene seit vielen Jahren zu Liedern, die er am 07. März mit Album und Band in den Anker bringt. Volly Tanner traf den Jetzt-Berliner zum Plausch.

Hallo Christian, schön Dich zu treffen. Am 07.03.2014 bist Du ja mit Deiner ganzen Herde im Anker zugange. Ein Konzert für all Deine Freunde und Sympathisanten. Nun hörte ich, dass Du das Konzert Deiner Mama widmen möchtest. Wieso das denn? Ich meine, es ist ja löblich. Jedoch ist es auch äußerst selten. Erzähl’ mal.

Das klingt sehr nach Privatisierung, wie du das jetzt formulierst. Es ist schon ein offizielles Konzert: Nicht, dass jemand nicht hingeht, weil er denkt, ich spiele ein Konzert nur für meine Freunde. Nur so zur Richtigstellung. Aber du hast schon Recht. Weil das “Fahrende Volk”, zu dem ich nun mal als Musiker gehöre, seltenst an den Wochenenden zu Hause und an Geburtstagskaffeetafeln Gast ist, habe ich die Tour so geplant, dass sie uns zum Ehrentag meiner Mutter in meine Heimatstadt Leipzig führt.

Das heißt, die Geburtstagsrunde wird einfach in den Backstage des Ankers verlegt und zwischen Soundcheck und Konzertbeginn kann auch ich dabei sein. Und weil ich meinen Eltern viel zu verdanken habe, sei das Konzert den Beiden gewidmet.

Der Anfang-März-Auftritt wird auch Dein erster richtiger Konzertabend mit Deinem aktuellen Album “Alles was gut ist” in Leipzig sein. Wie waren denn die Resonanzen auf den Rundling? Das Musikkritikertum ist ja ein kaum zu durchleuchtender Haufen Unrat zumeist. Gibt’s da eine schöne Geschichte?

Es ist schon interessant, was man so zu lesen bekommt über die Arbeit, die man macht. Mein Schutzschild ist immer noch nicht dick genug, um nicht alles persönlich zu nehmen, was man da landauf und -ab zusammenschreibt. Wenn ich jemanden beauftragen würde, mal die Quintessenz aller Artikel zu filtern, müsste man den Eindruck gewinnen, ich sei der vielseitigste Künstler in diesem Land.

Vom “Deutschen Tom Petty” bis zum “Neuen Grönemeyer” wurde ich geadelt und verglichen, zwischen “Rockmusik vom Feinsten” und “Schlimmem Schlager” bewegt sich die Musik und von “Hitverdächtig” bis “Unterm Radar vorbei” wird die Qualität der Songs besprochen. Ich habe schon immer das gemacht, was ich für richtig hielt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mit dem Kopf gegen die Wand gerannt bin. Aber ich habe meine Beulen auch immer mit Stolz getragen, wenn mal was schiefging. Authentisch bleiben ist mein und unser Credo.

Du wirst auch Deine vollständige Hintergrundkapelle im Schlepptau haben – inklusive dem australischen Keyboarder, ein internationaler Ansatz? Wo bleibt da aber die Gleichstellung, Bursche????
Wir sind schon ein zusammengewürfelter Haufen. Aber neben musikalischen Qualitäten müssen Bandmitglieder auch miteinander harmonieren. Allein schon das stundenlange im Tourbus sitzen, die neben den gemeinsamen Tour-Wochenenden verbrachte Probenzeit, das Aufeinanderhocken in manchmal viel zu engen Backstageräumen bedarf schon einer gewissen Freundschaft. Es gibt Monate, da sehe ich meine Band öfter, als meine Freundin.

Da ist ein australischer Keyboarder kein internationaler Ansatz, sondern ein Typ, der Lust hat, diesen ganzen Stuff mit uns zusammen durchzustehen. Mal abgesehen davon, dass ich der Gleichstellung wirklich Genüge leiste: Bass und Schlagzeug erfüllen eine Frauenquote von immerhin 20 %, der Australier ist dann eben doch der internationale Ansatz und ich bin der Typ mit Migrationshintergrund.

Erkläre das mal, bitte.

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Seit drei Jahren bin ich Pate des Kinderhilfsfonds des DRK. In dieser Funktion organisierte ich eine Ferien-Reise mit Asylbewerber-Kindern. Zur abschließenden Pressekonferenz in Dresden, bei der auch eines der Kinder anwesend war, ein 10-Jähriger aus dem Iran, erzählte ich den Reportern, dass unsere Reisegruppe aus fünf Kindern mit Migrationshintergrund, wie es so schön heißt, zwei deutschen Kindern aus sozial benachteiligten Familien, wie es so schön heißt, und vier Betreuern bestand.

Da meldete sich der Junge und meinte, wir waren sechs Leute mit Migrationshintergrund. Ich hatte ihm erzählt, dass ich in der DDR geboren wurde. Eine Schmunzelanekdote, die die anwesenden Journalisten dankbar aufgriffen.

Ach schau, Du bist Pate für den Kinderhilfsfond des DRK? Was machst Du denn da genau? Und seien wir doch mal ehrlich: bei den katastrophengebundenen Benefizkonzertschwemmen – macht’s da, rein kommerziell, nicht mehr Sinn, für Taifunopfer etc. in die Bresche zu schwingen???

Ich versuche, unter anderem durch solche Ferien-Fahrten, die Popularität des Fonds zu steigern. Die verfügbaren Gelder sind nicht zweckgebunden. Das heißt jeder, Privatperson, Verein oder staatlich vernachlässigte Einrichtung, kann ein Projekt einreichen, in so fern es sich um das Wohlergehen von Kindern dreht. Mein Engagement für den Kinderhilfsfonds schließt andere Benefizaktionen ja nicht aus. Und Katastrophen gibt es derer genug, und leider auch immer wieder sehr schwerwiegende. Dass da geholfen werden muss, steht außer Diskussion.

Flut, Taifune, Erdbeben: Wenn man den Anfragen nachkäme, würde man als Künstler mehrere Benefizkonzerte am Tag spielen müssen. Das ist nicht zu schaffen und auch nicht effektiv. Daher habe ich mich entschlossen, ein Hauptprojekt zu unterstützen. Der Erfolg einer Zusammenarbeit zwischen Träger und Künstler, Pate oder Privatperson, hängt schließlich an der Nachhaltigkeit. Und Nachhaltigkeit braucht Zeit und Geduld.

Schlussendlich verlangt’s den neugierigen Geist natürlich auch nach einem Hauch Privatem. Sachen, die einfach so mal nicht auf der Internetseite des Herrn Haase stehen: Beziehungsstatus, Kinderwünsche, finanzielle Sorgen? Komm, lüfte das Handtuch mal ein bisschen …

Ich würde gerne mal ein Jahr Konzert-Pause machen. Mich ins Private zurückziehen, ein bisschen kulturell, statt touristisch reisen, vor allem das ganze Ideen-Material der letzten zwei Jahre sichten und komplettieren. Aber dafür reicht die Kohle nicht. Wie wohl bei den Meisten. Das zeigt mir allerdings, dass ich bei allem Künstlersein doch sehr normal bin. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

Danke, Christian.

Ich danke Dir für’s Zeit nehmen.

Christian Haase & Band; 07.03.2014, Anker Leipzig.

www.haase-band.de
www.facebook.com/haaseband

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