Eine Art Tunnel ist der alte Schaubühnen-Saal sowieso, in selektivem Schwarz-Grau, die Akustik-Muschel hinter der Bühne noch finsterer. So ähnlich muss es sich in einem überirdischen schwarzen Loch anfühlen. Wolfgang Krause-Zwieback verspricht die "Symphonie des Tunnels" als ein theatrales Konzert. Sein Weg durch den Tunnel ist ein Steg, links daneben der Musik-Mann Shaban, Berliner Hip-Hop-Elektroniker, der zwiebackartgerecht bekleidet wurde und von Hand allerlei Instrumente bedient, die Klänge gesampelt und vermixt.

“Zum Thema Tunnel fällt jedem irgend was ein”, freute sich Krause-Zwieback vorab und kommentiert lachend: “Seltsam!”

“Es ist Tunnel”

Kommt Krause-Zwieback dem, niemals direkt angesprochenen, Publikum näher, wird erkennbar, dass er sich mit einer Art Glocke aus Stoff dekoriert hat, so wie das erste Leipziger Messemännchen-Maskottchen aussah, in beige-braun. Er wird die Glocke später abstreifen und hinstellen und mit ihr agieren wie einem Spielpartner.

Gewarnt hat er vorher: “Es geht nicht um DEN Tunnel hier, in Leipzig!”, als ob man es als Krause-Zwieback-Langzeitbeobachter nicht hätte ahnen können, jenes Tunnelbauprojekt, das mal eine ICE-Bahn werden sollte, nun bloß noch der Regionalbahn von Altenburg nach Hoyerswerda dienen soll. Mit Um- und Aussteigemöglichkeiten zum Shoppen oder wenigstens Gucken-Gehen.

“Es gibt keinen Einstieg, kein Eingewöhnen”, sagte Krause-Zwieback in der Entstehungs- und Probenphase, “das geht gleich voll los!”, und doch hat er seinen Auftakt, sein Abtauchen gefunden: wie altmodisch live gesprochene Durchsagen auf Bahnhöfen und Bahnsteigen, in Wagen und Stationen, allerdings in einer – zwiebäckigen – Kunstsprache, nordeuropäisch anmutend, mehr Klangfarbe als Zusammenhang, und doch hier und da mit bedeutungsvoll-verständlichen Floskeln. “Es ist Tunnel.”

“Aus seinem Leben verschwinden, ein anderes suchen.”

Krause-Zwieback hat Spielstätten und Stücke, Themen, Personen und viele Berufe abgearbeitet – ist mit etlichen Musikern durch die Klangwelten gewandert. Er war schon im Video zu Hause, als andere erst die Beamer für große Bühnen bestellten. Er malte von Hand und in Projektionen. Es hätte ewig so weitergehen können. Habe doch endlich auch wieder ein Intendant den Mut, den Regisseur Krause-Zwieback auf ein gutes altes Drama eines guten alten oder guten neuen Autoren loszulassen. Es darf auch Oper sein. Wie anders sollte die Sehnsucht beschrieben und gar realisiet werden: “Aus seinem Leben verschwinden, ein anderes suchen…. Kein fremdes Meer, aber ein neues Meer. … Ein neues Leben, aber mit den Möglichkeiten eines neuen Lebens.” Sage da noch einer, Krause-Zwieback wäre nicht konkret.
“Kein Wetter, nur Zug!”

Einen “Zeittunnel” muss Krause-Zwieback nicht bedienen, der Wetter-Begriff, wie aus dem Bergbau, also unter Tage, ist ihm näher und leichter spielbar: “Kein Wetter, nur Zug! Die Luft steht, und es zieht!” Verpflegung ist kaum erwähnenswert: “Gaumen hoch und durch!”

Gewöhnung wird zu Gewohnheit, und das geht im Tunnel so: “Mit der Zeit verläuft sich die Sicht und schiebt sich vom Auge ins Ohr.” Hängen bleibt natürlich im Zuhörer-Ohr die Vokabel vom “Kurzzeitverständnis”. Krause-Zwiebäckige Weltanschauung im Tunnel eben.

Ohne Schauspieler-Mikrofon und Beschallung geht das alles nicht. Wie Signale bei der Tunnel-Bahn stehen Notenpulte mit Textblättern an der Strecke. Bei einer der Vorstellungen gibt’s einen ungeplanten Blick in den Tunnel, also ins Leere: Bei der Wanderung von Pult zu Pult fehlt ein Blatt Text. WKZ geht zurück, redet weiter, sucht, weiter zurück, redet, von Straßen, Wegen, und plötzlich von der “Ausfallstraße”. Sucht, weiter – findet. Da wird klar, dass nichts in Krause-Zwiebacks Manier Zufall ist, wenn es aufgeführt wird. In Serien von Vorstellungen.

“Keiner will weiter. Es ist ein Kommen und Bleiben.”

Und vielleicht wäre der Leipziger Tunnel, ob er nun tatsächlich mit dem Winterfahrplan 2013 befahrbar wird, oder dann das Geld für die Züge fehlen sollte, doch noch ein Spielort? Mit Krause-Zwieback und Shaban mit ihren Tunnelblicken als Mitwandertheater hinab, hindurchgefahren, hinauf? Vorstellbar. “Keiner will weiter. Es ist ein Kommen und Bleiben”.

Meinungen:
“Er spielt wie früher, wieder mehr Sprache!”, “So, wie wir ihn lieben!”, “Da merkt man erst mal, wie viel Text so ein Abend hat!”, “Er hat seine Spiel-Welt wie immer. Der Regie-Spleen, die Stücke ins Heute übersetzen zu müssen, ist an ihm vorübergangen.”, “Ganz schön zwiebäckig!”

Nächste Vorstellungen in der Schaubühne Lindenfels:
Freitag, 14. Dezember und Samstag, 15. Dezember,
jeweils 20:00 Uhr
Telefon: 0049 (0) 341-4846210 (Service)

Und für 2013 gibt es wieder ein “Jahresblättern”, den Wolfgang Krause-Zwieback Kalender, koproduziert mit der Firma ILV Fernerkundung Groitzsch und Berlin sowie dem Theater der Zeit. Aller zwei Wochen in Großformat ein Krause-Zwieback-Minidrama in Bild und Wort.

Meinung:
Das ist der ultimative und legitime Nachfahre der Plischke-Scherenschnitt-Spruch-Kalender für das 21. Jahrhundert.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar