Als er "Die Feen" schrieb, war Richard 20 Jahre jung. Schon früher hatte er das Drama "Leubald und Adelaide" gedichtet, und um seiner Vertonung Willen wollte er das Komponieren erlernen. Es kam anders, mehr. Und nachdem er "Die Feen" fertig hatte, aber sie keinem Intendanten, auch nicht dem Leipziger, schmackhaft machen konnte, erlebte Wagner die Uraufführung nicht mehr. Und in Bayreuth finden "Die Feen" im Festspielhaus nicht statt. Schon deshalb hat es etwas von Volkshochschulcharakter, die Oper zu inszenieren - und sie zu konsumieren.

Man sollte es erlebt haben

Staunenswert, was der Richard da schon alles an Mythen, unglaublichen Vorgängen und musikalisch Erinnertem vermengt und verarbeitet hat. Und wer vermag kurz und bündig des Stückes Fabel zu erzählen. Man sollte es einfach erlebt haben.

Zum Einstieg ertönt eine Radiomoderation und Einführung zu Stück, Komponisten, dessen Geburtsstadt und Begrüßung des Dirigenten. Man kann so was auch als übertriebene Gebrauchsanweisung oder Huldigung des Pultstars ansehen. Dass es doch passt, merkt man, wenn bereits zur Ouvertüre szenisches Spiel stattfindet, heutige Personen, üblicherweise wie aus des Publikums Kleiderschränken angeputzt, von bekanntem Mobiliar umgeben – doch plötzlich auf Altes treffen! Hinter der Klassizismus-Fassade zeigt sich eine Wohnküche. Besuch ist gekommen, in Gummistiefeln, Hausschuhe hat man mitgebracht …

Wagners Theater – nach Wagner

Da verabschiedet sich das Team Renaud Doucet, Regisseur, und André Barbe, Bühnen- und Kostümbildner, gewissermaßen schon vom jungen Wagner und seinen hochfliegenden Träumen als Dramatiker und Komponist. Viel später wird er selbst noch auf der Bühne mittun …

Was Richard Wagner im Theater erlebte, an Häusern, an Stücken, Autoren, an Technik, hat vor Jahren eine Ausstellung in Bayreuth zusammengetragen, der Katalog dazu hat die Schau überdauert: “Richard Wagner geht ins Theater”. Zwischen diesen – Leipziger – Erlebnissen und dem Bau des Festspielhauses von einem – Leipziger – Architekten, Otto Brückwald, liegt Wagners Leben, Kämpfen und Wirken. Zwischen dem Werk und uns liegt auch der Bau des Opernhauses am Augustusplatz, mit einem Saal, der offensichtlich Parallelen zum Bayreuther Festspielhaus hat. Soviel Lokalpatriotismus sollte zugelassen sein.
Szenisches Spiel beginnt in der Ouvertüre

Es spukt im Haus, nicht nur wenn sich Räume öffnen und Etagen durcheinander geraten.Wohnung. Aus der Unterwelt des Kellers treten Besucher in alten Roben in Erscheinung. Besucher aus dem Mittelalter dringen ins Haus ein, die Ehefrau nimmt sie gar nicht wahr, auch nicht wie sie sich in der Küche bedienen und den Kühlschrank plündern.

Es erscheint das romantische Bild eines idyllischen Mittelalters – einschließlich des Sängersaals der Wartburg, der auch nur ein nachempfundenes romantisierendes Mittelalteridyll ist. Aber wer will das schon wissen.

Menschen- und Feenwelten gehen ineinander über. Mensch Arindal und Fee Ada leben so lange glücklich, wie er sie acht Jahre lang nicht fragen darf, wer sie sei. Er tut es doch, und um sie wieder zu gewinnen, stellen ihn die Feen vor schwere Proben. So viel, so wenig zum Inhalt soll hier genügen. Sonst gehen Mär und Träume zu schnell kaputt. Grundvorgänge kriegt man mit. Für die Text-Details gibt’s Übertitel. Im dritten Akt bietet die Bühne noch einmal szenische Überraschungen.

Schmetterlinge fühlen sich hier wohl

Via Bayreuther Repertoire kommt der Holländer Arnold Bezuyen als Arindal nach Leipzig, Christiane Libor singt die Ada, Igor Durlovski den Feenkönig und Groma, Eun Yee You die Lora. Arindal muss seine heutigen Klamotten anbehalten, die anderen schwelgen in ihren Gewändern zwischen phantasievollem Irgendwo und Biedermeier. So schön, gediegen gestaltet und behutsam bewegt dass sich Schmetterlinge auf ihren Häuptern schaukeln lassen und wohl fühlen. Kann man sich vorstellen, was der junge Richard von den Biedermeier-Tanten um ihn herum hielt?
Mögen die “Feen” als “junger Wagner” ins gängige Repertoire Eingang finden – damit dann die Musikwissenschaftler beratschlagen können, welche Musik Richard komponiert hat, wo die Grenzen der Aufführungspraxis seiner Zeit liegen, die Anfänge und Anklänge heutiger Orchestermusik zu finden sind. Hörgewohnheiten noch gar nicht beachtend.

Ulf Schirmer ist der Musikschöpfer des Abends, was er genau tut, mögen vielleicht später potenzielle Symposien der Musikwissenschaft beleuchten. Wagners Wollen, Zeitvorstellungen und die Partitur sind ein Faktor, Orchestergröße, Instrumentarium, Platz, Raum und Akustik in Leipzigs Opernhaus, Forderung an die Solisten und Chöre und die Balance von allem sind Kraftakte.

Wohnhaus Wagner

Ein Wohnhaus von Heute auf die Bühne zu stellen, in dem der ganze Krimi und Zauber stattfindet, hatte man vor Jahren im Bockenheimer Depot Frankfurt/Main gesehen, übrigens nahe der Leipziger Straße. Dort war es Sprechtheater und waren es Schauspieler, die sich durch den “Ring des Nibelungen”-Text an einem Abend durcharbeiteten. Ging auch, war toll. Überaus reizvoll, wenn die Rheintöchter in der Badewanne trällerten, Riesen und Drachen von draußen zum Korridor hereinschauten und Wotan schließlich hoch oben im Schlafzimmer das Licht ausknipste.

Weltenschöpfer und Wagnerlast

Im Stadtgeschichtlichen Museum, Neubau Böttchergässchen, wird es ab 12. März die Ausstellung zum jungen Richard in Leipzig geben, mit dem ausladenden Titel “Wagnerlust und Wagnerlast”. Nebenan im Stadtgeschichtlichen Museum nimmt man es noch größer: “Weltenschöpfer”, und wird Richard Wagner, Max Klinger und Karl May vergleichen. Fehlt eigentlich noch “Wagners Leben und Werk auf Tassen und Tellern” im Museum für Angewandte Kunst, oder, Halt!, besser noch im Kaffeemuseum … Ein Theatermuseum hat Leipzig freilich nicht.

Nächste Vorstellungen: 24.02., 07.04., 15:00 Uhr, 20.04., 19:00 Uhr. 24.05., 19:30 Uhr

www.oper-leipzig.de

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